Vehicle-to-Grid
In einem Energieversorgungssystem mit einem hohen oder sogar dominierenden Anteil erneuerbarer Energieressourcen ist die Stabilisierung des Stromnetzes von entscheidender Bedeutung. Diese Herausforderung wird nicht nur durch Schwankungen im Energieverbrauch, sondern auch durch Schwankungen in der Energieerzeugung aufgrund intermittierender erneuerbarer Energiequellen verschärft. Neben stationären Energiespeicherlösungen und der Umwandlung überschüssiger Energie in chemische Energieträger, wie z.B. Wasserstoff durch Elektrolyse, steht eine weitere vielversprechende Lösung in vielen Garagen: Elektrofahrzeuge (EVs). Seit einiger Zeit wird daran gearbeitet, Elektrofahrzeuge als rollende Batterien zu nutzen, wobei sich die Forschung auf die Vehicle-to-Grid-Technologie (V2G) und andere Ladetechnologien konzentriert. Mit der V2G-Technologie werden Elektrofahrzeuge nicht länger auf unkontrollierbare Verbraucher reduziert, sondern können potenziell aktiv zu einem widerstandsfähigeren, stabileren und dynamischeren Energieökosystem beitragen. Ein Beispiel für ein solches Energieökosystem ist in Abbildung 1 schematisch dargestellt.
Auf der Suche nach einer nachhaltigeren Energiezukunft bietet die V2G-Technologie einen transformativen Ansatz mit Vorteilen und Herausforderungen. Auf dem Campus der Forschungszentrum Jülich GmbH beteiligen wir uns aktiv an bahnbrechenden Forschungs- und Entwicklungsinitiativen, die sich auf die Weiterentwicklung der V2G-Technologie für eine grünere Zukunft konzentrieren.
Unterschiedliche Lademodi für Elektrofahrzeuge - Potenziale und Herausforderungen
Elektrofahrzeuge können auf unterschiedliche Weise aufgeladen werden. Der einfachste Ansatz besteht darin, den Ladevorgang der Fahrzeugbatterie sofort zu starten, wenn das Elektrofahrzeug an das Ladegerät angeschlossen wird. Abbildung 2a zeigt diesen Ansatz schematisch. Die Ladezeit und die Ladeleistung können nicht gesteuert werden, was zu Instabilitäten im Stromnetz führen kann, da der Ladevorgang einfach mit dem Einstecken des Ladegeräts beginnt.
Bei der so genannten V1G-Technologie (intelligentes Laden) werden sowohl der Zeitpunkt als auch die Intensität der Ladeleistung, die vom Stromnetz an das Elektrofahrzeug abgegeben wird, „intelligent“ gesteuert. Dieses Szenario ist in Abbildung 2b schematisch dargestellt. In einem V1G-Szenario sind Elektrofahrzeuge immer noch in erster Linie Verbraucher von Strom aus dem Netz. Im Gegensatz zum einfachen Ladevorgang in Abbildung 1a kann V1G jedoch eine Destabilisierung des Netzes vermeiden und sogar aktiv zur Netzstabilisierung beitragen. Dies kann durch die Regelung der Netzfrequenz und durch Engpassmanagement erreicht werden, indem das Netz in Zeiten hoher Stromnachfrage effektiv von Überlastungen entlastet wird. Darüber hinaus wird V1G für die Ladeintegration von Elektrofahrzeugen mit erneuerbaren Energiequellen wie Photovoltaik (PV) benötigt. Wenn erneuerbare Energiequellen leicht verfügbar sind, können Elektrofahrzeuge mit der entsprechenden Leistung geladen werden. Somit bietet V1G eine strategische und reaktionsschnelle Lösung zur Stabilisierung der Stromnetze.
Mit der V2G-Technologie (bidirektionales Laden) können Elektrofahrzeuge bei Bedarf auch Energie in das Netz zurückspeisen. In Abbildung 2c ist dieses Konzept schematisch dargestellt. Der bidirektionale Energiefluss, der zeit- und intensitätsgesteuert ist, ermöglicht es Elektrofahrzeugen, nicht nur als Energieverbraucher, sondern auch als potenzieller Beitragszahler zur Netzstabilität und -flexibilität zu fungieren.
Elektrofahrzeuge können die Netzfrequenz regulieren (Abb. 3a) und gespeicherte Energie in Zeiten hoher Nachfrage (Abb. 3b) oder wenn das Netz zusätzliche Unterstützung benötigt, in das Netz zurückspeisen. Bei guter Steuerung kann V2G die Netzstabilität und -belastbarkeit erheblich verbessern. Die V2G-Funktion verwandelt Elektrofahrzeuge effektiv in mobile Energiespeicher, wie in Abbildung 3c grafisch dargestellt. Das Beispiel in Abbildung 3c zeigt, dass ein Elektrofahrzeug als dezentraler lokaler Batteriespeicher für die Notstromversorgung in einem Haushalt eingesetzt werden kann. Es lädt die Batterie mit überschüssiger PV-Energie und entlädt sie, wenn Energie benötigt wird.
