Neue leistungsfähige Messmethode nutzt Bahndrehimpuls und Spins von Neutronen

20. November 2019

Mittels Neutronen lassen sich eine Vielzahl von Materialeigenschaften untersuchen. Den Weg für eine weitere leistungsfähige Analysemethode für Materialien mit komplexen und gewundenen magnetischen Strukturen ebnet nun ein internationales Team von Forschern und Ingenieuren, darunter Dr. Kirill Zhernenkov vom Forschungszentrum Jülich. Die Neutronenspezialisten entwickelten eine Möglichkeit, zwei Quanteneigenschaften von Neutronen gleichzeitig maßzuschneidern.

Neutronenstrahlen sind in der Lage, tief in Materialien einzudringen ohne sie zu zerstören. Sie wechselwirken mit Atomen, ändern dabei ihre Richtung und Geschwindigkeit und zeigen dadurch an, wo sich bestimmte Atome befinden und wie diese sich bewegen. Da Neutronen einen Spin - auch Eigendrehimpuls genannt - besitzen, sind sie zudem in der Lage, auf magnetische Eigenschaften des untersuchten Materials zu reagieren.

Je nach Ziel des Experiments müssen Neutronenstrahlen anders vorbereitet werden, bevor sie auf die Proben treffen. So werden zum Beispiel für Untersuchungen magnetischer Proben nur Neutronen einer spezifischen Spinrichtung benutzt. Wenn diese an magnetischen Momenten gestreut werden, verändern sie ihre Spinrichtung, was gemessen werden kann.

Einen Neutronenstrahl mit Neutronen einer einzigen Spinrichtung benutze auch das internationale Team, das an Forschungseinrichtungen in Kanada, den USA, Russland und Jülich forscht. Jedoch versetzen die Wissenschaftler den Neutronen beim Durchgang durch sorgfältig aufeinander abgestimmte dreieckige Magnetspulen zusätzlich einen Drall – Bahndrehimpuls genannt -, sodass die Neutronen im Strahl sich korkenzieherartig um eine gedachte Mittelinie windeten.

„Unsere Methode ermöglicht erstmals, gleichzeitig die Spinausrichtung und den Drehimpuls der Neutronen zu kontrollieren“, erläutert Dr. Kirill Zhernenkov, Instrumentverantwortlicher und Wissenschaftler am Jülich Centre for Neutron Science. „Im Prinzip können wir so zahlreiche feine Neutronenstrahlen innerhalb des Gesamtstrahls ‚maßschneidern‘. Dadurch werden neue Untersuchungen möglich.“

Durch die gewundenen Neutronenstrahlen werden zum Beispiel erstmals chirale Moleküle voneinander unterscheidbar. Diese verhalten sich wie Bild und Spiegelbild und können nicht durch Drehung ineinander überführt werden, ähnlich wie eine rechte und linke Hand. Auch gewundene und komplexe magnetische Strukturen, wie zum Beispiel Skyrmionen oder das Innere von topologische Isolatoren, lassen sich mit Hilfe dieser maßgeschneiderten Neutronenstrahlen genauer untersuchen. Solche Matrialien sind wichtige Kandidaten für die Computer der Zukunft.

Originalpublikation:

Dusan Sarenac, Connor Kapahi, Wangchun Chen, Charles W. Clark, David G. Cory, Michael G. Huber, Ivar Taminiau, Kirill Zhernenkov, Dmitry A. Pushin;
Generation and detection of spin-orbit coupled neutron beams
Proceedings of the National Academy of Sciences, October 8, 2019 116 (41) 20328-20332.

Weitere Informationen:

“A twist and a spin: harnessing two quantum properties transforms a neutron beam into a powerful probe of material structure”– Meldung des US-amerikanischen Forschungsinstituts National Institute of Standards and Technology (NIST) vom 29.10.2019

Letzte Änderung: 14.03.2022