Dem menschlichen Gehirn auf der Spur
Ihr Werdegang ist eng mit dem „Human Brain Projekt“ verwoben: Prof. Dr. Lena Oden arbeitete als Postdoktorandin mehrere Jahre lang am JSC des Forschungszentrum Jülich daran, dem menschlichen Gehirn via Computertechnologien auf die Spur zu kommen. Mittlerweile hat die Informatikerin einen Ruf an die Fernuniversität Hagen erhalten und ist nur noch als Gastwissenschaftlerin am Forschungszentrum tätig.

Frau Oden, worin genau lag Ihre Aufgabe am Forschungszentrum Jülich?
Ich habe als Postdoktorandin im Human Brain Projekt gearbeitet – einem auf zehn Jahre angelegten großen europäischen Forschungsprojekt. Das Ziel war, mit Hilfe von Computertechnologien ein besseres Verständnis des menschlichen Gehirns zu bekommen. Meine Aufgabe lag vor allem in der Frage, wie man neue schnellere Speichertechnologien in die Prozesse des Projekts integrieren kann.
Gibt es etwas, dass das Forschungszentrum Jülich von anderen Forschungseinrichtungen unterscheidet?
Durch seine Größe ist das Forschungszentrum überaus interdisziplinär aufgestellt: Am JSC hatte ich mit unterschiedlichsten Leuten aus verschiedenen Fachbereichen zu tun, was sehr angenehm und bereichernd war. Insbesondere hat mir gefallen, dass das Können der Leute dort mehr zählte als ihre Titel. Ein weiterer Punkt, den ich in Jülich angenehm fand: Man hat deutlich bessere Chancen auf unbefristete Verträge als an den Universitäten. Insgesamt habe ich mich in Jülich immer äußerst wohl und unterstützt gefühlt.
Wohin hat Sie ihr Weg im Anschluss an die Zeit in Jülich geführt?
Ich habe einen Ruf an die Fernuniversität Hagen erhalten. Die Entscheidung zu wechseln ist mir nicht leichtgefallen, da es sich zunächst nur um eine befristete Juniorprofessur handelte. Diese ist allerdings noch vor Ablauf der Frist, nach zweieinhalb Jahren, in eine ordentliche Professur umgewandelt worden, als ich den Ruf von einer anderen Universität erhalten habe. Lustigerweise sitze ich jetzt als Mitglied der Tenure Track Kommission auf der anderen Seite und gebe Empfehlungen dazu, ob Juniorprofessuren verstetigt werden oder nicht.
Ein Stück weit sind Sie dem Jülicher JSC aber treu geblieben?
Ja, ich arbeite dort als Gastwissenschaftlerin im Nachfolgeprojekt des Human Brain Projects, dem EBRAINS 2.0 Projekt. Dort leite ich ein Arbeitspaket, was vor allem eine koordinative Aufgabe ist – ich bin für die inhaltliche Organisation des Arbeitspakets zuständig.

Frauen sind in der Informatik rar gesät. War das für Sie mit Schwierigkeiten verbunden?
Bis ich ans Forschungszentrum kam, habe ich mich in einer sehr männerdominierten Welt bewegt, was auch einige unschöne Erfahrungen beinhaltete. Im JSC allerdings kam ich in eine Gruppe, in der viele äußerst gute Frauen forschten – das war eine meiner positivsten Erfahrungen, die ich in Jülich gemacht habe. Meiner Meinung nach war es die Schnittmenge von Neurowissenschaften und Informatik, die vermehrt Frauen angezogen hat. Je weiter ich mich nun jedoch wieder von den Neurowissenschaften entferne, desto geringer wird der Frauenanteil. Eine weitere schöne Erfahrung: Über spezielle Netzwerke habe ich in der Postdoktorandenzeit einige sehr interessante Frauen kennengelernt – Kontakte, von denen ich auch heute noch profitiere. Extrem auf meinem Weg geholfen hat mir zudem das Mentorenprogramm für Postdoktoranden, das das Forschungszentrum gemeinsam mit der RWTH Aachen aufgesetzt hat: Mein damaliger Mentor hat mich stark dabei unterstützt, mich auf eine volle Professur zu bewerben, die mir dann die Vorzeitige Evaluation in Hagen ermöglicht hat – von mir aus hätte ich mich, wie viele Frauen, wahrscheinlich gar nicht getraut. Ich war vollkommen überrascht, die Professur tatsächlich zu bekommen.
Seit Ihrer Zeit in Hagen verbinden Sie Kind und Karriere. Wie gut ist das möglich?
Es ist nach wie vor äußerst schwierig, ich leide sehr unter der Kita-Krise. Ohne einen Partner, der das mitträgt, wäre das nicht möglich. Anfangs habe ich meine Kinder häufig mit auf Reisen genommen: So bin ich etwa zum letzten Summit des Human Brain Projekts mit meinem drei Monate alten Sohn gefahren – das Forschungszentrum Jülich, über das ich nach wie vor an dem Projekt gearbeitet habe, stellt spezielle Gelder dafür bereit, Kinder auf Dienstreisen mitnehmen zu können. Hilfreich ist vor allem die zeitliche Flexibilität: Da mein Mann ebenfalls in der Wissenschaft tätig ist, können wir unsere Stundenpläne aufeinander abstimmen.