Die V1G- und V2G-Technologie ist ein Beispiel im größeren Kontext der V2X-Technologie (Vehicle-to-Everything). V2X ermöglicht die Kommunikation und Interaktion zwischen Fahrzeugen und anderen Einheiten in ihrer Umgebung. Das „X“ in V2X steht für die Vielzahl von Einheiten oder Systemen, mit denen Fahrzeuge kommunizieren können, darunter andere Fahrzeuge (V2V), die Infrastruktur (V2I), Fußgänger (V2P), die Cloud (V2C), ein Gebäude (V2B), eine Last (V2L) und natürlich V2G. Die Implementierung von V2X-Technologien hat das Potenzial, die Verkehrssicherheit zu erhöhen, Staus zu reduzieren und den Weg für effizientere und intelligentere Verkehrssysteme zu ebnen. Sie spielt auch eine entscheidende Rolle bei der Entwicklung und Einführung autonomer Fahrzeuge, da diese Technologien es Fahrzeugen ermöglichen, in Echtzeit miteinander und mit der Infrastruktur zu kommunizieren.
Zu den verschiedenen Lademodi gehört natürlich auch das Schnellladen, das die Ladezeit von Elektrofahrzeugen durch eine im Vergleich zu Standardmodi höhere Ladeleistung erheblich verkürzen soll. Abbildung 4 zeigt einen Vergleich zwischen dem normalen Laden mit Wechselstrom (AC) und dem Schnellladen mit Gleichstrom (DC). Das Schnellladen ermöglicht es Elektrofahrzeugen, in einem Bruchteil der normalen Ladezeit eine Ladekapazität von 80% zu erreichen, was Bedenken hinsichtlich der Reichweitenbegrenzung ausräumt und den Gesamtkomfort für den Nutzer erhöht. Schnellladestandards wie CHAdeMO und CCS spezifizieren physikalische Anschlüsse und Kommunikationsprotokolle, tragen zur Entwicklung einer robusten Ladeinfrastruktur bei und spielen somit eine entscheidende Rolle bei der flächendeckenden Einführung von Elektrofahrzeugen.
Trotz des Potenzials und der zahlreichen Vorteile fortschrittlicher Ladetechnologien stehen diese auch vor verschiedenen Herausforderungen. Neben politischen und regulatorischen Hürden sowie praktischen Fragen der nahtlosen Integration, wie standardisierte, interoperable Kommunikationsprotokolle und Hardwareschnittstellen, stellt auch die Batterietechnologie eine Herausforderung dar. Es ist noch nicht vollständig geklärt, wie sich das Laden der Fahrzeugbatterie mit flexiblen und stark schwankenden Stromstärken über unterschiedliche Zeiträume auf den Batteriezustand und die Langzeitperformance auswirkt. Die mit dem bidirektionalen Laden verbundenen häufigen Lade- und Entladezyklen werfen weitere Fragen hinsichtlich der Auswirkungen auf die Lebensdauer der Batterie auf. Insbesondere beim Schnellladen gibt es Bedenken hinsichtlich der Batterietemperatur, der Sicherheit und der Alterung. Die Batterieforschungsgruppe des IET-1 befasst sich mit den Herausforderungen der Batteriegesundheit, indem sie die Batterietechnologie weiterentwickelt und Managementsysteme entwickelt, um die langfristige Degradation zu minimieren.
Aktuelle Forschung
Die Batterieforschungsgruppe am IET-1 ist aktiv am LLEC::VxG Projekt beteiligt, das sich mit bidirektionaler Ladetechnologie beschäftigt. Zu den Forschungszielen am IET-1 gehören die Untersuchung von Batteriealterungsprozessen, die durch V2G-Prozesse beeinflusst werden, sowie die Entwicklung von Batteriealterungsmodellen. Ziel der Forschung ist es zu untersuchen, ob V2G-Ladevorgänge die Batteriealterung im Vergleich zum normalen Laden beeinflussen und innovative (Schnell-)Ladealgorithmen vorzuschlagen. Darüber hinaus will das Team elektrochemische und thermische Batteriemodelle auf Zell-, Modul- und Packebene entwickeln und verbessern. Diese Modelle werden durch eine Kombination von Laborexperimenten und Fahrversuchen mit den unten genannten Elektrofahrzeugen genau parametrisiert und validiert. Ziel ist es, diese Modelle zur Optimierung der Lade- und Entladeprofile von Batterien einzusetzen. Konkret zielt das Team darauf ab, Lade- und Entladeprofile zu formulieren, die einen minimalen Einfluss auf die Batteriealterung haben, ein schnelles Laden ermöglichen und gut für effiziente V2G-Dienste geeignet sind.
