KI im Bereich Arbeitsschutz? Aber ja doch!

Wissenschaftler, die sich mit künstlicher Intelligenz auskennen, sind begehrt: So wie Martin Brenzke. Der Physiker arbeitete mehrere Jahre am Forschungszentrum Jülich, bevor die Dortmunder Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin ihn für sich gewinnen konnte. So unterschiedlich diese Institutionen auch sind: Die Forschungsfragen, denen Brenzke dort nachgeht, drehen sich nach wie vor um die Künstliche Intelligenz.
Herr Brenzke, starten wir vorne in Ihrer Laufbahn. Woran haben Sie am Forschungszentrum getüftelt?
Ich habe von 2018 bis 2022 am damaligen IEK-4 – das ist jetzt das IFN-1 – meine Doktorarbeit gemacht und noch bis 2024 als Postdoc dort gearbeitet. Inhaltlich ging es um Fusionsreaktoren, genauer gesagt um die Frage: Lassen sich die Wärmelasten, die in Fusionsreaktoren entstehen, durch Machine-Learning-Verfahren modellieren? Also im Grunde genommen durch KI, auch wenn der Begriff natürlich weit gefasst ist. Mit den experimentellen Daten vom Fusionsexperiment ASDEX Upgrade in Garching habe ich ein Modell entwickelt und angepasst, mit dem wir die physikalischen Prozesse abbilden können. Das ist weniger zeitaufwendig als die Simulationscodes, die dafür sonst notwendig sind.
Der Weg von dort führt nicht gerade zwingend zur Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin. Wofür werden dort Physiker gebraucht? Anders gefragt: Worin liegt Ihre jetzige Aufgabe?
Der Zusammenhang liegt in der KI: Ich wollte mich gerne weiterhin mit Machine-Learning-Verfahren beschäftigen – wenn auch eher aus einer kritischen Perspektive. Es geht mir keineswegs darum, auf den Hype-Train aufzuspringen und in allen Bereichen für mehr KI zu plädieren. Vielmehr bin ich der Meinung, dass Künstliche Intelligenz in geregelten Bahnen sinnvoll eingesetzt werden sollte, so dass das nicht ausufert. In der Bundesanstalt wurde die Fachgruppe zum Thema „KI in der Arbeitswelt“ neu eingerichtet, auf diese Weise bin ich als wissenschaftlicher Mitarbeiter hier gelandet. Ich sitze also nach wie vor am Computer und schreibe Code. Die Idee liegt darin, sich die KI vor dem Hintergrund des Arbeitsschutzes anzusehen und dafür zu sorgen, dass sie im Arbeitskontext sinnvoll angewendet wird. Ich untersuche unter anderem, in wie weit Unternehmen KI bereits einsetzen – in meinem Fall für Managementaufgaben. Wo liegen mögliche Risiken für Beschäftigte? Und wie lassen sich diese Gefahren mit technischen Mitteln reduzieren oder gar ausmerzen? Die erste Hürde liegt darin, mit Unternehmen ins Gespräch zu kommen: Ich suche derzeit Firmen, die uns in groben Zügen mitteilen, für welche Aufgaben sie KI nutzen. Falls ich keine entsprechenden Unternehmen finden sollte, werden die Risikofaktoren theoriegeleitet abgeschätzt. Anschließend werde ich dann an technischen Maßnahmen zur Behebung dieser Risikofaktoren arbeiten.
Sie sind der KI also nach wie vor treu geblieben. Was unterscheidet Ihre jetzige Arbeit von der in Jülich?
Der inhaltliche Schwerpunkt ist ein anderer. Während in Jülich eher der technische Aspekt im Vordergrund stand, nehme ich jetzt auch den soziotechnischen Blickwinkel ein. Dementsprechend unterscheiden sich auch die Forschungsmethoden: So ist es beispielsweise neu für mich, Interviews zu führen. Auch bin ich stärker in den Wissenstransfer und die Kommunikation nach außen eingebunden, so halte ich etwa hin und wieder Vorträge und gebe Workshops zum Verständnis von KI – und zwar nicht nur auf rein wissenschaftlichen Fachkonferenzen, sondern auch vor der interessierten Öffentlichkeit. Zuletzt beispielsweise im Rahmen der Digitalen Woche Dortmund. Eine weitere Neuheit für mich ist die Mitarbeit in Normungsausschüssen etwa beim DIN.
Gibt es etwas, das Sie am Forschungszentrum vermissen?
Cool fand ich am Forschungszentrum die verschiedenen Themen und Schwerpunkte der Institute. Auch wenn ich davon nicht ganz so stark profitieren konnte, da die Coronazeit mitten in meiner Arbeitszeit dort lag – da ist der Austausch etwas flachgefallen. Auch der Campus ist toll gelegen, mit der Natur und den Rehen, die gar nicht so scheu sind. Mein jetziger Arbeitgeber ist mitten in Dortmund, das ist landschaftlich nicht ganz so reizvoll.
Beruflich beschäftigen Sie sich die meiste Zeit mit KI. Ist Ihre Freizeit auch von Künstlicher Intelligenz geprägt?
Privat versuche ich KI zu vermeiden. Denn hinter ChatGPT und anderen verbreiteten KI-Systemen stecken einerseits Großkonzerne, andererseits sehe ich für mich privat nicht den Nutzen. Hin und wieder verwende ich DeepL für Übersetzungen – da steckt immerhin ein deutsches Unternehmen hinter. Was den Computer angeht: Zwar sitze ich zu Hause auch viel am PC, nutze ihn allerdings eher zum Spielen oder für Musik. Ich bastele selten in meiner Freizeit an KI-Algorithmen. Lieber schnappe ich mir meine Gitarre: Seit kurzem spiele ich in einer Band, Auftritte stehen bisher aber erstmal nicht an.