„Wir können beeinflussen, welche Materialien verwendet werden“

Interview zum Tag der Batterie am 18. Februar 2025

„Wir können beeinflussen, welche Materialien verwendet werden“
Johannes Thienenkamp vor dem Großgerät „Dynamic Nuclear Polarization (DNP) Nuclear Magnetic Resonance (NMR)"
Helmholtz-Institut Münster

18. Februar 2025 – Johannes Thienenkamp ist Doktorand am Fachbereich Physikalische Chemie der Universität Münster und Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Helmholtz-Institut Münster (HI MS; IMD-4) des Forschungszentrums Jülich. Zum Internationalen Tag der Batterie am 18. Februar 2025 spricht er unter anderem über neue Forschungsmethoden und nachhaltige Materialien.

Wo liegen Ihre Tätigkeitsschwerpunkte?

Ich arbeite in der Gruppe Methodik, welche zusammen mit der Abteilung Elektrolyte von Herrn PD Dr. Gunther Brunklaus geleitet wird. Schwerpunkte sind die Polymerelektrolyt- und Methodenentwicklung für Lithium-Ionen und Next-Generation Batterien.

Sie sind am Helmholtz-Institut Münster für das Großgerät „Dynamic Nuclear Polarization (DNP) Nuclear Magnetic Resonance (NMR)“, zu Deutsch „Dynamische Kernspinpolarisation Kernspinresonanzspektroskopie“ zuständig. Was ist das Besondere an der Methode?

Im Bereich der Methodik arbeite ich hauptsächlich mit der NMR-Spektroskopie. Die Methode ist dank ihrer vielseitigen Einsetzbarkeit eine Standardmethode für Chemiker:innen, um beispielsweise chemische Strukturen und Reaktionsmechanismen aufzuklären und auch wir haben bereits in der Vergangenheit Batteriematerialien und ganze Batterien mit dieser Methode untersucht. Die dynamische Kernspinpolarisation hingegen ist eine Besonderheit bzw. eine Erweiterung der NMR-Spektroskopie. Mit ihrer Hilfe kann die detektierte Signalintensität während eines NMR-Experiments mit einem Faktor bis zu 1000 verstärkt werden. In der Batterieforschung ist das besonders wichtig, da wir uns insbesondere für die Schicht zwischen Elektrode und Elektrolyt interessieren.

Wenn der Elektrolyt einer Batterie auf die Anode oder die Kathode trifft, entstehen sogenannte Fest-Flüssig-Interphasen, auf Englisch „Solid Electrolyte Interphases“ (SEI), die im Wesentlichen aus Reaktionsprodukten von mehr oder weniger beabsichtigten chemischen Reaktionen der Elektroden mit dem Elektrolyten bestehen. Diese Interphasen oder Schichten sind in der Regel nur wenige Nanometer dick und deshalb schwer zugänglich. Der Aufbau und ihre chemischen Zusammensetzungen haben jedoch einen großen Einfluss auf das Zyklisierverhalten einer Batterie, wie zum Beispiel die Lade-Rate und die Lebensdauer. Mittels der Signalverstärkung der DNP NMR können wir diese Interphasen charakterisieren und somit auf Zellebene Degradationseffekte, Langlebigkeit und Schnellladefähigkeit von Batterien besser erforschen.

Welche Ergebnisse konnten Sie mit der Methode bereits erzielen?

Das DNP NMR Spektrometer haben wir vor zwei Jahren durch das vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) geförderte Projekt „For-Analytik“ beschafft und installiert. Während der Installation und Inbetriebnahme haben wir neuartige Probenköpfe entwickelt und gebaut, mit denen wir Batterien während des Ladens und Entladens untersuchen können. Des Weiteren haben wir in Abhängigkeit von verschiedenen Elektrolytformulierungen Bestandteile von Elektroden und Elektrolyt-Interphasen in Lithiummetallbatterien bestimmen können. Ebenfalls schauen wir uns derzeit die Interphasenbestandteile von verschiedenen Lithium-Ionen-Batterien (LIB) an. Ziel ist es nun, die Charakterisierung der Interphasenbestandteile mit dem Zyklisierverhalten der Batterien zu korrelieren, um Vorschläge für verbesserte Elektrolytformulierungen oder eine zielgerichtete Elektrodenherstellung zu unterbreiten.

Welche Rolle spielt Kooperation in Ihrer Forschung?

