Biologische Aktive Materie
Über
"Das Leben ist nicht im Gleichgewicht" - diese einfache Aussage verdeutlicht eine wichtige Lücke in unserem physikalischen Weltverständnis. Lebende Materie wie Biofilme oder wachsende Pflanzen sind nicht im thermodynamischen Gleichgewicht. Das Besondere an lebender Materie ist, dass der Antrieb aus dem Material selbst kommt: Zellen kriechen und ziehen, sie wachsen und teilen sich. Dies führt zu neuartigen „lebenden“ Termen in der klassischen physikalischen Beschreibung.
Am IBI-5/IAS-2 wird lebende Materie in vielen Formen untersucht. Unsere Gruppe konzentriert sich auf zwei besondere Formen von Aktivität: Mikroschwimmer, bei denen molekulare Prozesse Kräfte erzeugen und die Schwimmer antreiben und Wachstumsprozesse, bei denen die Materie nicht erhalten ist sondern von der Materie selbst erzeugt wird.
Forschungsthemen
Microschwimmer werden durch selbsterzeugte Kräfte aus dem Gleichgewicht getrieben, und nicht durch ein externes Feld. Ein schwimmendes Spermium ist also ein Mikroschwimmer, ein sedimentierendes Polymer nicht. Die Aktivität der Mikroschwimmer manifestiert sich in Phänomenen jenseits der Gleichgewichtsphysik. Oft können jedoch Gleichgewichtskonzepte und -analogien verwendet werden, um darzustellen, was vor sich geht. Zum Beispiel werden Ansammlungen von selbstangetriebenen Teilchen spontan "phasengetrennt", oder es kommt zu einer Nichtgleichgewichts-Oberflächenakkumulation. Unsere Gruppe untersucht Mikroschwimmer in vielen verschiedenen Formen, von generischen selbstangetriebenen Partikeln und Filamenten bis hin zu hydrodynamischen Simulationen von Spermien und zilienbehafteten Mikroschwimmern.
Biologische Gewebe sind das Paradebeispiel wachsender Materie wie wir sie untersuchen. Biologische Gewebe bilden funktionelle Teile von Organismen, die aus Zellen bestehen. In den vergangenen Jahrzehnten wurde immer deutlicher, dass die Physik und insbesondere die Mechanik eine wichtige Rolle beim Zell- und Gewebewachstum spielen. Unsere Gruppe konzentriert sich auf partikelbasierte mesoskopische Simulationen von wachsendem Gewebe, verwendet aber auch z.B. Finite-Elemente-Simulationen um die kortikale Faltung aufgrund von Wachstumsungleichgewicht im Gehirn zu modellieren.
Methoden und genutzte Infrastrukturen
Mesoskopische Minimalmodelle, Computersimulationen, Hochleistungsrechnen, Hydrodynamik, JURECA
Mitarbeiter
- Microfold: Kommerzialisierungsprojekt zur Herstellung mikrostrukturierter Oberflächen, gefördert durch Sprin-D und Innovationsfonds
- Sperma: Ein Projekt innerhalb des ETN-PHYMOT-Konsortiums „Physics of Microbial Motility“der Europäischen Kommission. Das Ziel ist zu einem detaillierten Verständnis der Schwimmreaktionen von Spermien zu gelangen.