Europas Neutronenforschung international führend -Rückgang droht durch Wegfall von Quellen
17. Mai 2018
Europas Neutronenforschungseinrichtungen sind im internationalen Vergleich spitze. Dies ist das Ergebnis einer Studie des Forschungszentrums Jülich, die über die Jahre 2005 bis 2015 die Zahl und Qualität von Publikationen untersucht hat, die auf Neutronenstreuexperimenten basieren. Jedoch sind die asiatischen Länder, insbesondere China, auf dem Vormarsch. Die bevorstehenden Außerbetriebnahmen von Neutronenquellen in Europa könnten die Führung des Kontinents gefährden, trotz der im Bau befindlichen Europäischen Spallation Source, warnen die Autoren. Um dies zu verhindern, drängen sie darauf, die vorhandene Breite für die Neutronenstreuung in Europa zu erhalten und neue Wege für den Zugang zu Neutronenquellen zu schaffen, zum Beispiel mittels kompakter beschleunigerbasierter Quellen.
Im Beobachtungszeitraum 2005 bis 2015 fanden die Autoren der Studie insgesamt 42689 Publikationen, die auf Experimenten in Neutronenlaboren basieren. Die Zahl der Publikationen pro Jahr hat in dieser Zeit tendenziell zugenommen. Auch ihre Qualität hat sich verbessert, was die Forscher an der steigenden Zahl von Publikationen in Zeitschriften mit höherem Impact-Faktor festmachen konnten.
52 Prozent der untersuchten Arbeiten stammen aus Europa, 20 Prozent aus Asien oder Ozeanien und 19 Prozent aus den USA. Von den Veröffentlichungen aus Europa kommen die meisten aus Frankreich (8091– diese beinhalten allerdings auch Publikationen des Instituts Laue-Langevins, einem europäischen Neutronenzentrum), dicht gefolgt von Deutschland (8041). Während die Publikationszahlen in Europa und Japan, der Nation in Asien mit den meisten Neutronenpublikationen im Untersuchungszeitraum, sich über die Jahre kaum änderten, haben sie sich in China nahezu verdoppelt. Mögliche Gründe dafür sind der Bau zahlreicher neuer Neutronenquellen im Reich der Mitte sowie die Veröffentlichung vieler Arbeiten, die chinesische Forscher an europäischen Anlagen durchführten.
Europas starke Position in der Neutronenforschung stützt sich auf ein breites Angebot an Neutronenquellen. Am Institut Laue-Langevin in Grenoble etwa sind weltweit die meisten Publikationen entstanden. Doch kleinere Quellen sind ebenso wichtig: „Kleine und mittelgroße Quellen haben weltweit fast 80 Prozent Anteil an der Forschung“, erläutert Dr. Thomas Gutberlet vom Jülich Centre for Neutron Science, einer der Autoren der Studie. Auch die Ausbildung junger Wissenschaftler, die später an den großen Quellen forschen, findet oft an kleineren Quellen statt. Und nicht zuletzt dienen kleinere Quellen auch der Weiterentwicklung von Methoden.
Viele Neutronenquellen in Europa stammen aus den 1950-er- oder 1960-er-Jahren und haben das Ende ihrer Nutzungsdauer erreicht. Den anstehenden Wegfall von Forschungsmöglichkeiten kann auch die ESS nicht kompensieren, sind die Autoren sicher. Um diese Bedrohung für die deutsche und europäische Neutronenforschung abzuwenden, arbeiten Forscher am JCNS an der Entwicklung eines Konzeptes für kosteneffiziente beschleunigerbasierte Neutronenquellen: Die „Hochbrilliante Neutronenquelle“ funktioniert ohne die reaktortypische Kettenreaktion und soll mittelfristig kleine und mittelgroße Anlagen ablösen.
Originalpublikation:
Do neutrons publish? A neutron publication survey 2005-2015;
T
. Gutberlet, D. Tunger, P. Zeitler, T. Brückel;
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