Intelligente Regelungsplattform
Im Vergleich zu herkömmlichen Energiesystemen weisen zukünftige Energiesysteme eine schwankende und mit Unsicherheiten behaftete Erzeugung und eine höhere Komponentenanzahl aufgrund der vielen Einheiten auf. Zukünftig nehmen dabei die „consumers“, also Verbraucherinnen und Verbraucher, die Rolle der „prosumers“ ein, welche durch die Rolle als lokale Energieerzeuger einen aktiven Beitrag zur Integrationsfähigkeit von erneuerbaren Energien spielen können. Dementsprechend ist eine intelligente Steuerung des Energiesystems notwendig, um vorhandene Ressourcen bestmöglich einzusetzen. Insgesamt steigt die Komplexität des Systems deutlich, sodass neue Regelungsansätze benötigt werden.
Im Rahmen des LLEC-Projektverbunds werden solche zukünftigen Quartiersenergiesysteme untersucht, welche primär von erneuerbaren Energien und Abwärme versorgt werden. Dazu werden zentrale Teile der energetischen Infrastruktur sowie Gebäude des FZJ-Campus, um weitere Technologien zur Erzeugung, Wandlung und Speicherung von Energie ergänzt. Diese bilden die Basis für das innovative Quartiersenergiesystem. Aktuell besteht die „LLEC-Infrastruktur“ aus folgenden Komponenten:
- Diverse Photovoltaik-Anlagen (Freiflächenanlage, PV-Dachanlagen sowie fassadenintegrierte Systeme)
- Zwei Lithium-Ionen-Batteriespeicher
- Wasserstoff-Infrastruktur (u.a. Elektrolyseur, AFC-Brennstoffzelle, LOHC-Speicher, H2-Beimischung im Blockheizkraftwerk (Wärmevollversorgungszentrale))
- Niedertemperaturnetz mit Abwärmenutzung eines wassergekühlten Großrechners
- 15 kognitive Bestandsgebäude, welche raumweise mit Sensoren und Aktoren zur Erprobung von u.a. fortschrittlichen Raumregelungskonzepten ausgestattet sind
- Elektrofahrzeuge / uni-/bidirektionale Ladesäulen
Sowohl vorhandene also auch neu installierte Komponenten des Systems werden über eine sogenannte cloudbasierte Informations- und Kommunikationsplattform (IKT-Plattform) digital vernetzt. So stehen jederzeit aktuelle Betriebsdaten des gesamten Energiesystems zur Verfügung. Mit Hilfe dieser Daten kann eine detailgetreue Modellierung des Energiesystems mit Hilfe von „digitalen“ Zwillingen vorgenommen werden. Weiterhin können die verfügbaren Daten maschinell ausgewertet werden und Charakteristiken des Betriebs bestimmt werden, welche Aussagen über Verbesserungen der Betriebsstrategien zulassen. Darüber hinaus ermöglicht die Digitalisierung des Energiesystems eine Steuerung aller Komponenten von einer zentralen Stelle unter Berücksichtigung aller Betriebsdaten. Hierdurch können neben herkömmlichen, meistens regelbasierten Betriebsstrategien auch innovative Regelungskonzepte, wie z.B. vorausschauende (modellprädiktive) Regelungskonzepte erprobt werden. Eine modellprädiktive Regelung verwendet ein mathematisches Modell, welches die Betriebsdynamiken des realen Systems beschreibt, um eine optimale Fahrweise für die Komponenten zu bestimmen. Dazu wird das Systemverhalten in mathematischer Form abgebildet und in ein sogenanntes Optimierungsproblem umgewandelt. Durch die Verwendung von Prognosen bzgl. zukünftiger Energieverbräuche und -erzeugung kann das Verhalten des Energiesystems berechnet und durch Lösen des Optimierungsproblems optimale Stellgrößen (Fahrweise) bestimmt werden. Diese optimalen Stellgrößen werden von die IKT-Plattform in Echtzeit an die realen Komponenten gesendet und dort umgesetzt.
Das LLEC bietet eine Vielzahl an unterschiedlichen Energiesystemen und erlaubt somit die Untersuchung vieler verschiedener Regelungsansätze und Betriebsstrategien hinsichtlich z.B. einer optimalen Integration und Verwendung von erneuerbaren Energien und Abwärme und einer Entlastung des Stromnetzes durch die aktive Nutzung von Flexibilitätspotenzialen auf Verbraucherseite. Die hier entwickelten Ansätze sollen nach erfolgreicher Erprobung ebenfalls für weitere Anwendungen außerhalb des Forschungszentrums übertragbar sein.
Durch die im Rahmen des LLEC entwickelte „Dashboard Suite“ können Nutzerinnen und Nutzer einen besseren Einblick in Verbrauchsdaten auf Gebäudeebene sowie Verbrauchsdaten und Komfortparameter auf Raumebene erhalten. Durch Kopplung eines virtuellen Planspiels für die FZJ-Liegenschaft mit Büros in der „realen“ Welt wird erforscht, ob spielerische Ansätze dazu beitragen können, das Nutzerverhalten hinsichtlich eines energiesparen Umfangs nachhaltig zu verbessern.