Die DNP NMR ist insbesondere mit ihrem Potential, Interphasenbestandteile zu charakterisieren, eine besondere Methode und ergänzt somit hervorragend das Methodenportfolio der Batterieforschung. Da es bislang nur wenige Arbeitsgruppen auf der Welt gibt, die die DNP NMR im Bereich der Batterieforschung nutzen, was vor allem an den Kosten und der Komplexität der Methode liegt, untersuchen wir gerne Elektroden und Elektrolytformulierungen von Projektpartner:innen aus verschiedensten internationalen Kooperationen und teilen unsere Erkenntnisse mit ihnen. So können die individuellen Zellkonzepte stetig weiterentwickelt werden. Darüber hinaus stehen wir im Austausch mit der Herstellerfirma, um neuartige Hardware zu entwickeln, die uns ermöglicht, die Verstärkung mittels DNP noch besser für die Batterieforschung zu nutzen.

Sie haben bereits mit verschiedenen Zellsystemen gearbeitet. Welche Vorteile haben sich jeweils gezeigt?

Die Lithium-Metall-Batterie wird in Bezug auf ihre Energiedichte in der wissenschaftlichen Literatur des öfteren als heiliger Gral bezeichnet, was sich in der hohen theoretischen Kapazität des Lithiummetalls begründet. Bei vergleichbarem Elektrodenpotential weist Lithiummetall eine circa zehnfach höhere theoretische Kapazität als Graphit auf, welches das Standardanodenmaterial für Lithium-Ionen-Batterien ist. Die große Herausforderung der Lithium-Metall-Batterie ist jedoch ihre kürzere Lebensdauer im Vergleich zur sehr gut etablierten Lithium-Ionen-Technologie. Nichtsdestotrotz gibt es bereits erste Unternehmen, die die Lithium-Metall-Batterie produzieren und in Frankreich, beispielsweise, fahren erste Busse mit ihnen. Dabei handelt es sich um Festkörper-Batterien auf Polymerbasis, an denen wir ebenfalls am Helmholtz-Institut Münster forschen.

Neben der Erforschung von Festkörper-Lithium-Metall-Batterien arbeite ich im BMBF-Projekt „KaFeBar“ mit Partner:innen von der Humboldt-Universität Berlin, der Justus-Liebig Universität Gießen, der Universität Bayreuth, Wolfram Chemie und der Gruppe von Herrn Prof. Dr. Wolfgang Zeier des Helmholtz-Instituts Münsters an der Entwicklung von Kalium-Festkörper-Batterien. Diese Technologie ist noch gänzlich in ihren Kinderschuhen, bietet aber viel Potential, wenn es um Rohstoffverfügbarkeit und kurze Lieferketten in Europa geht. Bei der Kalium-Ionen-Batterie, wie auch bei der Natrium-Ionen-Batterie, liegt der Fokus somit weniger auf der Energiedichte als darauf, die auch in Deutschland gut verfügbare Ressource Kalium zu nutzen. Auch wenn globale Lithiumreserven derzeit keinen Engpass darstellen, ist Europa und damit auch Deutschland von Importen abhängig, da Lithium vor allem in Südamerika, China und Australien gefördert wird. Kalisalze hingegen werden in Deutschland bereits im Millionen-Tonnen-Maßstab gefördert. Welche Rolle jedoch Kalium-Festkörperbatterien zukünftig spielen werden, hängt von den Anwendungsszenarien in der Industrie und der weiteren Verfügbarkeit von Rohstoffen ab.

Welche Rolle spielt Nachhaltigkeit in Ihrer Forschung?

Als Batterieforscher:innen denken wir die Energiewende immer mit. Wir können zwar in unserer Forschung nicht beeinflussen, wie der Strom erzeugt wird, jedoch, welche Materialen verwendet werden, um ihn zu speichern. Ressourcenverfügbarkeit, Lieferketten und Produktionsstandorte haben einen direkten Einfluss auf die Nachhaltigkeit einer Technologie. Dies spiegelt sich bei mir insbesondere in den Arbeiten an der Kalium-Ionen-Batterie wieder.

Worin sehen Sie aktuell besondere Herausforderungen für die deutsche Batterieforschung?

In ihrer Finanzierung. Seit dem drastischen Rückgang neu ausgeschriebener Förderprojekte durch den Bund wurde der zukünftigen Ausbildung junger Batterieforscher:innen und der damit verbundenen Forschung ein wichtiger Grundpfeiler genommen. Dies gefährdet den zukünftigen Betrieb über Jahre aufgebauter Forschungsinfrastruktur. Deshalb möchte ich mich dem Appell vieler Batterieforscher:innen in Deutschland anschließen, die staatliche Projektförderung seitens des Bundes wie vor 2023 wieder aufzunehmen.

Letzte Änderung: 18.02.2025