Grüne Böden für Äthiopien
Fünf Jahre koordinierte Dr. Katharina Prost als Post-Doktorandin das deutsch-äthiopische Kooperationsprojekt ClimEtSan zu Pyrolyse-Kochöfen, Kreislaufwirtschaft und klimasmarter Landwirtschaft am Forschungszentrum Jülich und in Äthiopien. 2022 wagte die Agrarwissenschaftlerin den Sprung in die Ausgründung: Aufbauend auf den Ergebnissen des Forschungsprojektes führt ihre Firma ClimEtSan-OnTheGround zirkuläre Klimaschutzprojekte in Äthiopien durch, um so Lebens- und Umweltbedingungen vor Ort zu verbessern, landwirtschaftliche Produktion zu steigern und nachhaltige CO2-Zertifikate für den freiwilligen Kohlenstoffmarkt zur Verfügung zu stellen.

Beginnen wir bei Ihrer Zeit am Forschungszentrum Jülich. Was hat diese geprägt?
Ich würde gerne noch einige Schritte früher beginnen – und zwar bei meiner Diplomarbeit. Schon als Studentin hat mich der ultrafruchtbare Boden im Amazonasgebiet fasziniert, die Terra Preta, die unter anderem Pflanzenkohle enthält. Daher habe ich mich in der Diplomarbeit mit der Frage beschäftigt: Wie lässt sich Pflanzenkohle aktivieren – also Kohle aus pflanzlichem Material, die nicht dem Verbrennen dient, sondern zum Beispiel in der Landwirtschaft eingesetzt wird? Diesen Aktivierungsschritt braucht man, um ihr Bodenverbesserungspotenzial bestmöglich freizusetzen. Erreicht haben wie dies, indem wir die Pflanzenkohle zusammen mit Mist heiß kompostiert haben. Die Veröffentlichung dieser Versuchsergebnisse hat Jahre später ein Dozent an einer äthiopischen Universität gelesen und mich kontaktiert. Daraus erwuchs die Idee, in einem gemeinsamen Projekt neben tierischen Ausscheidungen auch menschliche Exkremente für die Produktion von Pflanzenkohle-Kompost zu nutzen und damit große Mengen nährstoffreicher Ressourcen für die Düngemittelproduktion zu erschließen. Wie ein Geschenk des Himmels kam just zu der Zeit eine entsprechende Ausschreibung des BMBF und des DAAD zu Subsahara Afrika. Da mein Betreuer von der Universität Bonn auch Vorstand im IBG-3 des Forschungszentrums war, schlug er vor, das Projekt mit dem Forschungszentrum und dem Thema der Treibhausgas-Reduktion zu verknüpfen. Wir haben also einen Antrag geschrieben, konnten die Projektmittel einwerben – und schon war ich für fünf Jahre Projektkoordinatorin eines deutsch-äthiopischen Forschungsprojektes. Auf diese Weise habe ich Äthiopien kennengelernt. Neben der wissenschaftlichen und organisatorischen Koordination lagen meine Aufgaben vor allem darin, Demonstrationsanlagen wie Pyrolyse-Kochofenwerkstätten, ökologische Trockentoiletten, Kompostieranlagen, Feldversuche und Labore aufzubauen. Mittlerweile ist Äthiopien meine zweite Heimat, das Land und die Menschen haben mich gepackt.