Im LLEC::VxG Projekt bauen wir auf unseren Erfahrungen in der Batteriealterung und Modellierungsforschung auf, die wir in früheren Forschungsarbeiten in anderen (EU-)Projekten wie DEMOBASE, AUTODRIVE und LImeSI gesammelt haben. Das Wissen und die Expertise, die wir in diesen Projekten erworben haben, sind für die Gestaltung unseres Forschungsansatzes im Rahmen des LLEC::VxG-Projekts von entscheidender Bedeutung.
Parallel zum LLEC::VxG-Projekt wird im Rahmen des i2Batman-Projekts ein durch künstliche Intelligenz (KI) unterstütztes Batteriemanagementsystem (BMS) entwickelt, das die Integration von Leistungs- und Lebensdauerverbesserungen unter Priorisierung von Sicherheitsverbesserungen erleichtert. Durch die genaue Vorhersage von Leistungsabfall oder Ausfällen für jede einzelne Zelle und die Integration dieser Erkenntnisse in Echtzeit-Betriebsdaten soll ein innovativer Sicherheitskontrollpunkt für das BMS geschaffen werden. Das verbesserte BMS wird nicht nur für Sicherheit sorgen, sondern auch den Weg für zusätzliche Verbesserungen ebnen, deren Umsetzung sonst als zu riskant eingestuft worden wäre.
Infrastruktur am IET-1
Derzeit sind zwei Ladestationen der italienischen Firma NEX2 installiert, die jeweils aus einer Ladesäule und einem Stromverteilerschrank bestehen: Eine bidirektionale Ladestation, die das Laden und Entladen von Elektrofahrzeugen mit bidirektionaler Ladefunktion ermöglicht. Die zweite, unidirektionale Ladestation dient zur Untersuchung variabler Lasten an einem stationären Batteriespeichersystem, das als unterbrechungsfreie Stromversorgung (USV) und Spitzenausgleichssystem dient. Beide Ladestationen verfügen über drei Anschlüsse: CCS2, CHAdeMO und einen Typ-2-Anschluss, so dass jedes in Europa verkaufte Elektro- oder Plug-in-Hybridfahrzeug aufgeladen werden kann.
Eine zusätzliche bidirektionale Ladestation wurde von der Firma EVTEC erworben. Die als Wandladestation konzipierte EVTEC-Ladestation verfügt über eine Leistung von 10 kW und ist auf einer Metallsäule montiert. Ähnlich wie die Ladestation NEX2 verfügt sie sowohl über CCS2- als auch über CHAdeMO-Anschlüsse. Damit kann sie den Gleichstrom-Ladebedarf jedes Elektrofahrzeugs decken. Für das bidirektionale Laden ist diese Ladestation besonders für Elektrofahrzeuge von Nissan (CHAdeMO-Anschluss) und Honda e (CCS2-Anschluss) geeignet.
Zusätzlich zu der oben genannten Ladestation werden in Kürze bidirektionale Hochleistungsladestationen auf dem Forschungscampus beschafft und installiert, um den Netzausgleich zu gewährleisten und die Batterien der Elektrofahrzeuge zu untersuchen.
Derzeit werden vier Elektrofahrzeuge als Forschungsfahrzeuge eingesetzt: ein Nissan Leaf, ein Nissan e-NV200, ein Honda e und ein Tesla Model 3. Die ersten drei Elektrofahrzeuge unterstützen bidirektionales Laden und werden zu diesem Zweck eingesetzt, während das Tesla Model 3 als Benchmark für Schnellladetests verwendet wird. Die Elektrofahrzeuge sind in Abbildung 5 dargestellt, wobei die NEX2-Ladestationen im Hintergrund zu sehen sind. Zusätzlich zum bidirektionalen Laden und Schnellladen in Kombination mit den oben beschriebenen Ladestationen werden alle Elektrofahrzeuge während der Fahrt überwacht. Zu diesem Zweck wird eine Telematikeinheit der Firma AutoPi verwendet, die an den OBD-II-Anschluss jedes Elektrofahrzeugs angeschlossen wird. Diese Einheit liest verschiedene Zustände des Elektrofahrzeugs aus und sendet die Daten zur weiteren Analyse direkt in die Cloud.
Weitere wissenschaftliche Literatur über unsere Arbeit finden Sie hier
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