Neue Formel für passendes Trägermaterial für Graphen

Jülich, 10. März 2015 - Jülicher Physiker haben ein Kriterium entwickelt, mit dem Forscher gezielt nach geeigneten Trägermaterialien für Graphen suchen können. Wechselwirkungen mit der Unterlage führen oft dazu, dass diese spezielle Form des Kohlenstoffs ihre verblüffenden Eigenschaften verliert. Gemeinsam mit Partnern anderer Einrichtungen konnten die Wissenschaftler nachweisen, dass die Beeinflussung der elektronischen Eigenschaften des Graphens durch das Substrat mittels eines einfachen strukturellen Parameters abgeschätzt werden kann. Die zugrundeliegende Publikation wurde als "Editor’s Suggestion" der Fachzeitschrift Physical Review Letters ausgewählt.

Schematische Darstellung der Atomstrukturen
Graphen auf einem Siliziumcarbid-Substrat, dessen Oberfläche mit Wasserstoff behandelt wurde, um das Graphen elektrisch zu entkoppeln. Der Abstand der beiden Schichten abzüglich der jeweiligen Van-der-Waals-Radien liefert einen Richtwert für die Stärke der Wechselwirkung.
Sforzini et al., Physical Review Letters, Copyright 2015 by The American Physical Society (https://journals.aps.org/info/terms.html; Übernahme mit Bezug zur betreffenden Publikation erlaubt)

Härter als Diamant, fester als Stahl und um ein Vielfaches leitfähiger als Silizium – wegen dieser und weiterer ungewöhnlicher Eigenschaften wird Graphen weltweit intensiv erforscht. Der Werkstoff ist gerade einmal eine Atomlage dick. Seine Verwendung ist bisher allerdings überwiegend auf Laborexperimente beschränkt. Eine der großen Aufgaben auf dem Weg in die Praxis ist die Suche nach geeigneten Trägermaterialien, ohne die sich das extrem dünne Material für kaum eine Anwendung nutzen lässt.

"Wir haben einen einfach zugänglichen Parameter gesucht, mittels dessen sich verschiedene Substrate direkt miteinander vergleichen lassen", berichtet Dr. François Bocquet. "Als entscheidendes Kriterium hat sich dabei der atomare Abstand zwischen der Graphen-Schicht und dem darunter liegenden Substrat herausgestellt", erläutert der Physiker und Helmholtz-Postdoc vom Jülicher Peter Grünberg Institut (PGI-3).

Unter Berücksichtigung der sogenannten Van-der-Waals-Radien – einem bekannten Tabellenwert für die Ausdehnung der Atome im nicht-gebundenen Zustand – lässt sich aus dem Abstand direkt die Stärke der Wechselwirkung ablesen. Computersimulationen von Wissenschaftlern des Berliner Fritz-Haber-Instituts der Max-Planck-Gesellschaft bestätigen dieses Ergebnis.

Hochpräzise Messungen mit Röntgenlicht

Dr. Sergey Subach am Instrument
Vorbereitung der Messung an der Synchrotronstrahlungsquelle Diamond in Oxfordshire (im Bild: Dr. Sergey Subach vom Forschungszentrum Jülich)
Courtesy of Diamond Light Source

An der Synchrotronstrahlungsquelle Diamond im britischen Didcot, Oxfordshire, haben François Bocquet und seine Kollegen den Abstand zwischen Graphen und Substrat mit Röntgenstrahlung und einer Genauigkeit im Pikometerbereich vermessen. Ein Pikometer entspricht einem Tausendstel Nanometer oder auch einem Milliardstel Millimeter, sodass sich auf diese Weise Längenunterschiede weit unterhalb eines Atomdurchmessers feststellen lassen.

Gruppenbild im Labor
Francois Bocquet (2. v. r.) mit Sergey Subach (1. v. l.) und Jessica Sforzini vom Forschungszentrum Jülich und Dave McCue (2.v. l.) und Tien-Lin Lee (1. v. r.) von der Diamond Light Source, Oxfordshire
Courtesy of Diamond Light Source

Als Probe verwendeten die Forscher Siliziumkarbid, an dessen Grenzfläche Wasserstoff eingebracht wurde: Wissenschaftler vom Max-Planck-Institut für Festkörperforschung in Stuttgart haben das speziell präparierte Halbleitermaterial erst vor wenigen Jahren als Trägermaterial für Graphen entwickelt. Anders als auf den sonst üblichen metallischen Substraten lagert sich das Graphen darauf praktisch wechselwirkungsfrei an und behält so seine herausragenden elektrischen Eigenschaften.

"Mit dem Aufkommen dieser neuen Klasse von Substraten wurde es Zeit für ein neues Kriterium, mit dem sich noch sehr schwache Wechselwirkungen präzise nachweisen lassen", erläutert der Jülicher Institutsdirektor Prof. Stefan Tautz, Leiter des Bereichs "Functional Nanostructures at Surfaces" (PGI-3). "Mit den bisherigen Verfahren, etwa mittels Photoelektronenspektroskopie, konnte man den Grad der Interaktion mit dem Substrat nur indirekt ableiten; solche schwachen Bindungen ließen sich damit kaum erfassen."

Originalpublikation:
Approaching truly freestanding graphene: The structure of hydrogen-intercalated graphene on 6H-SiC(0001)
J. Sforzini, L. Nemec, T. Denig, B. Stadtmüller, T.-L. Lee, C. Kumpf, S. Soubatch, U. Starke, P. Rinke, V. Blum, F.C. Bocquet, F.S. Tautz
Physical Review Letters (published online 10 March 2015), DOI: 10.1103/PhysRevLett.114.106804

Ansprechpartner:

Dr. Francois Bocquet, Peter Grünberg Institut
Functional Nanostructures at Surfaces (PGI-3)
Tel. +49 2461 61-3987
E-Mail: f.bocquet@fz-juelich.de

Prof. Dr. Stefan Tautz, Peter Grünberg Institut
Functional Nanostructures at Surfaces (PGI-3)
Tel. +49 2461 61-4561
E-Mail: s.tautz@fz-juelich.de

Pressekontakt:

Tobias Schlößer
Tel. +49 2461 61-4771
E-Mail: t.schloesser@fz-juelich.de

Letzte Änderung: 19.05.2022