Wie ein einzigartiges Großgerät im Basisbetrieb aufgebaut wird

Hochmodernes Fünf-Achs-Bearbeitungszentrum seit Mitte Mai in Betrieb: völlig neue Fertigungsmöglichkeiten für Bauteile von Forschungsgeräten

Wer ein über 40 Tonnen schweres Großgerät bestellt, weiß von vorneherein: Das wird kein Routinejob. Mitten in der weltweiten Corona-Pandemie wird aus einer solchen Sendung allerdings schnell eine ganz besonders große Herausforderung – so wie beim 1,6 Millionen Euro teuren Fünf-Achs-Bearbeitungszentrum des ZEA-1, das in Jülich ganz neue Herstellungsprozesse für Bauteile von Forschungsgeräten ermöglichen soll.

Zeitdruck wegen Corona

Das Großgerät traf am letzten Tag vor Beginn des Basisbetriebs auf dem Campus ein – nach zweitägiger Reise per Schwertransport vom Hersteller im Allgäu. „Wir waren wegen der Corona-Pandemie ganz schön in Eile“, erinnert sich Knut Dahlhoff, Leiter der Abteilung Fertigungstechniken und Montage am ZEA-1, an die Planungsphase. „Niemand konnte da voraussagen, ob im Laufe der Corona-Krise solche Transporte quer durch Deutschland überhaupt noch durchgehend möglich sein würden.“

Zugleich stand für den Institutsbereich die nicht weniger entscheidende Frage im Raum, ob im – damals noch bevorstehenden – Basisbetrieb weiterhin Fremdfirmen wie der Gerätehersteller das Campusgelände überhaupt noch betreten dürfen. Denn ohne diesen hätte der Aufbau nicht funktioniert. Doch rasch ließ sich das mit dem Krisenstab des Forschungszentrums klären: Die Spezialisten aus dem Allgäu durften kommen und der fachgerechte Aufbau war gesichert. „Danach haben viele Kolleginnen und Kollegen bei uns am ZEA-1 sicherlich ruhiger schlafen können“, sagt Stefan Baier, Leiter des Teams Maschinelle Fertigung.

Wie ein einzigartiges Großgerät im Basisbetrieb aufgebaut wird
Komplizierte Anlieferung: Das 40 Tonnen schwere neue Großgerät in die Werkstatthalle des ZEA-1 zu bekommen, war Millimeterarbeit.
Forschungszentrum Jülich

Schwierige Anlieferung

Einfach sollte es trotzdem nicht werden: Wegen nötiger Straßensperrungen durfte der riesige Schwertransporter nur nachts fahren. In Jülich kam er gegen zwei Uhr morgens an – mit dem 42 Tonnen schweren, zehn Meter langen und acht Meter breiten Großgerät auf seiner Ladefläche. „Das Gerät wurde praktisch an einem Stück angeliefert. Ein Spezialkran hat es dann erst einmal auf ein spezielles Rollsystem gehievt“, so Dahlhoff. Darauf bewegte es sich dann ganz langsam in die große Werkstatthalle des ZEA-1. Eine Technik, die sich trotz Hightech über Jahrtausende gehalten hat: „Das war ein bisschen so wie beim Bau der Pyramiden im alten Ägypten, wo gigantische Steinblöcke auf mitrollenden Holzstämmen transportiert wurden“, erläutert der Ingenieur.

Tonnenschwere Millimeterarbeit

Der Eingang zur Halle wurde zur Geduldsprobe, denn die Maschine musste durch ein Nadelöhr: „Das riesige Gerät hat unser breites Rolltor fast vollständig ausgefüllt – das war echte Millimeterarbeit“, berichtet Baier, in dessen Team die Maschine eingesetzt wird. Am Ende fand das Fünf-Achs-Bearbeitungszentrum dann seinen Platz an der vorgesehenen Stelle in der Halle. Dort hatte das ZEA-1 bereits zuvor mithilfe von Kollegen des Fachbereichs Baubestands- und Modernisierungsmanagement (B-B) das Fundament zusätzlich verstärken lassen, damit der Gigant stabil steht. Den unteren Teil der Maschine bildet ein gewaltiger Klotz aus Gusseisen. „Dieses Maschinenbett ist wichtig, damit Schwingungen der Maschine nicht auf das Gebäude übertragen werden – aber auch nicht anders herum, was gerade bei Arbeiten im Mikrometerbereich entscheidend ist“, so Baier.

