Spektroelektrochemie an Grenzflächen
Überblick
Der Wandel von konventionellen zu wiederaufladbaren Lithiumbatterien der nächsten Generation umfasst nicht nur die Entwicklung und Modifizierung von Elektrodenstrukturen und Elektrolytformulierungen, sondern auch die Grenzfläche zwischen Elektrode und Elektrolyt, an der sich die Reaktion von Elektroden und Elektrolyten, die so genannte „Interphase“ bildet. Die Instabilität herkömmlicher Elektrolyte gegenüber Anode und Kathode bei hohen Betriebsspannungen führt zur Bildung einer „Solid Electrolyte Interphase (SEI)“ an der Anode und einer Cathode Electrolyte Interphase (CEI) wobei aktives Lithium und Elektrolyzersetzungsprodukte gebildet werden.
Die Nachwuchsgruppe „Interfacial Spectroelectrochemistry Group“ (ISEG) des Helmholtz-Instituts Münster (HI MS) konzentriert sich auf die Entwicklung geeigneter Interphasen durch In-vivo- und In-vitro-Ansätze zur Verbesserung der chemischen, physikalischen und mechanischen Eigenschaften von SEI und CEI. Um die Oberflächenphänomene auf molekularer Ebene in wiederaufladbaren Lithiumbatterien besser zu verstehen, werden In-situ-Nahfeld-Vibrationsspektroskopietechniken eingesetzt.
Maßgeschneiderte Elektrolytformulierung
Eine robuste SEI oder CEI kann die Leistung, Zyklisierbarkeit und Sicherheit einer wiederaufladbaren Lithiumbatterie erheblich beeinflussen, indem sie die kontinuierliche Zersetzung des Elektrolyten unterbindet.
Herkömmliche Elektrolyte auf Carbonat-Basis versagen je nach Betriebsbedingungen bei der Bildung einer optimalen Interphase bei Elektrodenmaterialien für wiederaufladbare Lithiumbatterien der nächsten Generation, wie zum Beispiel Anodenmaterialien auf Silizium-Basis und Kathodenmaterialien auf Nickel-Basis.
Um die Auswirkungen von Nebenreaktionen zu verringern und die Eigenschaften von Interphasen zu optimieren, wird die Entwicklung und Einbindung molekularer Additive als eine wesentliche Strategie angesehen. Im Rahmen der ISEG entwickelt das HI MS neue Elektrolytformulierungen durch Zugabe kleiner Mengen molekularer Additive als effizienten Ansatz zur Verbesserung der Interphaseneigenschaften in herkömmlichen und Hochvoltbatteriesystemen der nächsten Generation.
Modifizierung der Elektrodenoberfläche
Eine stabile Interphase kann künstlich kreiert werden, indem die Elektrodenoberfläche vor dem Zellbau mit organischen und anorganischen Materialien behandelt wird (In-vitro-Ansatz). Das Design einer künstlichen Interphase erlaubt eine höhere Flexibiltät, um spezifische Eigenschaften wie die chemische Zusammensetzung, Ionen-Transport, Stabilität und Elastizität zu berücksichtigen und anzupassen.
In der ISEG werden molekulare Systeme mit passenden Ankergruppen verwendet, um eine maßgeschneiderte, künstliche SEI oder CEI zu erzeugen. Grundlegende molekulare Ladungstransport- und elektrochemische Techniken werden eingesetzt, um eine Vorauswahl der besten molekularen Systeme zu treffen und ihre Funktionalität als Interphasen zu überwachen (siehe „Ladungstransport an der Grenzfläche“).
In-Situ-Vibrationsspektroskopie
Trotz intensiver wissenschaftlicher Bemühungen ist ein genaues Verständnis und eine Modellbeschreibung der Interphasenprozesse noch nicht verfügbar. Dies liegt vor allem an Hürden in der Entwicklung von In-situ- / Operando-Techniken, die ein mechanistisches Verständnis der Bildung, des Abbaus und der Alterung der Zwischenphasen in LBBs in Echtzeit ermöglichen.
Mithilfe der In-situ- / Operando-Vibrationsspektroskopietechniken können unbekannte molekulare Spezies der Komponenten, aus denen die Interphasen bestehen, nachgewiesen und die jeweiligen Eigenschaften der Oberflächenadsorbate ermittelt werden. Die ISEG ist bestrebt, fortschrittliche In-situ- / Operando-Raman- und IR-Spektroskopietechniken zu entwickeln, um die in der Interphasenschicht ablaufenden Prozesse zu untersuchen.
Ladungstransport an der Grenzfläche
Das Tunneln oder Springen von Elektronen an der Interphase führt zur Zersetzung von Elektrolytkomponenten und zu einem kontinuierlichen Wachstum der Interphase. Durch die Beobachtung des elektronischen Ladungstransfers einzelner molekularer Systeme kann daher die Verwendung verschiedener molekularer Systeme als einer der Schlüsselfaktoren zur Bestimmung der elektrochemischen Leistung einer Batterie eingeschätzt werden.
In Zusammenarbeit mit anderen Gruppen setzt ISEG molekulare Ladungstransporttechniken in Kombination mit Elektrochemie ein, um die Gesamtleistung der Batterie mit den zugrundeliegenden Elektronentransfereigenschaften in der Interphase zu korrelieren.
Auswahl Publikationen:
Advanced Energy Materials 2024, 2402187, DOI: 10.1002/aenm.202402187
Journal of Physical Chemistry C 2024, 128, 16, 6868-6876, DOI: 10.1021/acs.jpcc.4c00232
Advanced Energy Materials 2023, 2303568, DOI: 10.1002/aenm.202303568
Small 2023, 2302486, DOI: 10.1002/smll.202302486
Small 2023, 2300425, DOI: 10.1002/sstr.202300425
Advanced Energy Materials 2023, 2300827, DOI: 10.1002/aenm.202300827
Journal of Inorganic and Organometallic Polymers and Materials 2023, 1574-1451, DOI: 10.1007/s10904-023-02693-x
ACS Applied Materials & Interfaces 2023, 5, 6676–6686, DOI: 10.1021/acsami.2c17958
Journal of Power Sources 2023, 557, 232570, DOI: 10.1016/j.jpowsour.2022.232570
Advanced Energy Materials 2022, 202504, DOI: 10.1002/aenm.202202504
Electrochemistry Communications 2022, 140, 107332, DOI: 10.1016/j.elecom.2022.107332
Journal of Power Sources 2022, 549, 232118, DOI: 10.1016/j.jpowsour.2022.232118
Ansprechpartner
Dr. Baghernejad Masoud
Young Investigator Group Leader Nachwuchsgruppenleiter
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Raum 1