Polarisierte Moleküle
Die Speicherung von kernspin-polarisierten Atomen in T-förmigen Speicherzellen, wie in polarisierten internen Targets bei ANKE oder PAX, ist anspruchsvoll, da die Wasserstoffatome Radikale sind und die meisten chemischen Reaktionen die Kernpolarisation zerstören. In den letzten 40 Jahren wurden einige Materialien gefunden, z.B. Aluminium, Titan, Teflon und Wassereis, die die Rekombination zu Molekülen sehr effizient vermeiden und die Kernpolarisation erhalten. Parallel dazu wurde beobachtet, dass die Kernpolarisation sogar während des Rekombinationsprozesses auf einigen Oberflächenmaterialien zumindest teilweise erhalten blieb.
In einer Zusammenarbeit zwischen dem St. Petersburger Institut für Kernphysik, der Universität zu Köln und dem IKP wurde eine Apparatur zur Untersuchung und Optimierung von Speicherzellentargets entwickelt. Dieses Gerät ist in der Lage, die Polarisation von Wasserstoff- und Deuterium-Atomen und deren Molekülen nach der Rekombination auf einer Oberfläche zu messen. Bei den letzten Messungen wurde mit „Fomblin Öl“ ein Material gefunden, das die volle Polarisationserhaltung während des Rekombinationsprozesses ermöglicht. Daher ist nun die Erzeugung hochpolarisierter Wasserstoffmoleküle möglich.
Für Experimente wie ANKE oder PAX ist die Targetdichte der polarisierten Nukleonen in der Speicherzelle sehr wichtig. Da die Strahlintensität von polarisierten Atomstrahlquellen in den letzten 30 Jahren nicht wesentlich erhöht wurde, wurden andere Möglichkeiten genutzt, um die Targetdichte zu erhöhen:
- Die Abkühlung der Speicherzelle erhöht die Verweildauer der Atome im Inneren. Temperaturen unter 100 K waren jedoch wegen der großen Polarisationsverluste nicht möglich. Dennoch wurde die Targetdichte um einen Faktor von ~√3 erhöht.
- Die Geometrie einer solchen Speicherzelle muss optimiert werden: Längere Zellen mit kleinerem Durchmesser erhöhen die durchschnittliche Lebensdauer der Atome im Inneren. Der COSY-Strahl darf natürlich nicht auf die Wand der Speicherzelle treffen, daher wurde die Grenze für diese Methode bei einem Innendurchmesser von 15 mm festgelegt.
- Der Durchmesser des COSY-Strahls schrumpft bei der Beschleunigung auf höhere Energien. Deshalb wurde eine bewegliche Zelle mit kleinerem Durchmesser entwickelt, die nach der Beschleunigung des Strahls wieder geschlossen wird. In diesem Fall schrumpft der notwendige Innendurchmesser auf 12 mm und die Targetdichte wird um den Faktor 2 erhöht.
Eine weitere Möglichkeit ist die Rekombination von polarisierten Wasserstoff- oder Deuterium-Atomen zu polarisierten Molekülen. Daher wurde eine spezielle Apparatur entwickelt und gebaut, um die Rekombination von Wasserstoff- und Deuterium-Atomen auf verschiedenen Oberflächen und bei verschiedenen Temperaturen in Magnetfeldern bis zu 1 T zu untersuchen. Bei diesen Experimenten konnte gezeigt werden, dass eine Fomblin-Oberfläche bei Temperaturen zwischen 50 und 100 K eine vollständige Polarisationserhaltung für Wasserstoff ermöglicht. Bei einem Magnetfeld von über 0,2 T können sogar die Polarisationsverluste bei Wandkollisionen vernachlässigt werden. Mit dieser Methode wird die Targetdichte erhöht, da die Geschwindigkeit der Moleküle um einen Faktor √2 kleiner ist als die der Atome bei gleicher Temperatur. Eine weitere Erhöhung ist möglich, da die Polarisationserhaltung zumindest bis 50 K nicht von der Temperatur abhängt.
Gleichzeitig geben diese Experimente Einblicke in verschiedene Rekombinationsprozesse auf vielen Oberflächen, die auch in anderen Bereichen hilfreich sind. In der Astrophysik ist z.B. die Rekombination von Wasserstoffatomen in Sternwolken zu Molekülen nicht gut verstanden. Eine "direkte" Rekombination von zwei Atomen ist aufgrund der Energie- und Impulserhaltung nicht möglich, so dass ein dritter Partner erforderlich ist. Aber aufgrund der sehr geringen Dichte in solchen Wolken werden drei Atome nicht gleichzeitig aufeinandertreffen. Eine Lösung könnten kleine Kohlenstoffpartikel sein, bei denen die Atome an der Oberfläche rekombinieren können. Aber die Chemie zeigt hier, dass dies nicht sehr effizient ist. Dennoch haben erste Tests von kohlenstoffbeschichteten Zellen, wie sie für eine Speicherzelle am CERN vor dem LHCb-Detektor verwendet werden könnten, gezeigt, dass die Rekombination in solchen Zellen groß ist. Der Grund für diesen Effekt scheint eine große Menge an Lyman-α-Photonen zu sein, die aus dem Dissoziator der Atomstrahlquelle stammen. Diese sind in der Lage die notwendige Energie zu liefern, um die C-H-Bindung aufzubrechen, bevor die Rekombination mit einem anderen Wasserstoffatom möglich ist. Gleichzeitig blieb die Kernspin-Polarisation zu mehr als 70% in den Molekülen erhalten, was wiederum eine Nutzung dieses Materials für kommende Experimente am LHC prinzipiell ermöglicht. Der Nachweis der großen Zahl von Lyman-α-Photonen wiederum kann erklären, warum die bisher gefundenen Materialien zur Vermeidung der Rekombination und Erhaltung der Polarisation genutzt werden konnten: Aluminium und Titan reflektieren diese Photonen während Teflon und Wassereis anscheinend eine Transmission erlauben.
Ein weiteres interessantes Merkmal ist die Beobachtung der Kopplung zwischen dem Kernspin des Protons und dem magnetischen Rotationsdrehmoment des Moleküls. Aufgrund dieser Kopplung geht die Polarisation bei Wandkollisionen verloren, aber ein externes Magnetfeld ist in der Lage, diese Kopplung zu überwinden und die Kernpolarisation zu erhalten. Wenn nun die Polarisation als Funktion des Magnetfeldes und der Zelltemperatur gemessen wird, lassen sich mehrere Details beobachten, z. B. die durchschnittliche Anzahl der Wandkollisionen und damit die Wechselwirkung zwischen den Molekülen und den Oberflächenmaterialien oder die Verschiebung des Rotationsdrehmoments in HD-Molekülen im Vergleich zu D2 und H2.
In Zukunft könnten diese Experimente ausgeweitet und der Temperaturbereich vergrößert werden. Wenn es nun möglich ist, hochpolarisierte Deuterium- und HD-Moleküle mit dieser Methode herzustellen, sollte es vielleicht auch möglich sein, sie auf einer kalten Oberfläche bei Temperaturen von flüssigem Helium einzufrieren. So könnte genügend polarisiertes Deuterium gesammelt werden, um damit erste Tests der polarisierten Fusion in einem Reaktor zu ermöglichen.