Forschungsreaktor FRJ-2 ist seit heute abgeschaltet

Die Zukunft Jülicher Forschung mit Neutronen liegt in München

[2. Mai 2006]

Jülich, 2. Mai 2006 - Im Forschungszentrum Jülich ging am heutigen Dienstag um 8:30 Uhr eine Ära zu Ende. In Anwesenheit zahlreicher Mitarbeiter, Gäste und Vertreter der Aufsichtsbehörde drückte Reaktoroperateur Detlev Gottwald auf den roten Knopf und schaltete damit den Forschungsreaktor FRJ-2, auch "DIDO" genannt, endgültig ab. Nach fast 44 Jahren oder 15875 Tagen Betrieb erlosch damit die lange Zeit stärkste Neutronenquelle in Deutschland. Sie hatte für Generationen von Physikern, Chemikern, Biologen und Geowissenschaftlern den Neutronenstrahl geliefert, mit dem wertvolle Erkenntnisse über Strukturen, physikalische Eigenschaften, chemische Verbindungen und lebende Materie gewonnen wurden. Die Jülicher Forscher werden schon in naher Zukunft Deutschlands modernste Neutronenquelle, den neuen Münchener FRM-II, für ihre Arbeit nutzen.

Der FRJ-2 - die Abkürzung für Forschungsreaktor Jülich 2 - gehörte zu den ersten Projekten, die in den Fünfzigerjahren im Stetternicher Forst in atemberaubendem Tempo errichtet wurden. Gebaut wurde er nach englischen Plänen ab dem 11. Juni 1958; schon 13 Monate später wurde Richtfest gefeiert. Im Januar 1960 wurde der Reaktortank geliefert, und am 14. November 1962 setzte die Betriebsmannschaft der Zentralabteilung Forschungsreaktoren nach nur viereinhalb Jahren Bauzeit mit dem Ausfahren der so genannten Grobsteuerarme die kontrollierte Kettenreaktion in Gang. Die damalige Nennleistung von 10 Megawatt (MW) erreichte der FRJ-2 erstmals am 4. September 1963; sie wurde im Oktober 1967 auf 15 MW und im März 1972 auf 23 MW erhöht.

Schon früh platzte die Reaktorhalle sprichwörtlich aus allen Nähten; der Platz für Messeinrichtungen um den Reaktortank herum wurde zu klein. Um weitere Versuchseinrichtungen mit Neutronen zu versorgen, wurde 1968 an das Gebäude ein externes Neutronenmesshaus angebaut, das 1986 durch ein weit größeres Labor, das so genannte "ELLA", ersetzt wurde. ELLA beherbergt verschiedene Neutronenstreu-Instrumente für vielfältige Material- und Strukturforschung. Diese Instrumente wurden - ebenso wie die Reaktoranlage insgesamt - immer wieder modernisiert und dem Stand von Wissenschaft und Technik angepasst.

Bis zum heutigen Dienstag wurde am DIDO - der Name steht für DDO, das chemische Zeichen für schweres Wasser - Spitzenforschung auf vielen Gebieten betrieben. In unterschiedlichen Apparaturen wurden zahlreiche Stoffe, Elemente und chemische Verbindungen untersucht. So wurden zum Beispiel jene Zusatzstoffe entwickelt, die das Versulzen von Dieselkraftstoff im Winter verhindern. Polymere wurden entwickelt, die als Zusatzstoffe für Tenside deren Waschkraft erhöhen; diese Arbeiten wurden 2002 mit dem bekannten Erwin-Schrödinger-Preis des Stifterverbandes für die deutsche Wissenschaft ausgezeichnet. Seit vielen Jahren produzieren die Wissenschaftler Technetium, mit dem Mediziner Tumore aufspüren.

Im Juni 2004 schloss das Forschungszentrum Jülich einen Zusammenarbeitsvertrag mit der Technischen Universität München, dem Betreiber des dortigen FRM-II. Danach wird das Forschungszentrum Jülich eine Außenstation zur Nutzung des Münchner Forschungsreaktors auf dessen Gelände in Garching einrichten. Sieben Messgeräte für die Forschung mit Neutronen im Wert von insgesamt 45 Millionen Euro werden nach Garching gebracht und dort eigenständig betrieben. Durch die enge Kooperation wollen Jülicher und Münchner Wissenschaftler den FRM-II zu einem international führenden Zentrum für die Neutronenforschung aufbauen. Zwei Großgeräte sind bereits in Garching; mit dem Abbau weiterer Anlagen in ELLA wurde jetzt begonnen.

Begonnen wurde ebenfalls mit den Planungen für den Abbau des DIDO und aller Nebengebäude. Formal wurde der Reaktor heute nur abgeschaltet. Die eigentliche Still­legung bis zum Abbau ist ein längerer Prozess, der ebenso wie der Bau einer atomrechtlichen Genehmigung bedarf. Ziel des Abbaus ist es, eines Tages die "grüne Wiese" wieder herzustellen, auf der die Anlage seinerzeit errichtet wurde.

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Um 8:30 fuhr Detlev Gottwald den Forschungsreaktor FRJ-2 herunter; Prof. Treusch schaute interessiert zu.

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Nach der Abschaltung stellte sich die Reaktormannschaft vor der Anzeigewand zum Gruppenfoto.


Weitere Informationen:

Peter Schäfer
Stellvertr. Leiter Öffentlichkeitsarbeit
Forschungszentrum Jülich
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E-Mail: p.schaefer@fz-juelich.de

Dr. Angela Lindner
Leiterin der Öffentlichkeitsarbeit, Pressesprecherin
Tel. 02461 61-4661, Fax 02461 61-4666
E-Mail:a.lindner@fz-juelich.de

Letzte Änderung: 20.05.2022