Krebsdiagnose mit Mini-Spiegeln unter der Haut

Australische Firma nutzt Know-how des Forschungszentrums Jülich, um biologisch abbaubare Diagnose-Spiegel zu entwickeln

[16. Dezember 2003]

Krebszellen geben bestimmte Substanzen - so genannte Tumormarker - ins Blut ab, die bisher durch Blutuntersuchungen im Labor nachgewiesen werden. Die australische Firma pSivida arbeitet dagegen an einer Diagnosetechnologie, bei der biologisch abbaubare Mini-Spiegel unter die Haut des Patienten gesetzt werden sollen. Im Forschungszentrum Jülich wird seit etwa zehn Jahren an Spiegeln aus porösem Silizium gearbeitet, die pSivida für diesen Zweck verwenden will. Das Forschungszentrum und pSivida haben jetzt einen Lizenzvertrag unterzeichnet, der die Nutzungsrechte für Europa, die USA und Japan umfasst. Der Vertrag sieht eine Umsatzbeteiligung des Jülicher Forschungszentrums am neuen Diagnoseprodukt vor.

Die Firma pSivida, die im westaustralischen Perth ansässig ist, will die porösen Siliziumspiegel aus Jülich so weiterentwickeln, dass sie ihre Reflexionseigenschaften bei der Anlagerung von Tumormarkern ändern. Sind also Tumormarker vorhanden, reflektiert der Spiegel das Licht anders als ohne Tumormarker. Ein Arzt würde dann mit einem handlichen Gerät einen Laserstrahl durch die Haut des Patienten schicken. Das von einem Spiegel unter der Haut des Patienten reflektierte Licht würde anschließend von dem gleichen Gerät analysiert, das dann gegebenenfalls das Vorhandensein von Tumormarkern anzeigt.

"Dazu müssten die Spiegel mit irgendwelchen charakteristischen Strukturen versehen werden, die durch Anlagerung von Tumormarkern verändert werden. Wie das genau gehen soll, ist das Geheimnis von pSivida. Ich denke, hier besteht noch erheblicher Entwicklungsbedarf", sagt Dr. Hans Bohn, der am Jülicher Institut für Schichten und Grenzflächen (ISG-2) die Arbeitsgruppe "Poröses Silizium" leitet.

Die Spiegel der Jülicher Forschungsgruppe erfüllen genau die Anforderungen, die pSivida für ihre Diagnosetechnologie benötigt. Zum einen ist das poröse Silizium im menschlichen Körper ohne Nebenwirkungen abbaubar. Zum anderen können die Spiegel in einem einfachen Verfahren so hergestellt werden, dass sie nur einen schmalen Wellenlängenbereich des Lichts reflektieren - vom sichtbaren Licht bis ins mittlere Infrarot. Insbesondere der Infrarotbereich ist für die medizinische Anwendung interessant, weil die menschliche Haut für Infrarotlicht durchsichtig ist.

"Wir stellen routinemäßig kreisförmige Spiegel mit einem Durchmesser von zwei Zentimetern her. Bei der von pSivida geplanten Anwendung ist eher an eine Größe im Millimeterbereich gedacht. Herstellungstechnisch ist das kein Problem", erläutert Bohn.

Aus physikalischer Sicht sind die porösen Siliziumspiegel Interferenzfilter. Solche Filter werden beispielsweise in der Fotografie als Farbfilter eingesetzt. Bei den porösen Siliziumspiegeln erreicht man durch die Kombination mehrerer Schichten mit verschiedenen optischen Brechzahlen, dass die Filter nur bestimmte Wellenlängen des Lichts durchlassen oder reflektieren. Derartige Schichtsysteme sind aus handelsüblichem Silizium, wie es in der Halbleiterindustrie verwendet wird, relativ einfach herstellbar.

"Poröses Silizium wird durch elektrochemisches Ätzen hergestellt", erklärt Bohn. "Man ätzt Silizium mit Flusssäure und schickt während des Ätzvorgangs einen elektrischen Strom hindurch. Dadurch entsteht eine schwammartige Struktur mit einer mittleren Porengröße von dreißig Millionstel Millimetern. Die Dichte der Poren hängt dabei von der Stromstärke ab." Die Porendichte bestimmt wiederum die optische Brechzahl, die man somit durch eine geeignete Wahl der Stromstärke nach Wunsch einstellen kann.

Die für die optischen Eigenschaften der Siliziumspiegel ebenfalls wichtige Dicke der porösen Schicht wird durch die Dauer des Ätzvorgangs bestimmt. Sobald die gewünschte Dicke erreicht ist, ändert man die Stromstärke und erzeugt die nächste Schicht mit einer anderen Porendichte und somit einer anderen Brechzahl.

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Aufnahme eines Schichtsystems aus porösem Silizium - hieraus will pSivida biologisch abbaubare Mini-Spiegel für die Krebsdiagnose entwickeln. Die hellen und dunklen Bereiche haben aufgrund der unterschiedlichen Porosität unterschiedliche optische Brechzahlen.

Foto: Forschungszentrum Jülich


Informationen:

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Wissenschaftsjournalistin
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Mechthild Hexamer
Leiterin Öffentlichkeitsarbeit, Pressesprecherin
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Letzte Änderung: 19.05.2022