Die Energiewende ist ein schwieriges Thema – ein Erfahrungsbericht

Prof. Dr. Christoph Buchal arbeitet am Jülicher Peter Grünberg Institut und ist Vorstandsmitglied im Arbeitskreis Energie der Deutschen Physikalischen Gesellschaft. Seit 2008 beschäftigt sich Buchal mit der Vermittlung gesellschaftsrelevanter, physikalischer Themen in der Schüler- und Erwachsenenbildung. Neben seiner Vorlesungstätigkeit an der Universität zu Köln hält er Vorträge für die Öffentlichkeit und an Schulen mit den Schwerpunktthemen Klima und Energie. Im Jahr 2014 wurde ihm die Wilhelm und Else Heraeus-Seniorprofessur für seine Verdienste zur Lehrerausbildung und für seine schulbegleitenden Sachbücher verliehen

von Christoph Buchal

Ich war bei einem wundervollen Abendessen mit lauter klugen Ehepaaren. Lecker! Dann konzentrierte sich die Diskussion auf die Energiewende und die allgemeine Harmonie ging in heißen Kontroversen unter – unrettbar verloren, wie ein leckgeschlagenes Schiff in stürmischer See.

Ich hatte versucht, die Problematik der Energiewende zu erläutern, denn ich bin der Meinung, dass für die weitere Entwicklung deutliche Korrekturen fällig sind. Zuerst hatte ich nur vorsichtig versucht, die brandneue Analyse der Acatech über die Sektorkopplung zu verteidigen. Darin steht, dass man neben dem Energiesektor Strom nun dringend die Sektoren Wärme und Verkehr viel direkter in die Energiewende einbinden muss. Dahinter steht natürlich auch das Ziel, die sehr unangenehmen großen Schwankungen der „erneuerbaren“ deutschen Stromproduktion auf größere, stabilere Energiesysteme umzuleiten. Inzwischen sind nämlich in Deutschland 94 Gigawatt Peakleistung an Photovoltaik und Windkraft installiert. Das entspricht 94 Großkraftwerksblöcken von je 1 Gigawatt, die allerdings von Wind und Sonne gesteuert produzieren und deshalb sehr starke Schwankungen erzeugen. Unser durchschnittlicher Strombedarf liegt um 70 Gigawatt. Weil ein Stromnetz keine Energie speichern kann, fällt es immer schwerer, diese Schwankungen auszusteuern. Darüber könnte ich einen schönen Energiewende-Vortrag halten unter dem Titel: „Der Anfang war leicht, jetzt wird es teurer und komplizierter!“

Doch meine Ausführungen kamen an besagtem Abend gar nicht gut an. Ein guter Freund wurde deutlich und drastisch: „Die ganze Energiewende ist längst zu einer großen Geldumverteilungsmaschine geworden und dem globalen Klima nützt sie rein gar nichts. Deutschland trägt nur zu rund 2,5% zur globalen Emission von CO2 bei, und trotz der hohen Kosten und Investitionen in die Energiewende sind unsere Emissionen in den letzten 10 Jahren nicht mehr weiter gesunken, weil wir immer mehr Kernkraftwerke abschalten. Wir haben uns international lächerlich gemacht!“

Das waren harte Worte, aber sie waren ehrlich gemeint und kamen von klugen Leuten. Die sofort losgetretene Klimadiskussion habe ich noch zu moderieren versucht, indem ich das Problem der derzeit stattfindenden Klimaerwärmung in vier Schichten zerlegt habe:

  1. Die Klimageschichte mit Ihren periodischen Eis- und Warmzeiten innerhalb der letzen Million Jahre – ein ausschließlich natürlicher Prozess.
  2. Die Belastung der Atmosphäre durch die Verbrennung von Kohle und Öl in den letzten 200 Jahren durch die allgemeine Industrialisierung.
  3. Der daraus resultierende menschengemachte Anteil an den Klimaänderungen.
  4. Das offensichtlich unlösbare Problem, schnell weltweit auf Kohle und Öl zu verzichten.

Doch diese Mühe war ganz vergeblich. Ich muss gestehen, ich habe es nicht geschafft, eine saubere Diskussionsbasis oder gar einen Konsens zu finden. Die Ansichten prallten hart und unversöhnlich aufeinander – und auch bei meiner Tätigkeit in der Deutschen Physikalischen Gesellschaft sehe ich inzwischen sehr oft diese unversöhnlichen Gegensätze.

Nun leben wir, Gott sei Dank, in einer funktionierenden Demokratie. Deshalb wird auch die Zukunft der Energietechnik, mit all ihren Problemen und Vorteilen, von dem Votum der Mehrheit abhängen. Doch was will die Mehrheit? Wie informiert ist sie und welche Fragen sind offen? Und zu welchen Opfern ist sie bereit?

Gerne möchte ich an dieser Stelle erneut einen Versuch wagen, über die Energiewende zu diskutieren. Deshalb bitte ich Euch um Eure Meinung und um Eure Anregungen hier in diesem Blogpost.

Herzliche Grüße – Euer Christoph Buchal

Letzte Änderung: 16.03.2025