Jülicher Forscher warnen vor Geo-Engineering

Kühlende Sulfate in der Atmosphäre schädigen Ozonschicht

[24. April 2008]

Jülich / Boulder, 24. April 2008 - Mit Millionen Tonnen von Sulfaten in der Atmosphäre in einer Höhe von 10 bis 25 Kilometern ließe sich die globale Erwärmung abbremsen. Diese Maßnahme gegen die Folgen des Treibhauseffekts ist kein Hirngespinst, sondern wird selbst vom renommierten Nobelpreisträger Paul Crutzen in Betracht gezogen. Jülicher Atmosphärenforscher warnen nun zusammen mit ihren US-amerikanischen Kollegen vor den Folgen eines solchen sogenannten Geo-Engineering, denn die Sulfate würden die vor UV-Strahlung schützende Ozonschicht an den Polen gravierend schädigen. Die Ergebnisse werden in der aktuellen Ausgabe der Fachzeitschrift Science veröffentlicht.

"Unsere Ergebnisse zeigen, dass dieser Ansatz einer künstlichen Verringerung der globalen Erwärmung große Risiken mit sich bringen würde", sagt Simone Tilmes, Hauptautorin der Studie und Klimaforscherin am National Center for Atmospheric Research in Boulder (NCAR). Zusammen mit ihren Kollegen Rolf Müller vom Forschungszentrum Jülich, Mitglied der Helmholtz-Gemeinschaft, und Ross Salawitch von der University of Maryland berechnete sie, wie stark Sulfatpartikel die Ozonschicht in der polaren Stratosphäre zwischen 10 und 25 Kilometer Höhe schädigen würden.

Durch die Sulfatpartikel wird stratosphärisches Chlor chemisch so verändert, dass es eine rapide Ozonzerstörung verursacht. So könnten zwischen einem Drittel und der Hälfte der Ozonschicht über der Arktis zerstört werden.

Über der Antarktis ist zusätzlicher Ozonabbau kaum noch möglich, da dort schon heute das gesamte Ozon in der Stratosphäre zerstört ist. Jedoch würde sich die derzeit langsam einsetzende Regenerierung der Ozonschicht um weitere 30 bis 70 Jahre verzögern.

In ihrer Veröffentlichung vergleichen die Wissenschaftler den künstlichen Sulfateintrag in die Atmosphäre mit dem natürlichen Eintrag durch Vulkanausbrüche. Grundlegende Daten lieferte ihnen der Ausbruch des Pinatubos auf der Philippinen-Insel Luzon am 15. Juni 1991. Der Vulkan spie dabei etwa zehn Millionen Tonnen Sulfate in die Atmosphäre. Diese verteilten sich rund um den Globus und führten in den Folgejahren zu einer spürbaren Abkühlung der Atmosphäre, aber auch einer Schädigung der Ozonschicht. "Ohne die Daten des Pinatubo-Ausbruchs wären unsere Abschätzungen nicht möglich gewesen", sagt der Jülicher Atmosphärenforscher Rolf Müller.

Würden nun durch ständigen Nachschub von Schwefel 5,3 Millionen Tonnen Sulfate in der Stratosphäre gehalten - wie Paul Crutzen 2006 in einem Szenario vorschlug - könnten sie effizient einen Teil des einfallenden Sonnenlichts abblocken. Wären die Sulfatteilchen dabei genauso groß wie bei einem Vulkanausbruch, würde sich parallel die Ozonschicht über der Arktis bis um ein Drittel reduzieren. Wählt man dagegen kleinere Partikel, die über eine größere, chemisch aktive Oberfläche verfügen, könnte sogar bis zur Hälfte der Ozonschicht verlorengehen.

Besonders riskant wäre es, wenn sich nach einem künstlichen Eintrag von Sulfaten noch ein größerer natürlicher Vulkanausbruch ereignet. "Dann wäre mit einem noch stärkeren, sehr ernsthaften Ozonabbau in der Stratosphäre zu rechnen", sagt Müller.

Ganz ausschließen will Müller eine Abkühlung der Erdatmosphäre durch Sulfat-Partikel aber nicht. "Die Auswirkungen auf die Ozonschicht wären in der zweiten Hälfte dieses Jahrhunderts deutlich geringer." Denn dann wäre die Konzentration an Fluorchlorkohlenwasserstoffen (FCKW) deutlich niedriger und die Sulfat-Aerosole würden weniger zu einem verstärkten Ozonabbau führen. "Geo-Engineering könnte uns einen Zeitaufschub gewähren, um erforderliche Maßnahmen zur Verringerung der Klimagase durchzuführen", fügt Tilmes hinzu.

Trotzdem ist Geo-Engineering als Maßnahme gegen die globale Erwärmung heute noch keine Handlungsoption. ""Die möglichen Auswirkungen von Geo-Engineering auf Ozonschicht und Klima müssen viel besser erforscht werden. Wir stehen hier erst am Anfang", umreißt Müller den Stand der Forschung.

Der aktuelle Artikel in der Zeitschrift "Science":

"The sensitivity of polar ozone depletion to proposed geoengineering schemes", Simone Tilmes, Rolf Müller, und Ross Salawitch, Science Express, 10.1126/science.1153966, Science 24 April 2008

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Das Ozonloch im Oktober 2002 über der Antarktis: Schnitt durch die Ozonschicht in ca. 24 km Höhe. Die stark erniedrigten Ozonwerte im Ozonloch sind als blaue Färbung dargestellt. Ein solcher starker Ozonabbau könnte durch "Geo-engineering" viele Jahrzehnte länger auftreten. Foto: Forschungszentrum Jülich

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Starker Ozonabbau im Polarwirbel im März 1997 über der Arktis. Gezeigt ist ein Schnitt durch die Stratosphäre in ca. 18 km Höhe. Die hohen (natürlichen) Ozonwerte am Rand des Polarwirbels sind rot dargestellt, der starke chemische Ozonabbau im Inneren grün und blau. (Simulationsrechnungen des Jülicher CLaMS Modells zur Simulation der Startosphäre). Durch den Einsatz von Geo-engineering könnten noch größere Ozonverluste auftreten. Foto: Forschungszentrum Jülich

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Vulkanausbrüche wie der des Mt. Ätna im Oktober 2002 setzen Millionen Tonnen von Sulfate in die Atmosphäre frei. Foto: NASA

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Sonnenuntergang über Nordschweden im Winter 1992. Die rote Färbung des Himmels kommt durch die Sulphat-Aerosole zustande, die durch den Vulkanausbruch des Pinatubos im Juni 1991 in die Stratosphäre gelangten. Die perlmutt-schimmernden Wolken enthalten Eis-Partikel. Foto: Fred Podlak


Ansprechpartner:

Rolf Müller
Forschungszentrum Jülich
Tel. 0049 2461 61-3828
E-Mail: ro.mueller@fz-juelich.de

Simone Tilmes NCAR Scientist
Tel. 001 303 497-1445
E-Mail: tilmes@ucar.edu

Ross Salawitch University of Maryland
Tel. 001 301 405-5396
E-Mail: ris@atmos.umd.edu


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Annette Stettien
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Letzte Änderung: 20.05.2022