Mit virtueller Realität zu besseren Wetter- und Hochwasserprognosen

Jülich, 2. Dezember 2013 – Wasser- und Energieflüsse zwischen Grundwasserbereich, Landoberfläche und Atmosphäre sind eine komplexe Angelegenheit. Eine Forschergruppe mit Jülicher Beteiligung setzt auf virtuelle Realität, um diese Prozesse besser zu verstehen sowie Vorhersagen für Wetter und Hochwasser zu optimieren. Die Wissenschaftler werden dazu das Neckareinzugsgebiet am Jülicher Supercomputer JUQUEEN simulieren und dabei virtuelle Messungen durchführen. Die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) fördert die Gruppe in den kommenden drei Jahren mit rund 2,1 Millionen Euro.

Die neue DFG-Forschergruppe "Data Assimilation for Improved Charakterisation of Fluxes across Compartmental Interfaces" will mit ihrem Modell der Realität so nah wie möglich kommen. Es soll alle wichtigen Aspekte des Neckareinzugsgebietes in Süddeutschland abdecken: vom Grundwasser über die Landoberfläche bis hin zur Atmosphäre – und das für eine Simulationsperiode von mehreren Jahren. Eine wesentliche Rolle spielt die sogenannte Datenassimilation. Hierbei werden Modelle und deren Parameter laufend mithilfe von aktuellen Messdaten korrigiert, um noch genauere Modelle und Vorhersagen zu erhalten. Der Ansatz der Forschergruppe ist in doppelter Hinsicht neu: "Bislang konzentrieren sich Vorhersagemodelle meist auf einen Bereich. So berücksichtigen Atmosphären-Modelle die Landoberfläche stark reduziert, ähnlich sieht es mit der Atmosphäre bei Hydrologie-Modellen aus. Und Datenassimilation wird zwar schon länger gemacht, aber noch nicht in Kombination mit so einen gekoppelten Modell, das die verschiedenen Bereiche vereint", erklärt Prof. Harrie-Jan Hendricks-Franssen vom Jülicher Institut für Bio- und Geowissenschaften, einer der Mitkoordinatoren der DFG-Forschergruppe.

Die Gruppe besteht aus Boden- und Geophysikern, Hydrogeologen und Meteorologen, Umweltphysikern und Strömungsmechanikern der Universitäten Augsburg, Bonn, Hamburg, Hannover und Tübingen sowie der Helmholtz-Zentren in Jülich und Leipzig. Die Partner wollen nicht nur die einzelnen Teilmodelle in ein Gesamtmodell integrieren, sondern auch bislang vernachlässigte Wechselwirkungen einbeziehen, etwa zwischen Landoberfläche und Atmosphäre. Davon erhoffen sie sich, die Energie- und Wasserflüsse besser vorhersagen zu können.

Basis für die virtuelle Realität sind neben physikalisch-mathematischen Modellen verschiedene Messdaten, die im Neckareinzugsgebiet mithilfe von Satelliten, Regenradaren und anderen Instrumenten gesammelt wurden. Das Modell für die Wasser- und Energieströme innerhalb des Neckareinzugsgebietes hat eine Auflösung von 50 Metern. Für deren Berechnung benötigen die Forscher die Rechenkraft des Jülicher Supercomputers JUQUEEN. Dabei simulieren die Wissenschaftler nicht nur das Einzugsgebiet auf JUQUEEN, sie führen auch Messungen in der virtuellen Realität durch, zum Beispiel zu Verdunstung und Bodenfeuchte. Die Ergebnisse der virtuellen Messungen nutzen die Forscher, um mit Hilfe von Datenassimilierungsverfahren Modellparameter und -vorhersagen zu verbessern.

Die Erkenntnisse könnten helfen herauszufinden, welche Messgeräte und welche Messungen bei spezifischen Fragestellungen zum Einsatz kommen müssen und welche Messungen jeweils wichtig sind, um eine bestimmte Vorhersage zu verbessern. "Beispielsweise wie wichtig sind Bodenfeuchtigkeitsmessungen für genauere Wettervorhersagen oder Niederschlagsmessungen für exaktere Prognosen von Grundwasserneubildungen", betont Prof. Harrie-Jan Hendricks-Franssen, der in dem Projekt für die Datenassimilierung des Landoberflächenmodells verantwortlich ist. Hier fließen Daten wie Verdunstung, Bodenfeuchte, Temperatur oder Vegetationszustand ein.

Das Modell wollen die Wissenschaftler nach Abschluss der dreijährigen Förderphase auf ein bestehendes Untersuchungsgebiet anwenden: und zwar in einem der vier Observatorien des Forschungsvorhabens TERENO (Terrestrial Environmental Observatories). Das auf mindestens 15 Jahre angelegten Großprojekt der Helmholtz-Gemeinschaft untersucht die regionalen Folgen des Klimawandels. Die Weiterentwicklung von Modellen wird allerdings noch lange nicht abgeschlossen sein. "Es gibt nach wie vor Prozesse, die auch unser Modell nicht berücksichtigt und die wir auch noch gar nicht verstanden haben", so Prof. Harrie-Jan Hendricks-Franssen.

Weitere Informationen:

Institut für Bio- und Geowissenschaften, Bereich Agrosphäre (IBG-3)

Supercomputer JUQUEEN

TERENO (Terrestrial Environmental Observatories)

Ansprechpartner:

Prof. Harrie-Jan Hendricks-Franssen
Institut für Bio- und Geowissenschaften, Bereich Agrosphäre (IBG-3)
Tel.: 02461 61-4462
E-Mail: h.hendricks-franssen@fz-juelich.de

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Tel.: 02461 61-8031
E-Mail: b.schunk@fz-juelich.de

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Letzte Änderung: 20.05.2022