Aufbau während des Basisbetriebs

Auch die ohnehin komplizierten Aufbauarbeiten durch die Fachleute aus dem Allgäu und die Mitarbeitenden des ZEA-1 war während der Corona-Pandemie besonders schwierig – zum Beispiel, weil alle Beteiligten stets den nötigen Sicherheitsabstand einhalten mussten. Zudem meldete der Hersteller während der Montagezeit aufgrund der der Corona-Krise Kurzarbeit an. Baier: „Corona hat uns hier vor immense Herausforderungen gestellt.“

Der Aufbau des neuen Großgeräts
Forschungszentrum Jülich

Erste Bauteile gehen nach Lund zur ESS

Dennoch musste das Gerät Mitte Mai unbedingt in Betrieb gehen – denn das ZEA-1 muss bereits geschlossene Verträge erfüllen. „Nach den ersten Probeläufen des neuen Bearbeitungszentrums beginnen wir sofort mit dem Bau einer Probenkammer und Bauteilen für eine Twisterwelle“, so Prof. Ghaleb Natour, Direktor des ZEA-1. Diese gehen dann als Komponenten eines in Deutschland gefertigten Neutronenstreuinstruments DREAM und als wichtiger Baustein des Targets an die Großforschungseinrichtung der European Spallation Source (ESS) im schwedischen Lund.

Starke Zusammenarbeit

„Dass das alles möglich war, war eine Meisterleistung vieler Kolleginnen und Kollegen auf dem Campus“, sagt Natour und schließt sein Dankeschön an. Neben dem ZEA-1 waren auch zahlreiche Geschäftsbereiche beteiligt, darunter:

  • die Unternehmensentwicklung (UE),
  • Einkauf und Logistik (M),
  • Finanzen und Controlling (F)
  • und der Technische Bereich (TB), darunter:
  • Planen und Bauen (B),
  • insbesondere der Fachbereich Baubestands- und Modernisierungsmanagement (B-B),
  • Technik und Betrieb (T)
  • sowie die Objektsicherung (S-O) für die Organisation des Transports.

Finanziert wird das Großgerät mit einer Förderung von insgesamt 1,34 Millionen Euro aus dem Struktur- und Entwicklungsfonds (STEF) sowie einem Eigenanteil des ZEA-1 von 250.000 Euro.

Das Fünf-Achs-Bearbeitungszentrum ersetzt am ZEA-1 übrigens gleich vier Maschinen zum Fräsen, Drehen und Schleifen, deren Technik inzwischen in die Jahre gekommen ist. „Das älteste Gerät, das wir nun ersetzen, ist etwa 60 Jahre alt“, so Dahlhoff. Die alten Maschinen wurden mithilfe des Fachbereichs Materialwirtschaft (M-M) bereits verkauft – der Erlös fließt mit in die Finanzierung der neuen Maschine.

Neue Möglichkeiten für Forschungsgeräte

„Das Fünf-Achs-Bearbeitungszentrum wird unser neues Herzstück sein – unser neuer "Helfer für alles", sagt Dahlhoff. Diese Sonderanfertigung für Jülich ermöglicht es den Kolleginnen und Kollegen der Abteilung Fertigungstechniken und Montage künftig, Metalle und andere Materialien in einem einzigen Gerät zu bearbeiten – und dabei Bauteile in einer Bandbreite von wenigen Millimetern bis zu zwei Metern Größe in höchster Präzision herzustellen.

„Zugleich haben wir dank der fünf Achsen eine hohe Gestaltungsfreiheit, weil wir das Material – vereinfacht gesagt – aus allen Richtungen und Winkeln bearbeiten können“, erläutert der Ingenieur die Funktionsweise des Geräts. Zusätzlich hat die Maschine eine sechste Achse, die eine lokale Dreh-Operation ermöglicht. „Die nun vorhandene Technologie-Kombination ist in dieser Form soweit wir wissen einmalig. Wir können nun Bauteile mit hochkomplizierten Geometrien liefern, die so vorher gar nicht denkbar waren.“

Von Quantencomputing bis Klimaforschung

Das neue Gerät kann laut Natour für alle Forschungsbereiche in Jülich interessant sein – „für jeden, der hochkomplexe Komponenten aus Metall benötigt und diese nicht am Markt bekommt.“ Genutzt werden kann es unter anderem, um Bauteile für das Quantencomputing, Neutronenstreuinstrumente oder Spezial-Spektrometer für die Jülicher Klimaforscher herzustellen.

Geeignet ist das Gerät etwa für Bauteile, die vakuumtauglich sein müssen – also Komponenten, wo zum Beispiel Deckel und Geräteöffnung exakt passen und absolut dicht sein müssen – „ansonsten hat man schnell einen Millionenschaden an seinem Gerät“, sagt der Leiter des ZEA-1 und ergänzt: „Wir werden weiteren Technologieeinheiten des Forschungszentrums die Mitbenutzung dieser besonderen Maschine anbieten.“

Ansprechpartner

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  • Engineering und Technologie (ZEA-1)
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Letzte Änderung: 13.11.2023