Experimentelle Hadronenstruktur (IKP-1)
Forschungsschwerpunkte
Hadronen und fundamentale Symmetrien
Zentrales Forschungsthema ist die Natur der "starken Wechselwirkung", die sich in den Eigenschaften der Hadronen und ihrer Wechselwirkung untereinander manifestiert. Ihre Untersuchung liefert auch einen Zugang zur Überprüfung fundamentaler Symmetrien und damit unseres grundlegenden Verständnisses der Teilchenphysik. Dazu werden gegenwärtig Experimente mit polarisierten Protonen- und Deuteronenstrahlen am COSY-Beschleuniger-Ring bei Impulsen zwischen 0.3 und ca. 3.5 GeV/c durchgeführt. Darüber hinaus wird ein sehr umfangreiches Experimentierprogramm mit gekühltem Antiprotonenstrahl bei Impulsen zwischen 1.5 und 15 GeV/c am Hochenergie-Speicherring HESR der Beschleunigeranlage FAIR vorbereitet.
Strangeness
Das strange-Quark (s-Quark) ist das leichteste Quark, das nicht zu den Valenzquantenzahlen von stabiler Materie beiträgt. Die Untersuchung von Strangeness als zusätzlichem Freiheitsgrad ist daher wichtig, um ein umfassenderes Verständnis der starken Wechselwirkung zu erhalten. Dies betrifft insbesondere die Anregungszustände des Nukleons, die unterschiedlich stark an Endzustände mit Strangeness koppeln, sowie die Hyperon-Nukleon-Wechselwirkung im Vergleich zur Nukleon-Nukleon-Wechselwirkung.
Da in dem Energiebereich von COSY die Erzeugung von Hadronen mit Strangeness im Vergleich von solchen aus den leichten u- und d-Quarks um 2−3 Größenordnungen unterdrückt ist, werden empfindliche Detektorsysteme benötigt, die in der Lage sind, Endzustände mit Strangeness eindeutig zu identifizieren. Eine charakteristische Signatur von Strangeness-Erzeugung ist der verzögerte Zerfall von Λ- und Σ+-Hyperonen sowie Ks-Mesonen mit Zerfallslängen von wenigen cm. Für den Nachweis solcher verzögerten Zerfälle ist der COSY-TOF-Detektor als externes Experiment an COSY in idealer Weise geeignet, da er mithilfe eines kürzlich integrierten Straw-Tube-Trackers eine sehr genaue Bestimmung der Trajektorien der erzeugten Teilchen nahe am Wechselwirkungspunkt erlaubt. Eine weitere Stärke des Detektors ist seine große Akzeptanz (in vielen Fällen volle 4π-Raumwinkelabdeckung im Schwerpunktsystem) sowie die annähernde azimutale Symmetrie. Beide Eigenschaften sind essentiell für die Messung von vollständigen Winkelverteilungen der erzeugten Teilchen. In Verbindung mit dem polarisierten Protonenstrahl ermöglicht dies z.B. die Bestimmung der Nukleonresonanzen, die zu der Reaktion pp→pK+Λ beitragen oder die Messung der spin-abhängigen pΛ-Streulänge (weitere Informationen siehe hier).
Fundamentale Symmetrien
Unser Verständnis physikalischer Naturgesetze ist durch die Erkenntnis bestimmt, welche fundamentalen Symmetrien in welchen Naturkräften exakt oder annähernd erfüllt sind. Zum Beispiel ist seit mehr als einem halben Jahrhundert bekannt, dass die schwache Wechselwirkung nicht invariant gegenüber einer Spiegelung des Raumes ist, während die starke und die elektromagnetische Wechselwirkung diese Symmetrie erfüllen. Die kombinierte Symmetrie gegenüber Ladungskonjugation (Spiegelung zwischen Teilchen- und Antiteilchenwelt) und Raumspiegelung, d.h. CP-Transformation, ist geringfügig verletzt, wie im Zerfall neutraler K- und B-Mesonen gezeigt werden konnte, aber die Ursache dieser Verletzung ist nicht verstanden. Es wäre daher wichtig, eine CP-Verletzung auch in anderen Systemen zu finden oder zumindest die Ausschließungsgrenzen dafür deutlich zu verschieben. Eine weitere wichtige Symmetrie ist die sogenannte Isospin-Symmetrie: Die starke Wechselwirkung ist nach unserem Verständnis bis auf eine Brechung aufgrund der unterschiedlichen Massen der leichten u- und d-Quarks invariant gegenüber der z-Komponente des Isospins (Vertauschen von Proton und Neutron bzw. u- und d-Quark). Die experimentelle Bestimmung der Größe der Isospinbrechung ist von entscheidender Bedeutung für eine Eingrenzung der Quarkmassen, die bisher nur ungenau bekannt sind.
Ein vielversprechender Zugang zum Test fundamentaler Symmetrien ist die Untersuchung von bzw. die Suche nach seltenen Zerfällen von η- und η'-Mesonen, da diese für instabile Hadronen sehr geringe Zerfallsbreiten haben. Im Fall des η-Mesons sind alle energetisch möglichen starken Zerfälle symmetrieverletzend und damit verboten oder unterdrückt. Die Untersuchung seltener η- (und η'-) Zerfälle ist Hauptbestandteil des Physikprogramms des WASA-at-COSY-Experiments, das sowohl Photonen als auch geladene Teilchen mit annähernd 4π Raumwinkelakzeptanz nachweisen kann. Damit ist es in idealer Weise für den Nachweis neutraler Mesonen wie η und η' geeignet. Es konnte bereits eine große Anzahl von η-Mesonen in den Reaktionen pp→ppη und pd→³Heη nachgewiesen werden.