Wie kam es zur Gründung des Start-Ups ClimEtSan-OnTheGround?
Ich war sehr gerne und passioniert Wissenschaftlerin: Insbesondere die Arbeitsgruppe, die Zusammenarbeit und das Team am Forschungszentrum haben mir gefallen. Doch kann man nur so lange in der Wissenschaft bleiben, wie man eine Anschlussförderung bekommt. Während des Forschungsprojekts in Äthiopien kam es ab 2020 zu Reisebeschränkungen wegen Corona und aufgrund des damals herrschenden Krieges im Norden des Landes. Zwar hat der Krieg unseren Projektstandort nicht betroffen, doch wurde unsere Arbeit durch die Reisebeschränkungen sehr stark erschwert. Aufgrund dieser Situation war es auch nicht möglich, eine Anschlussförderung für unser Projekt zu bekommen – auch hätte eine solche im intensiven Kontakt mit den Akteuren vor Ort nicht umgesetzt werden können. Da ich das Thema aber weiter vorantreiben und wegen der guten Ergebnisse schlussendlich von der Forschung in die Realität bringen wollte, war die Ausgründung die logische Konsequenz. Dazu hatte ich mich gegen Projektende entschieden – es ab also nicht viel Vorlauf für die Gründung. Das war natürlich sehr spät, doch hat mich das Forschungszentrum umgehend unterstützt, als ich mich dort mit dieser Idee gemeldet habe.
Worin genau besteht die Arbeit Ihres Start-Ups?
Bodenfruchtbarkeit schwindet weltweit. 33 Prozent aller Böden sind bereits degradiert, bis 2050 dürften es laut Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen FAO 90 Prozent sein, wenn sich an der derzeitigen Praxis nichts ändert. Das wichtigste Mittel, um Bodenfruchtbarkeit wieder herzustellen, ist der Aufbau von Humus. Denn nur in einem humusreichen Boden gibt es ein gut funktionierendes Bodenökosystem, das unsere Nutzpflanzen optimal unterstützen kann. Ein möglicher Ansatz, um den Humusgehalt von Böden zu erhöhen, ist die Nutzung von Pflanzenkohle-Kompost als Dünge- und Bodenverbesserungsmittel. Kompostiert man nämlich Pflanzenkohle zusammen mit anderen Abfällen, entsteht ein äußerst potentes Düngemittel, das Böden schnell und langanhaltend wiederbelebt. Die Feldversuche des ClimEtSan-Forschungsprojektes in Zusammenarbeit mit einem Farmer Training Center zeigten genau dies: Bereits in der ersten Saison konnte unser Kompost mineralischen Dünger bereits ersetzen – und das ohne Ertragsverluste. Drei Jahre später stellte sich heraus: Die mit unserem Kompost gedüngten Flächen sind auch dann noch grün, wenn alles andere bereits braun und verdorrt ist. Denn der Pflanzenkohle-Kompost treibt den Humusgehalt schnell nach oben, und erhöht – da Humus bis zum dem fünffachen seines Eigengewichtes an Wasser speichern kann – auch die Fähigkeit der Böden, Wasser zu speichern. Sie werden somit resilienter gegenüber den negativen Auswirkungen des Klimawandels wie Starkregen oder Dürren.
Die Ausgangsmaterialien für den Pflanzenkohle-Kompost erhalten wir zum einen aus städtischen Abfallströmen, die bis zu 80 Prozent aus organischen Abfällen bestehen, zum anderen aus Trockentoiletten, die wir wasserlos und mit Sägespänen als Einstreu betreiben. Denn über 90 Prozent der Menschen haben keinen Zugang zu verbesserter Sanitärversorgung: Hier können wir mit unseren Trockentoiletten preisgünstige und einfach umzusetzende Lösungen bieten.
Die Ausgangsmaterialien für den Pflanzenkohle-Kompost erhalten wir zum einen aus städtischen Abfallströmen, die bis zu 80 Prozent aus organischen Abfällen bestehen, zum anderen aus Trockentoiletten, die wir wasserlos und mit Sägespänen als Einstreu betreiben. Denn über 90 Prozent der Menschen haben keinen Zugang zu verbesserter Sanitärversorgung: Hier können wir mit unseren Trockentoiletten preisgünstige und einfach umzusetzende Lösungen bieten.
Kurz gesagt verknüpfen wir Stadt und Land: Die Nahrung wird vom Land in die Stadt gebracht, dort verbraucht, die Abfälle werden zusammen mit Pflanzenkohle in Dünger verwandelt und wieder aufs Land befördert. Die Pflanzenkohle, die wir dabei benutzen, wird in sehr effizienten und größtenteils aus Lehm gebauten Pyrolyse-Kochöfen hergestellt. Entwickelt und patentiert wurden sie von einem deutschen Lehmbauunternehmen, in Kooperation bauen wir die Öfen in Äthiopien. Bislang kochen über 90 Prozent der Äthiopierinnen über stark rauchendem Feuer. In den Pyrolyseöfen wird das entstehende Rauchgas dagegen verbrannt, man kocht also rauchfrei auf einer Gasflamme – übrig bleibt Pflanzenkohle, die wir den Haushalten wieder abkaufen. In 50 Haushalten sind die Öfen bereits in Benutzung, dieses Jahr wollen wir 650 weitere Haushalte damit ausstatten.
Wie finanziert sich das Unternehmen?
Pflanzenkohle wird aus Pflanzen hergestellt, die CO2 aus der Luft aufgenommen haben und damit unter anderem ihre Zellwände aufgebaut haben. Verkohlt man das Pflanzenmaterial, nimmt das CO2 –also der jetzt im Pflanzenmaterial gebundene Kohlenstoff – eine sehr stabile Form an: Er kann über tausende von Jahren im Boden gespeichert werden. Hier sind die anfangs erwähnten Terra Preta Böden ein gutes Beispiel, denn in ihnen findet man Kohlestücke, die bis zu mehrere tausende Jahre alt sind. Wir entnehmen also CO2 aus der Atmosphäre und speichern es in den Böden – auf diese Weise können wir den Klimawandel ein Stück weit rückgängig machen und gleichzeitig die Bodenfruchtbarkeit erhöhen. Für Firmen ist das in zweierlei Hinsicht interessant: Beim Off-Setting können sie CO2-Zertifikate von uns kaufen und damit ihre Klimabilanz verbessern, während wir, durch die Co-Finanzierung aus dem Zertifikateverkauf, unsere Produkte in Äthiopien zu stark vergünstigten Preisen anbieten können. Beim In-Setting können Unternehmen, die landwirtschaftliche Lieferketten aus Äthiopien haben, unsere Pflanzenkohle-Dünger einsetzen – beispielsweise wenn sie in Äthiopien Kaffee anbauen lassen und nach Deutschland exportieren. So können sie Erträge und Klimaresilienz ihrer Produktion erhöhen und gleichzeitig das festgelegte CO2 in der Pflanzenkohle in ihrer CO2-Bilanz anrechnen lassen.
Die Nachfrage nach unseren Öfen, den Toiletten und dem Dünger ist bereits jetzt enorm. Doch braucht es sehr viel Zeit, den gesamten Kreislauf aufzubauen und mit einer CO2-Zertifizierung zu verbinden. Daher sind – wie vermutlich bei den meisten jungen Unternehmen – Durchhaltevermögen und Glück mit die wichtigsten Komponenten, um die Durststrecke hin zu ausreichendem Umsatz durchzustehen.

Kontakt:
Katharina Prost
katharina.prost@climetsan-ontheground.com