Strukturwandel

Das Rheinische Revier befindet sich im Wandel. Was kommt nach dem Ausstieg aus der Braunkohle? Wie können die hochwertigen Arbeitsplätze in der Region gehalten und zugleich neue geschaffen werden? Es geht darum, mit der Energiewende gleichsam die Zukunftsfähigkeit der Region zu gestalten. Hierin liegt eine der zentralen gesellschaftlichen Herausforderungen. Gleichzeitig aber auch eine große Chance. Eine Chance, nicht nur für die rheinische Braunkohle-Region, sondern für ganz Nordrhein-Westfalen. Um die Herausforderung zu meistern und die Gelegenheit bestmöglich zu nutzen, muss sich das Braunkohlerevier verändern. Was können Wissenschaft und Forschung in diesem Prozess leisten, der die Identität der heutigen Braunkohle-Region rund um Jülich gravierend verändern wird?

Der Strukturwandel hat bereits begonnen – und das Forschungszentrum hilft mit, ihn aktiv zu gestalten. Dabei kommt ihm seine exzellente wissenschaftliche Expertise auf den drei Zukunftsfeldern Information, Bioökonomie und Energie ebenso zugute wie seine besondere Lage mitten im Rheinischen Revier.

Der Strukturwandel wird die Region tiefgreifend verändern. Das Forschungszentrum Jülich setzt sich dafür ein, diesen Wandel aktiv zu gestalten.
Forschungszentrum Jülich / Sascha Kreklau

Bereits seit 2018 und dem Koalitionsvertrag der damaligen Bundesregierung steht fest: Der Ausstieg aus der Braunkohle wird konkret und soll auf Empfehlung der Kohlekommission bis spätestens 2038 bundesweit umgesetzt sein. Zu Jahresbeginn sind im Rheinischen Revier erste umfangreiche Leistungen vom Netz gegangen, und die Braun- und Steinkohlekraftwerke sind in die sogenannte Sicherheitsbereitschaft überführt worden. Überdies hat die seit 2021 amtierende Bundesregierung formuliert, den Ausstieg aus der Braunkohleverstromung noch einmal zu beschleunigen und das Ausstiegsdatum auf das Jahr 2030 vorzuverlegen. Ausgelöst durch den Angriffskrieg von Russland auf die Ukraine hat sich Deutschland vorgenommen, unabhängig von den russischen Energieimporten zu werden. Auch wenn das bedeutet, dass die jüngsten Leitentscheidungen zum Kohleausstieg angepasst werden, schreitet der Strukturwandel im Rheinischen Revier weiter voran. Einmal mehr wird deutlich, dass ein Fokus auf nachhaltige Energieversorgung und Wertschöpfungsketten richtig ist. Das Forschungszentrum Jülich, das mitten im Rheinischen Braunkohlerevier liegt, stellt sich hier seiner Verantwortung. Als Wissensschmiede und großer Arbeitgeber der Region packt es mit an, damit der Strukturwandel gelingen kann: Mithilfe wissenschaftlicher Innovationen in den drei Zukunftsfeldern Information, Energie und Bioökonomie will das Forschungszentrum dazu beitragen, neue Wertschöpfungsketten zu schaffen, durch die hochwertige Arbeitsplätze in der Region erhalten bleiben und zugleich neue Stellen entstehen können.

Mit neuem Schwung in die Energieregion der Zukunft

Das Forschungszentrum handelt dabei im engen Schulterschluss mit vielen anderen Akteuren der Region und als Partner von Politik, Wirtschaft und der Zivilgesellschaft. Das Forschungszentrum hat sich klar positioniert: Unsere Projekte und Aktivitäten, die wir in den Strukturwandel des Rheinischen Reviers einbringen, sind von anderer Qualität als die „klassischen“ Forschungsvorhaben einer missionsorientiert und langfristig arbeitenden Wissenschaftseinrichtung der Helmholtz-Gemeinschaft. Alle unsere Strukturwandelprojekte müssen eines von drei Zielen erreichen:

  1. Sie müssen zur Reindustrialisierung des Rheinischen Reviers beitragen und damit bestehende Industrien für das dekarbonisierte Zeitalter befähigen.
  2. Sie müssen ein Leuchtturm sein, geeignet, um Unternehmen anzuziehen und Strahlkraft weit über Nordrhein-Westfalen hinaus zu entfalten.
  3. Sie müssen das Potential zu Sprunginnovationen haben. Im Strukturwandel müssen wir groß denken und auch den Mut haben, neue Technologien von der Innovation bis zur Wertschöpfung voranbringen zu wollen.

