"Physics meets Biology" - Forschen an der Schnittstelle zwischen Physik und Biologie

35. Ferienschule lockte 199 Teilnehmer aus aller Welt nach Jülich

[15. April 2004]

Elementare Lebensvorgänge, biomolekulare Motoren oder Krankheiten verstehen: Forschung an der Schnittstelle zwischen Physik und Leben ist hochaktuell. Naturwissenschaftler aller Disziplinen müssen voneinander lernen und künftig enger zusammenarbeiten. Unter dem Motto "Physics meets Biology" führte die 35. internationale Ferienschule des Instituts für Festkörperforschung Studierende und junge Wissenschaftler der Physik, Chemie und Biologie zusammen. Dieser einzigartige Intensivkurs vermittelte Wissen und praktische Erfahrungen zu Themen von der Physik der weichen Materie bis zur Zellbiologie. 199 Teilnehmer aus 17 Ländern weltweit kamen nach Jülich, um von hochrangigen Wissenschaftlern aus dem In- und Ausland zu lernen. Einer der Höhepunkte war die Vorlesung des Nobelpreisträgers Professor Erwin Neher aus Göttingen.

Nervenzellen funken Signale, Hormone werden ausgeschüttet, Erbinformation "schießt" in ein Virus, eine Eizelle verschmilzt mit einem Spermium. Wie sehen Biologen diese Lebensvorgänge - wie Physiker?

"Mit der diesjährigen IFF-Ferienschule möchten wir zum Integrationsprozess zwischen der Physik der weichen Materie, der Biophysik und der Biologie der Zelle beitragen", betont Prof. Gerhard Gompper vom Jülicher Institut für Festkörperforschung (IFF). Dieses Anliegen teilt er mit Prof. U. Benjamin Kaupp vom Institut für Biologische Informationsverarbeitung (IBI). Zusammen mit ihren Kollegen Prof. Dieter Richter, Prof. Jan K. G. Dhont und Prof. Roland G. Winkler sowie Rainer Hölzle organisierten beide Direktoren die diesjährige Ferienschule - mit großer Resonanz: Zu den Teilnehmern zählt mittlerweile der wissenschaftliche Nachwuchs aus der ganzen Welt. 199 Teilnehmern aus 78 Universitäten, davon 40 Prozent aus dem Ausland, kamen nach Jülich.

Die Referenten-Liste der Ferienschule liest sich wie ein "Who's who" der biologisch-physikalischen Forschung: Universitätsprofessoren, Direktoren von Max-Planck-Instituten und des renommierten Schweizer Biozentrums Basel gaben Vorlesungen. Dieses Jahr unterrichtete mit Prof. Erwin Neher vom Max-Planck-Institut in Göttingen zum ersten Mal ein Nobelpreisträger. Neher gelang es, zusammen mit seinem Kollegen Prof. Bert Sakmann, dem Informationsaustausch zwischen Zellen auf die Spur zu kommen.

Und wo liegen die Herausforderungen an der Schnittstelle zwischen Physik und Biologie? Biologische Zellen stehen im Mittelpunkt der Mikrobiologie. Die Zelle, kleinste Einheit des Lebendigen, besteht aus Tausenden verschiedenen Biomolekülen. Die Zellwand, eine Membran, ist aus sich selbst organisierenden Proteinen und Lipiden aufgebaut. Andere Proteine steuern als Enzyme Vorgänge in der Zelle. Zellen erzeugen Energie, regeln den Stoffwechsel und leiten Sinneseindrücke in elektrischen Impulsen weiter. Diese Zusammenhänge zu erkennen und zahllose Moleküle zu entdecken, sind Stärken der Biologie. Eine der großen Errungenschaften: die Analyse der im Zellkern steckenden Erbsubstanz zahlreicher Lebewesen. Allein das Lesen der "Buchstaben des menschlichen Genoms" hat eine Flut von Daten über DNS-Sequenzen und Proteine erzeugt - doch verstanden ist das Erbgut noch lange nicht.

Physikalische Techniken spielen in der Biologie wie in der Medizin seit vielen Jahrzehnten eine wichtige Rolle. Wer ist nicht schon einmal geröntgt worden? Deutliche Impulse hat die Zellbiologie durch neue leistungsfähige physikalische Untersuchungsmethoden der Proteinkristallographie, durch zahlreiche Einzelmolekültechniken oder die Neutronenstreuung erhalten. So lassen sich selbst einzelne Moleküle, ihre Struktur und Bewegung "sehen" und ihre Wirkung auf benachbarte Moleküle verstehen. Eine der Stärken der Physik ist es, solche Techniken zu entwickeln und deren Potentiale zu nutzen - eine weitere ist es, übergeordnete Prinzipien zu erkennen und in Gesetzen zu formulieren. Die Herausforderung der nächsten Jahre wird sein, durch Austausch der Disziplinen die Daten zu ordnen, noch genauer hinzusehen, um bei so wichtigen Fragen wie der Funktion der Erbinformation oder einzelner "Bauteile" der Zelle und derenZusammenspiel weiter zu kommen.

Hier leistete die IFF-Ferienschule mit ihrem ausgeprägten interdisziplinären Charakter einen wichtigen Beitrag. Studierende, Diplomanden, Doktoranden und junge Forscher, die Wissenschaftler von morgen, aus der ganzen Welt erhielten wie die Jahre zuvor eine ausgezeichnete "Ausbildung" zu einem hochaktuellen Thema. Auf dem Stundenplan der 35. Ferienschule standen Vorlesungen über grundlegende Konzepte wie den Aufbau der Zelle, über zahlreiche moderne experimentelle Techniken und den Einsatz von Computersimulationen. Die Studierenden lernten, wie sich Polymere bewegen, falten und sich selbst organisieren, wie Zellen miteinander kommunizieren und sich fortbewegen. Wissenschafter informierten über die Biegsamkeit der Mem­bran, ihre Kanäle und die Haftung von Zellen. Begleitet wurde das Programm durch Besichtigungen und Praktika, um das theoretische Wissen zu vertiefen.

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Teilnehmer von 78 Universitäten, unter anderem aus Japan, den USA und Russland, kamen nach Jülich. Unter den 199 Studierenden waren etwa 40 Prozent aus dem Ausland.

Foto: Forschungszentrum Jülich

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Nach der Vorlesung ins Labor: Während der IFF-Ferienschule lernten Studierende Forschung hautnah kennen.

Foto: Forschungszentrum Jülich


Weitere Informationen:

Dr. Renée Dillinger
Wissenschaftsjournalistin
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E-mail: r.dillinger@fz-juelich.de

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Leiterin der Öffentlichkeitsarbeit
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Letzte Änderung: 19.05.2022