Variabilität und Trends der stratosphärischen Zirkulation
Über
Die globale Stratosphärenzirkulation, die so genannte Brewer-Dobson-Zirkulation (BDC), steuert den Transport von Spurengasen (z. B. Ozon, Wasserdampf - Link zu „Wasserdampf“), die ihrerseits das Klima durch Strahlungseffekte beeinflussen können. Außerdem können Schwankungen in der Stratosphärenzirkulation das regionale Klima und die Wettermuster beeinflussen. Daher ist für zuverlässige Klimavorhersagen eine genaue Darstellung der stratosphärischen Zirkulation in Atmosphärenmodellen erforderlich. In den Tropen ist die Stratosphärenzirkulation durch den Auftrieb von Luftmassen gekennzeichnet, die verschmutzte Luft aus der Troposphäre tief in die Stratosphäre transportieren können. In der Stratosphäre werden die Luftmassen horizontal in hohe polare Breiten transportiert, wo sie wieder in die Troposphäre absinken. Die BDC ist eine mechanisch erzwungene Zirkulation, deren treibende Kraft atmosphärische Wellen sind (z. B. Rossby-Wellen von planetarischem Ausmaß, kleinräumige Schwerewellen), die sich von der Troposphäre aus nach oben ausbreiten und in den oberen (so genannten „kritischen“) Höhen der Stratosphäre brechen (analog zu den Meereswellen an der Küste). Wenn sie brechen, zerstreuen sich diese Wellen, übertragen ihren Impuls auf die mittlere Strömung und treiben die meridionale Zirkulation der BDC an.
Insgesamt handelt es sich bei der BDC um eine langsame Zirkulation, und die typischen Transitzeiten für Luftmassen auf ihrem Weg durch die Stratosphäre liegen in der Größenordnung von einigen Jahren. Da die damit zusammenhängenden Zirkulationsgeschwindigkeiten sehr niedrig sind, typischerweise unter 1 mm/s, können sie nicht direkt beobachtet werden, und es sind hochentwickelte Diagnosen erforderlich, um Beobachtungseinschränkungen abzuleiten. Die am häufigsten verwendete Diagnose ist das stratosphärische Luftalter, die Transitzeit für eine Luftmasse durch die Stratosphäre. Aufgrund von Mischungsprozessen auf verschiedenen Skalen ist ein makroskopisches Luftpaket durch eine Vielzahl von Transportwegen und damit verbundenen Transitzeitskalen durch die Stratosphäre und somit durch eine Transitzeitverteilung (das „Altersspektrum“) gekennzeichnet. Die mittlere Transitzeit eines Luftpakets, das erste Moment seines Altersspektrums, wird als mittleres Alter der Luft bezeichnet und lässt sich aus den Mischungsverhältnissen von Spurengasspezies berechnen, die in der Troposphäre linear ansteigen und in der Stratosphäre keine Quellen und Senken haben. Da diese notwendigen Annahmen nur näherungsweise für reale, beobachtbare Spurengasspezies gelten, bleibt die Ableitung von Beobachtungseinschränkungen für die stratosphärische Zirkulation eine Herausforderung. Insbesondere die langfristigen Veränderungen in der stratosphärischen Zirkulation sind nicht gut verstanden, und Klimamodelle simulieren eine sich beschleunigende Zirkulation, die durch Beobachtungen nicht gestützt wird. Zusätzliche Variationen im Wellenantrieb der Zirkulation, die mit natürlichen Schwankungen zusammenhängen (z. B. QBO, ENSO, stratosphärisches Aerosol - Link), erschweren die Ableitung langfristiger, anthropogen verursachter Trends zusätzlich.
Forschungsthemen
Die verschiedenen Forschungsaktivitäten am ICE-4 zielen darauf ab, das Verständnis der stratosphärischen Zirkulation zu fördern, ihre Diagnose anhand atmosphärischer Beobachtungen zu ermöglichen und zu verbessern und ihre Darstellung in Atmosphären- und Klimamodellen zu verbessern. Jüngste Forschungsarbeiten konzentrieren sich auf die Entwicklung und Verbesserung der Diagnostik der stratosphärischen Zirkulation und der atmosphärischen Mischungsprozesse, einschließlich der Modellalterspektren und der Optimierung der Schätzung des Luftalters aus Spurengasbeobachtungen (z.B. Garny et al., 2024). Auf der Grundlage von Luftalterssimulationen mit verschiedenen Modellen (CLaMS, EMAC, CCMI-2022) wurde die Unsicherheit der Darstellung der stratosphärischen Zirkulation in aktuellen Klimamodellen und meteorologischen Reanalysen untersucht. Entsprechende Studien haben gezeigt, dass die langfristigen Trends in Reanalysen weitgehend mit einer sich beschleunigenden stratosphärischen Zirkulation übereinstimmen, die ein abnehmendes mittleres Alter verursacht, dass aber insbesondere die dekadische Variabilität der Zirkulation mit erheblichen Unsicherheiten behaftet ist (z. B. Ploeger et al., 2021). Eine weitere große Unsicherheit besteht darin, dass die Zirkulation in Klimamodellen durch Schwerewellen angetrieben wird, die zu klein sind, um aufgelöst zu werden, und die parametrisiert werden müssen. Auf der Grundlage von GLORIA 3D-Tomographie und 2D-Lidar-Beobachtungen wurde eine neuartige Schwerewellen-Parametrisierung entwickelt und in das EMAC-Klimamodell implementiert (z.B. Rhode et al., 2023).
Auswahl von Publikationen des ICE-4
- Garny, H., Eichinger, R., Laube, J., Ray, E., Stiller, G., Bönisch, H., Saunders, L., Linz, M., Correction of stratospheric age of air (AoA) derived from sulfur hexafluoride (SF6) for the effect of chemical sinks, Atmos. Chem. Phys., 24, 4193-4215, https://doi.org/10.5194/acp-24-4193-2024, 2024.
- Ploeger, F., Diallo, M., Charlesworth, E., Konopka, P., Legras, B., Laube, J. C., Grooß, J.-U., Günther, G., Engel, A., and Riese, M., The stratospheric Brewer–Dobson circulation inferred from age of air in the ERA5 reanalysis, Atmos. Chem. Phys., 21, 8393-8412, https://doi.org/10.5194/acp-21-8393-2021, 2021.
- Rhode, S., Preusse, P., Ern, M., Ungermann, J., Krasauskas, L., Bacmeister, J., and Riese, M.: A muntain ridge model for quantifying oblique mountain wave propagation and distribution, Atmos. Chem. Phys., 23, 7901–7934,https://doi.org/10.5194/acp-23-7901-2023, 2023.