Charm
Nach dem Strange-Quark (s-Quark) ist das Charm-Quark (c-Quark) das nächst-schwerere fundamentale Teilchen, das an der starken Wechselwirkung teilnimmt. Wegen der großen Masse des c-Quarks von ungefähr 1.5 GeV/c² sind für diese im Gegensatz zu den viel leichteren u-, d- und s-Quarks dynamische Effekte vergleichsweise klein. Dadurch liefert die spektroskopische Untersuchung von Hadronen mit Charm komplementäre Erkenntnisse über die starke Wechselwirkung. Hierbei sind sowohl Charm-Anticharm-Zustände (Charmonium-Zustände) als auch Zustände mit offenem Charm, bestehend aus einem Charm-Quark und einem leichtem Quark (D-, Ds-Mesonen) von Interesse. Darüber hinaus lässt die geringe Breite von Charmonium-Zuständen die Suche nach Zuständen mit gluonischen Anregungen, d.h. Quark-Gluon-Hybridzuständen oder rein gluonischen Zuständen im Massenbereich um 4 GeV/c² als vielversprechend erscheinen. Exotische Zustände außerhalb des Quarkmodells sind im Rahmen der Quantenchromodynamik nicht verboten, konnten aber bisher nicht zweifelsfrei beobachtet werden. Die Untersuchung von Hadronen mit Charm sowie die Suche nach Zuständen, die nicht Quark-Antiquark oder Drei-Quark Systeme sind, ist ein wesentlicher Bestandteil des Physikprogramms des PANDA-Experiments am Antiprotonen-Speicherring HESR an FAIR.
Detektorentwicklung
Im Rahmen des Aufbaus von PANDA ist die Entwicklung von Detektoren sowie deren Auslesesystemen ein wichtiger Schwerpunkt. Die Arbeiten konzentrieren sich hierbei auf den Mikro-Vertex-Detektor (MVD), den Straw-Tube-Tracker (STT) als zentralem Spurdetektor, sowie auf den Luminositäts-Monitor. Der MVD besteht im inneren Teil aus Silizium-Pixel-Detektoren, im äußeren Teil aus Silizium-Streifen-Detektoren. Er ist der dem Wechselwirkungspunkt am nächsten gelegene Subdetektor von PANDA und dient insbesondere zur Bestimmung von verzögerten Zerfallsvertices von Hadronen mit offenem Charm. Dafür wird eine Auflösung von etwa 50 μm angestrebt. Der STT besteht aus einer dichten Packung von ca. 4200 axial angeordneten Strawtubes von jeweils 1 cm Durchmesser und 150 cm Länge. Ein planarer Strawtube-Detektor basierend auf der gleichen gewichtssparenden Technologie wird bereits im COSY-TOF-Experiment erfolgreich eingesetzt. Der Luminositäts-Monitor, bestehend aus vier Lagen von Silizium-Streifen-Detektoren befindet sich etwa 10 m strahlabwärts vom Wechselwirkungspunkt. Durch die Messung der Rate der gestreuten Antiprotonen im Interferenzbereich von Coulomb- und starker Wechselwirkung soll mithilfe des bekannten elastischen Antiproton-Proton-Streuquerschnitts die instantane Luminosität im Experiment mit einer Genauigkeit von 3% absolut bestimmt werden.
Für die angestrebte Genauigkeit der Luminositätsbestimmung reicht jedoch die Kenntnis des elastischen Streuquerschnitts aus bisherigen Experimenten nicht aus. Deshalb ist ein zusätzliches Experiment im HESR ("day-1 experiment") geplant, um die relevanten drei Parameter σ (totaler Wirkungsquerschnitt), ρ (Verhältnis Imaginär- zu Realteil) und b (exponentielle Steigung von dσ/dt als Funktion des quadratischen Viererimpulstransfers t) für verschiedene Strahlimpulse zwischen 1.5 und 15 GeV/c zu bestimmen. Das "day-1 experiment" deckt mit 0.0008 bis 0.1 GeV/c² einen wesentlich größeren t-Bereich ab als der PANDA-Luminositätsmonitor. Der Polarwinkel des gestreuten Antiprotons sowie Energie und Polarwinkel des Rückstoßprotons werden koinzident gemessen. Ein Vorexperiment zur Überprüfung des Aufbaus mithilfe von elastischer Proton-Proton Streuung wird im COSY-Ring durchgeführt.
Es ist geplant, vor der endgültigen Installation an FAIR, mit Ausnahme einiger Komponenten, den PANDA-Detektor insgesamt in Jülich aufzubauen, sowie größere zusammenhängende Subsysteme am Protonenstrahl von COSY zu testen.
Einrichtungen und Kooperationsangebot
Detektoren für Experimente mit Hadronen
Zweidimensionale schnelle Szintillationszähleranordnungen; dreidimensional ortsempfindliche, extrem leichte Drahtkammersysteme höchster Auflösung im Vakuum; Si-und Ge-µ-Strip-Detektoren mit Rotationssymmetrie; Magnetspektrometer; Clustertargets im UHV; Zerfallsspektrometer und Polarimeter für "strange" Teilchen; dünnwandige Flüssigwasserstoff-Targetsysteme und Cerenkovzähler.
Detektorsimulation und Teilchentransport
Monte-Carlo-Simulationen von Teilchentransport und Teilchenwechselwirkung mit komplexen Detektorstrukturen.