Neue Vorschläge für Risikobewertung
Dialogprojekt "Mobilfunk und Gesundheit" abgeschlossen
[30. September 2002]
"Einzelne Gutachten bieten - wenn sie nicht eine intensive Diskussion unter Fachkollegen durchlaufen - keine ausreichende Basis für eine zuverlässige Risikoeinschätzung möglicher gesundheitlicher Risiken durch Mobilfunk." So fasst Dr. Peter Wiedemann das wichtigste Ergebnis des einjährigen Forschungsprojektes der Programmgruppe "Mensch, Umwelt, Technik" (MUT) des Forschungszentrums Jülich zusammen.
Die oft sehr unterschiedliche Bewertung der Forschungsliteratur zu den biologischen Wirkungen der elektromagnetischen Felder des Mobilfunks durch Wissenschaftler hat immer wieder zur Verunsicherung von Öffentlichkeit und Politik geführt. Gutachten steht gegen Gutachten. Was aber passiert, wenn man einen Dialog zwischen Experten führt, die unterschiedlicher Auffassung sind?
Unter der Leitung von MUT trafen sich Wissenschaftler des Forschungszentrums für elektromagnetische Umweltverträglichkeit (FEMU) der RWTH Aachen, der Humboldt Universität Berlin, des Ecolog-Instituts (Hannover) und des Darmstädter Öko-Instituts, um ihre Risikobewertungen auf den Prüfstand zu stellen. Ziel des Dialogs war kein neues Gutachten zu Gesundheitsrisiken des Mobilfunks, sondern die Klärung der Frage, warum sich die Risikobewertungen z.T. so deutlich unterscheiden.
Vor Beginn des Dialogprojektes hatten die vier Gutachter im Auftrag der T-Mobile Deutschland zunächst die relevanten Forschungsarbeiten aus der Literatur ermittelt und bewertet. MUT moderierte anschließend in fünf Workshops die Diskussion zwischen den vier Instituten sowie zusätzlichen Fachexperten aus verschiedenen Fachgebieten.
Im Dialog zeigte sich
- Schon bei der Auswahl der einhundert wichtigsten Arbeiten durch die Gutachter ergaben sich erhebliche Unterschiede. In den betrachteten Themenfelder variierte die Übereinstimmung für alle vier Gutachten zwischen 0 und 50%.
- Die Bewertung der Aussagekraft von wissenschaftlichen Studien erfordert in vielen Fällen das Hinzuziehen von Experten, die in den entsprechenden Forschungsgebieten selbst Forschung betreiben.
- Drei der vier beteiligten Gutachter stimmten darin überein, dass sich gegenwärtig keine wissenschaftlich begründeten Verdachtsmomente auf Gesundheitsrisiken ableiten lassen. Die beteiligten Gutachter blieben so auch nach Ende des Dialogs bei ihren unterschiedlichen Risikobewertungen; ein Konsens konnte nicht erarbeitet werden.
- Wesentliche Ursachen für die Differenzen sind die unterschiedlichen Maßstäbe der Gutachter: Das zeigt sich vor allem bei der Auswahl und der Gewichtung der wissenschaftlichen Befunde sowie bei der Erstellung und Interpretation des wissenschaftlichen Gesamtbilds.
"Unserer Projekt zeigt, dass wegen der Komplexität des Themas immer auch Fachexperten für die zu beurteilenden Spezialfragen herangezogen werden müssen", so urteilt Peter Wiedemann, der Leiter des Dialogprojektes. Und: "Wir haben Empfehlungen erarbeitet, wie der Prozess der Bewertung wissenschaftlicher Studien zukünftig weiter verbessert werden kann". So müssen Risikobewertungen z.B. in weitaus größerem Maße transparent und nachvollziehbar sein, um das notwendige Vertrauen der Öffentlichkeit in die Wissenschaft zu schaffen. Gutachter müssen klarer verdeutlichen, warum sie zu welchen Bewertungen gelangt sind, was diese bedeuten und welche Unsicherheiten mit ihren Bewertungen verbunden sind. Das wird häufig nicht beachtet. Um hier die wissenschaftliche "Spreu vom Weizen" zu trennen, schlägt Wiedemann auch einen Expertenpass vor: "Die Öffentlichkeit hat ein Recht zu wissen, überwelche Expertise ein Gutachter verfügt."
Kontaktadresse:
Dr. Peter Wiedemann
Forschungszentrum Jülich
Programmgruppe Mensch, Umwelt, Technik (MUT)
52425 Jülich
Tel.: 02461 614806