Ermüdungsverhalten eines Stahls für Niederdruck-Dampfturbinenschaufeln bei extrem hohen Zykluszahlen und hohen Mittelspannungen
Erforschung der Versagensmechanismen bei sehr hohen Zyluszahlen (VHCF - Very High Cycle Fatigue).
Niederdruck-Dampfturbinenschaufeln werden in der Regel aus martensitischen Stählen mit Cr-Gehalten zwischen 9 und 12% gefertigt, die sich durch gute Korrosions- und Warmfestigkeitseigenschaften auszeichnen. Durch das inhomogene Strömungsfeld hinter dem Leitgitter werden die Schaufeln zu hochfrequenten Schwingungen oberhalb von 1 kHz angeregt. Zusätzlich kommt es bei den ca. 1,5 m langen Laufschaufeln und Drehzahlen bis zu 3000 Umdrehungen pro Minute aufgrund der Fliehkräfte zur Überlagerung von extrem hohen Mittelspannungen. Auch Resonanzschwingungen sind während des An- und Abfahrvorgangs nicht vollständig auszuschließen. Derzeit werden die Bauteile mit hohen Sicherheitsfaktoren gegen Wöhlerkurven mit angenommenem asymptotischem Verlauf oberhalb von 107 Lastzyklen dimensioniert. Dennoch werden Ermüdungsbrüche noch bei hohen Zykluszahlen beobachtet, auch ausgehend vom Schaufelfuß, der keine Vorschädigung durch Wasserdampferosion oder Tropfenschlag aufweist. Während der Anriss bei üblichem Ermüdungsversagen in der Regel von der Oberfläche ausgeht, initiieren die Ermüdungsrisse bei sehr hohen Zykluszahlen (> 108) verstärkt an Oxideinschlüssen unterhalb der Oberfläche. Dieser Übergang in den Versagensmechanismen bei sehr hohen Zykluszahlen (VHCF – Very High-Cycle Fatigue) ist aktuell im Fokus zahlreicher Forschungsaktivitäten, da erst mit der Entwicklung hochfrequenter Prüftechniken (20 kHz) Zykluszahlen oberhalb von 108 Lastzyklen in einem angemessenen Zeitraum realisierbar sind. Auch in den Bereichen Windkraftanlagen, Turbinen, Wälzlager, Federn, etc. gewinnt die VHCF zunehmend an Bedeutung, da immer höhere Lebensdauern gefordert werden.

In diesem Zusammenhang startete 2010 das Schwerpunktprogramm 1466 unter dem Namen „Life∞“ mit 16 teilnehmenden Projektpartnern. Ziel des Schwerpunktprogramms ist die Aufklärung der, bei sehr hohen Lastspielzahlen ablaufenden Schädigungsprozesse, deren mechanismenbasierte Modellierung und die Entwicklung zuverlässiger und treffsicherer Lebensdauervorhersagekonzepte für Bauteile, die extrem hohen Schwingspielzahlen unterliegen. Dadurch kann ein wertvoller Beitrag zur Ressourcenschonung und zur Erhöhung der Ausfallsicherheit von Systemen geleistet werden.
Im Rahmen des Projektes des Forschungszentrums Jülich werden die Schädigungsentwicklung und die Versagensmechanismen eines ferritischen Dampfturbinenstahls bei extrem hohen Zykluszahlen (bis 2x109) untersucht. Insbesondere soll dabei der noch wenig erforschte Einfluss der Mittelspannung auf das VHCF-Verhalten (Rissursprungsort, Risswachstum, Lebensdauer) analysiert, und die Rissbildungs- und Ausbreitungsmechanismen mit Hilfe elektronenmikroskopischer Analysemethoden (REM, TEM/FIB) aufgeklärt werden.