Interdisziplinäre Untersuchungen von Druck und Drängeln in dichten Menschenmengen
In vielen gefährlichen Situationen in Menschenmengen führt die Kombination aus hoher Dichte (mehr als 8 Personen pro m2) und Bewegung innerhalb der Menge zu starkem Druck auf den menschlichen Körper und erhöht dadurch die Wahrscheinlichkeit von lebensbedrohlichen Stürzen. In unserer Forschung haben wir diese Dynamik für die Loveparade-Katastrophe im Jahr 2010 auf der Grundlage einer großen Stichprobe von Zeugenberichten rekonstruiert:
Inside a life-threatening crowd: Analysis of the Love Parade disaster
Diese Studie hat uns die Notwendigkeit interdisziplinärer Forschung zur Rolle des absichtlichen Drängelns, der Impulsausbreitung und des Drucks in sehr dichten Menschenmengen bewusst gemacht. Wir haben eine umfassende Reihe wissenschaftlicher Studien mit Methoden aus der Psychologie, der Physik und der Informatik durchgeführt, um drei zentrale Forschungsfragen zu beantworten (veröffentlicht in 9 Artikeln):
1. Wie wird der Impuls in einer Menschenmenge weitergegeben? Welche kollektive Dynamik entsteht durch das Drängeln in der Menge?
In einer Reihe von kontrollierten Laborexperimenten wurden die Auswirkungen eines externen Impulses auf verschiedene Formationen von kleinen oder großen Gruppen (in einer Reihe oder Gruppe stehend, mit unterschiedlicher Dichte) untersucht. Messungen von Trajektorien, 3D motion capturing suits und Drucksensoren ermöglichten es uns, die Rolle des menschlichen Körpers bei der Ausbreitung des Impulses zu untersuchen.
Zeitschriftenartikel:
Forward propagation of a push through a row of people
Propagation of controlled frontwardimpulses through standing crowds
Temporal segmentation of motion propagation
2. Unter welchen Umständen beginnen Menschen in einer Menschenmenge absichtlich zu drängeln? Breitet sich das Drängeln aus, so dass immer mehr Menschen mitmachen?
Um diese psychologischen Fragen im Zusammenhang mit Motivation und sozialem Einfluss zu beantworten, wurde ein manuelles Bewertungssystem entwickelt, das die Intensität der Vorwärtsbewegung, einschließlich des Drängelns, auf einer 4-Punkte-Skala kodiert. Die Anwendung dieser Bewertungsmethode auf eine Reihe von Laborexperimenten ermöglichte es uns, die Beziehung zwischen der räumlichen und zeitlichen Dynamik der Menschenmenge (d. h. wie nahe jemand dem Ziel ist) und der Intensität des Drängelns zu berechnen. Darüber hinaus untersuchte eine Nachbarschaftsanalyse den sozialen Einfluss des Drängelns und die Verbreitung dieses Verhaltens.
Zeitschriftenartikel:
Psychological pushing propagation
Pushing and Non-pushing Forward Motion in Crowds
Dynamic Relationship between Pushing Behavior and Crowd Dynamics
3. Ist eine automatische Erkennung des Drängelns in Menschenmengen durch KI möglich?
Auf der Grundlage des kodierten Versuchsmaterials (Intensität der Vorwärtsbewegung, siehe 2.) wurden mehrere KIs systematisch darauf trainiert, Drängeln im Videomaterial zu erkennen. In der ersten Phase wurde das System darauf trainiert, aus Videoaufnahmen von Menschenmengen automatisch Regionen zu identifizieren, in denen sich Personen befinden, die sich schubsen. In der zweiten Phase wurde dieselbe Erkennungsmethode angewandt, aber die KI wurde auf Live-Kamerabilder trainiert. In der letzten Phase wurde das System so entwickelt, dass es sich gezielt auf Einzelpersonen fokussiert und Personen erkennt, die individuell schubsen.
Zeitschriftenartikel:
A Voronoi-based convolutional neural network for pushing
A Cloud-Based Deep Learning Framework for Detection of Pushing
A Fast Hybrid Deep Neural Network Model for pushing detection