Erste Projekte dieser Prägung wurden bereits erfolgreich auf den Weg gebracht: Mit dem BioökonomieREVIER, der Innovationsplattform iNEW und dem Hightech-Projekt NEUROTEC sind 2019 drei Projekte im Sofortprogramm der Bundesregierung für den Strukturwandel erfolgreich gestartet und gingen 2021 in die zweite Förderphase. Ob bio-basiertes Wirtschaften, die Entwicklung neuro-inspirierter Hardware oder die Schaffung der Grundlagen für nachhaltige Power-to-X-Technologien – die Jülicher Forschung weist einen Weg wie der Wandel hin zu einer Energieregion der Zukunft realisiert werden kann.

Ein weiterer Impuls mit langfristiger Wirkung und einer Strahlkraft für die ganze Region folgt noch im selben Jahr: Denn, das Rheinische Revier soll zu einer Wasserstoff-Modellregion werden. Mit einer Förderung als Sondermaßnahme von rund 860 Millionen Euro im Rahmen des Strukturstärkungsgesetzes der Kohleregionen baut das Forschungszentrum Jülich ein neues Helmholtz-Cluster für Wasserstoffwirtschaft auf. Das Helmholtz-Cluster für nachhaltige und infrastrukturkompatible Wasserstoffwirtschaft (HC-H2) wird als zentraler Nukleus für innovative und nachhaltige Wertschöpfungsketten in der Region dienen. Zugehörig ist dieses Projekt dem neu ins Leben gerufenen Institut für nachhaltige Wasserstoffwirtschaft, dass sich im Brainergy Park, in einem interkommunalen Gewerbegebiet in Jülich, ansiedeln wird. Durch seine Verknüpfung mit Demonstrationsanlagen soll sich das HC-H2 zu einem weiteren wissenschaftlichen und technologischen Leuchtturm entwickeln, der auch wegweisend für andere Regionen sein kann.

Ebenso spielt der Plattform-Gedanke im Forschungszentrum eine Rolle, um Ausgründungen und Unternehmenskooperationen zu forcieren. Als Heimat sollen sie die Start-Basis für Spin-Offs und Start-ups sein. In Jülich stehen hierbei die Infrastrukturplattform ER-C 2.0 für höchstauflösende Elektronenmikroskopie oder die Agency for Cognitive Computing (ACC) als eine Plattform für den Transfer zur digitalen Transformation der Wirtschaft durch Nutzbarmachung enormer Datenmengen mittels Künstlicher Intelligenz, maschinellem Lernen und neuro-inspiriertem Rechnen zur Verfügung.

Auch der Aufbau eines Innovationszentrums für angewandte Quantentechnologien, das Center of Quantum Science & Engineering (CQSE), wird dazu beitragen, Wissenschaft und Unternehmen in der Forschung und Entwicklung zusammenzubringen. Als Impulsgeber für ein Innovation Valley Rheinland nimmt das CQSE insbesondere Dienstleistungen für softwareintensive Unternehmen in den Blick. Auch im 2021 gestarteten Projektaufruf Revier.Gestalten beteiligt sich das Forschungzentrum Jülich als Partner des Projekts Light.P.Roof. In Kombination von flexiblen Leichtgewicht-Photovoltaikmodulen und textiler Architektur sollen dabei die Entwicklung und der Bau einer Solardach-Leichtbauhalle vorangetrieben werden.

All das zeigt: Unsere Projekte im Strukturwandel legen wir strategisch an. In den Projekten wird von Anfang an die Wirtschaft aktiv mit eingebunden. Mit Demonstratoren in der Fläche betten wir Technologie in einen realen Kontext ein, in dem neue Geschäftsmodelle entstehen. Auch künftige Herausforderungen für die berufliche Bildung beziehen wir mit ein. Neue Technologien erzeugen neue Arbeitswelten und neue Produkte erfordern zukunftsfähige Qualifikationsprofile. Die berufliche Ausbildung, nicht nur die akademische, muss diesen Veränderungen Rechnung tragen. Dabei gilt im Forschungszentrum, dass pro wissenschaftlichem Arbeitsplatz etwa ein Platz im technischen Bereich und etwa eine halbe Stelle im administrativen Bereich entstehen. Um Potentiale auszuschöpfen, verbinden wir mit unseren Strukturwandelprojekten die Stärken der Region mit den Stärken unserer Arbeit. Dies stärkt die Region insgesamt als Modell- und Demonstrationsregion.

Letzte Änderung: 23.03.2023