Maschinelles Lernen für korrelierte Materie

Über

Ich bin Jonas Rigo und derzeit Postdoc in der Gruppe Computational Quantum Science unter der Leitung von Markus Schmitt. Unsere Gruppe konzentriert sich auf die Untersuchung komplexer Quantensysteme mit Techniken des maschinellen Lernens, und mein persönliches Forschungsinteresse gilt insbesondere der korrelierten Materie.

In meiner Forschung setze ich Techniken des maschinellen Lernens ein, um die Herausforderungen von Quantenvielteilchensystemen anzugehen. Meine Arbeit umfasst die Entwicklung effektiver Modelle zur Vereinfachung und genauen Darstellung dieser Systeme sowie die Verwendung neuronaler Quantenzustände zur Erforschung von Gleichgewichts- und Nicht-Gleichgewichts-Quantensystemen.

Durch die Kombination dieser Ansätze möchte ich unser Verständnis sowohl der Gleichgewichts- als auch der Nicht-Gleichgewichtseigenschaften von Quantensystemen verbessern und so vielleicht den Weg für Innovationen bei Quantengeräten und Entdeckungen in der Quantenmechanik ebnen. Wenn dies Ihr Interesse geweckt hat, erfahren Sie weiter unten mehr.

Ich freue mich immer über Studenten, die ein Praktikum oder ein Abschlussprojekt suchen. Gerne kann man mich kontaktieren oder einen Blick auf die Website unserer Gruppe werfen.

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Jonas Rigo

PGI-8

Gebäude 02.18 / Raum 2003

+49 2461/61-96989

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Effektive Modelle

Bei der Untersuchung von Festkörpern sind die mikroskopischen Modelle, die die zugrunde liegenden Quantenvielteilchensysteme beschreiben, oft gut bekannt, da die Kristallstrukturen von Festkörpern empirisch gemessen werden können. Die Komplexität dieser Modelle nimmt jedoch mit der Anzahl der Freiheitsgrade (z. B. besetzte Orbitale von Atomen) rasch zu, so dass brute-force-Lösungen für viele realistische Szenarien von Interesse analytisch und/oder numerisch unlösbar sind. Die Herausforderung in der Vielteilchentheorie besteht daher nicht darin, das reine Modell aufzuschreiben, sondern es zu lösen.

In vielen Fällen ist es nicht notwendig, alle Freiheitsgrade des Systems zu berücksichtigen, da nur eine relativ kleine Teilmenge die interessierenden Phänomene aktiv steuert. Daher können effektive Modelle entwickelt werden, die diese Phänomene getreu erfassen und sich dabei nur auf die aktiven Freiheitsgrade konzentrieren. Solche effektiven Modelle haben eine geringere Komplexität und eine höhere Aussagekraft. Die Herausforderung in der Vielteilchentheorie besteht folglich darin, das beste lösbare Modell zu finden, das die betreffende Physik möglichst präzise abbildet.

Diese Situation ähnelt dem umgekehrten Problem der statistischen Inferenz oder des maschinellen Lernens, bei dem es darum geht, aus den beobachteten Daten ein probabilistisches Modell abzuleiten. Ein bekanntes Beispiel sind große Sprachmodelle, die die Wahrscheinlichkeit von Sätzen in einer bestimmten Sprache beschreiben. In diesem Sinne untersuche ich Techniken des maschinellen Lernens, um effektive Modelle aus simulierten oder experimentell gemessenen Daten zu konstruieren.

Mein besonderes Interesse gilt dem Entwurf und der Nutzung komplexer quantenmechanischer nanoelektronischer Bauteile mit fortgeschrittener Funktionalität jenseits des klassischen Paradigmas. Für diese Bauteile sind wirksame Modelle unerlässlich, um die Physik korrelierter Elektronen bei niedrigen Temperaturen und die Eigenschaften des Quantentransports zu verstehen. Meine Forschung zielt darauf ab, diese Modelle mithilfe von Techniken des maschinellen Lernens automatisch zu entwickeln.

Neuronale Quantenzustände

Die grundlegenden Bestandteile eines Vielteilchensystems oder einer korrelierten Materie sind ein Gitter, Teilchen, die die Gitterplätze besetzen können, und ein Modell (oder Hamiltonian), das die Übergänge zwischen allen möglichen Konfigurationen der Teilchen auf dem Gitter definiert. Um das Verhalten dieses Systems zu verstehen, müssen wir herausfinden, welche Konfiguration der Teilchen auf dem Gitter die wahrscheinlichste ist. Die Quantenmechanik lässt jedoch zu, dass das System gleichzeitig in mehreren verschiedenen Konfigurationen vorliegt. Dieses Phänomen, das als Superposition bekannt ist, macht die Quantenvielteilchenphysik zu einer gewaltigen Herausforderung, denn wir müssen nicht nur die wahrscheinlichste Konfiguration, sondern auch die wahrscheinlichste Kombination von Konfigurationen finden. Das Objekt, das quantifiziert, welche Konfigurationen in einer Superposition koexistieren und in welchem Ausmaß, ist die Quantenvielteilchen-Wellenfunktion.

Die einzige Möglichkeit, die Quantenvielteilchen-Wellenfunktion zu untersuchen, besteht darin, eine qualitativ hochwertige annähernde Darstellung zu finden. Zu diesem Zweck nutze ich die Darstellungsmöglichkeiten moderner neuronaler Netze, die sich als fähig erwiesen haben, äußerst komplizierte Wahrscheinlichkeitsverteilungen zu erlernen, wie sie beispielsweise in der natürlichen Sprache vorkommen. Die Annäherung einer Quantenvielteilchen-Wellenfunktion durch ein neuronales Netz wird als neuronaler Quantenzustand (NQS) bezeichnet. NQS werden verwendet, um Wellenfunktionen des Grundzustands (niedrigste Energie), Wellenfunktionen angeregter Zustände oder die zeitliche Entwicklung von Quantensystemen darzustellen.

Mein Hauptinteresse liegt darin, neue Wege zum Verständnis korrelierter Fermionensysteme zu beschreiten, indem ich durch NQS Zugang zu Grundzuständen und gleichgewichtsdynamischen Größen erhalte. Über die Gleichgewichtseigenschaften hinaus ist der Bereich der Nicht-Gleichgewichts-Zeitentwicklung voller offener Fragen, z. B. wie ein isoliertes Quantensystem in einen thermischen Zustand übergehen kann, der denen ähnelt, die wir täglich erleben. NQS bieten einen vielversprechenden neuen Weg, um diesen Fragen nachzugehen.

Indem ich die Erforschung der NQS vorantreibe, möchte ich tiefere Einblicke in das Verhalten komplexer Quantensysteme gewinnen, die uns den Weg für neue Technologien ebnen und unser Verständnis der Quantenwelt verbessern könnten.

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Letzte Änderung: 15.05.2025