Wie wirken sich Ruhezustandsnetzwerke und kognitive Leistungen nach der Behandlung einer einzelnen Hirnmetastase aus?

27. Oktober 2021

Martin Kocher, Christiane Jockwitz, Christoph Lerche, Michael Sabel, Philipp Lohmann, Gabriele Stoffels, Christian Filss, Felix M. Mottaghy, Maximilian I. Ruge, Gereon R. Fink, Nadim J. Shah, Norbert Galldiks, Svenja Caspers and Karl-Josef Langen

Es ist bekannt, dass Langzeitüberlebende einer Ganzhirnbestrahlung (WBRT) ein erhebliches Risiko haben, kognitive Defizite zu entwickeln. Das Verständnis der zu Grunde liegenden pathophysiologischen Mechanismen ist jedoch begrenzt.

In diesem Fallbericht wurde die funktionelle MRT im Ruhezustand (resting-state fMRT) eingesetzt, um die Integrität der resting-state-Netzwerke nach der Resektion einer Hirnmetastase mit anschließender WBRT bei einer Patientin zu untersuchen, die nach der Behandlung länger als 10 Jahre überlebte.

Die Patientin wurde 2008 wegen einer Hirnmetastase eines nicht-kleinzelligen Bronchialkarzinoms (NSCLC) links frontal mittels Resektion und postoperativer WBRT (30.0 in 3.0-Gy-Fraktionen) behandelt und blieb über einen Nachbeobachtungszeitraum von 11 Jahren sowohl im Gehirn als auch außerhalb des Gehirns tumorfrei.

Während der 11 Jahre wurden wiederholt eine strukturelle Magnetresonanztomographie (MRT) und Aminosäure-[O-(2-[18F]Fluorethyl)-L-Tyrosin]-Positronen-Emissions-Tomographie (FET PET) durchgeführt. Bei der letzten Nachuntersuchung wurden zusätzlich die neurokognitiven Funktionen und die funktionelle Konnektivität im Ruhezustand (RSFC) mittels fMRI untersucht. Aus einer Konnektivitäts-Matrix wurde die Konnektivität innerhalb der Netzwerke und zwischen den Netzwerken für sieben resting-state-Netzwerke errechnet. Alle Messungen wurden mit einer Vergleichsgruppe von 10 gesunden weiblichen Probanden verglichen, die ein ähnliches Alter und Bildungsniveau hatten.

Bei der Nachuntersuchung nach 11 Jahren zeigten die T2/FLAIR-MR-Bilder der Patientin ausgedehnte Regionen mit Hyperintensitäten, die hauptsächlich die weiße Hirnsubstanz der bilateralen dorsalen Frontal- und Parietallappen bedeckten, während die Temporallappen weitgehend verschont blieben. Darüber hinaus schnitt die Patientin im Vergleich zu den gesunden Probanden in allen kognitiven Bereichen, die von den Exekutivfunktionen, Aufmerksamkeit und Verarbeitungsgeschwindigkeit abhängig waren, deutlich schlechter ab. Das verbale Arbeitsgedächtnis, das verbale episodische Gedächtnis und das visuelle Arbeitsgedächtnis blieben jedoch weitgehend unbeeinträchtigt.

Die Konnektivitätsmatrix zeigte ein stark gestörtes Muster mit einem weit verteilten Verlust der RSFC. Die RSFC innerhalb der Netzwerke zeigte einen signifikanten Verlust der Konnektivität innerhalb aller sieben Netzwerke, wobei die dorsalen Aufmerksamkeits- und fronto-parietalen Kontrollnetzwerke am stärksten betroffen waren. Darüber hinaus zeigte sich, dass die RSFC zwischen den Netzwerken bei den visuellen, somato-motorischen sowie dorsalen und ventralen Aufmerksamkeitsnetzen signifikant reduziert war.

Dieser Bericht stützt die Beobachtung, dass eine Ganzhirnbestrahlung zu einer ausgedehnten Schädigung der weißen Substanz führen und eine schwere Störung der RSFC in mehreren Ruhezustandsnetzwerken verursachen kann. Zusätzlich zu den bisher bekannten Defiziten bei der Gedächtnisfunktion kann auch die exekutive Funktion, von der man annimmt, dass sie von der Interaktion mehrerer Netzwerke abhängt, nach einer WBRT schwer beeinträchtigt sein.

Obwohl in diesem Fallbericht davon ausgegangen wird, dass der Patient den typischen Verlauf von Bildveränderungen und Nebenwirkungen einer WBRT erlitt, sind weitere Studien erforderlich, um diese Ergebnisse zu bestätigen.

Origionalpublikation

Case Report: Disruption of resting-state networks and cognitive deficits after whole brain irradiation for singular brain metastasis

Letzte Änderung: 12.05.2022