Elektronische und chemische Eigenschaften von organischen Molekülen
In den letzten Jahren haben wir in Zusammenarbeit mit unseren Kollegen an der Karl-Franzens Universität in Graz die Photoemissionstomographie zu einer leistungsfähigen Technik entwickelt, die einen direkten Zugang zur Orbitalstruktur von Molekülen ermöglicht (insbesondere von Grenzorbitalen, die die elektronischen, optischen und chemischen Eigenschaften von Molekülen bestimmen) und somit hilft, elektronische und chemische Zustände von Molekülen an Oberflächen aufzudecken.
Die Photoemissions-Tomographie ist eine kombinierte experimentelle und theoretische Technik, bei der die Ergebnisse der winkelaufgelösten Ultraviolett-Photoemission (ARUPS) in Bezug auf die Orbitalstruktur im Impulsraum des Ausgangszustands des Elektrons im Molekül vor der Photoemission interpretiert werden. Vor allem lässt sich auf diese Weise die Energieausrichtung der Molekülorbitale in Bezug auf das Fermi-Niveau des Substrats bestimmen [1], selbst wenn die Orbitale energetisch so eng beieinander liegen, dass sie nicht ohne weiteres allein auf der Energieachse aufgelöst werden können [2, 3]. Der Trick besteht darin, dass die Entfaltung im Impulsraum und nicht auf der Energieachse erfolgt. Die Impulsraum-Information ermöglicht es auch, Symmetriebrechungen des Moleküls an der Oberfläche durch die Aufhebung von Orbitalentartungen zu lokalisieren [4]. Da die Orbitalformen starr an die Struktur des Moleküls gebunden sind, gibt die Photoemissionstomographie auch Aufschluss über die Ausrichtung der Moleküle.
Entgegen den anfänglichen Erwartungen stellen wir fest, dass die Photoemissions-Tomographie auch an stark wechselwirkenden Molekül-Metall-Grenzflächen angewendet werden kann, z. B. wenn Molekülorbitale dispergierende Banden bilden [5], oder an kleinen Molekülen [6]. Dies ist bemerkenswert, denn es zeigt, dass die Näherung des Endzustands des photoemittierten Elektrons als ebene Welle auch in diesen Fällen unerwartet gut funktioniert.
Bei unserer Untersuchung des Ladungstransfers an Molekül/Metall-Grenzflächen haben wir festgestellt, dass eine dünne, auf einem Metall gewachsene Isolierschicht entgegen weit verbreiteten Erwartungen den Ladungstransfer auf das Molekül tatsächlich fördern kann, anstatt ihn zu unterdrücken [7, 8, 9], da sie die Austrittsarbeit verringert. Wenn man die Wechselwirkung zwischen Molekülen und Substrat an der Grenzfläche abstimmt, kann man die Kontrolle über den molekularen Ladungszustand erlangen, sei es fraktional oder ganzzahlig [10], oder sogar organische Filme erzeugen, die mehrere Ladungszustände enthalten, d. h. neutrale und geladene Moleküle nebeneinander bestehen, sowohl in Mehrkomponenten- [11, 12] als auch in einteiligen Monoschichten [13].
Schließlich ist die Photoemissionstomographie ein wertvolles Instrument zur Untersuchung chemischer Reaktionen. So haben wir beispielsweise Impulsraum-"Fingerabdrücke" von Grenzorbitalen verwendet, um die genaue chemische Natur von Reaktionszwischenprodukten und -produkten zu identifizieren, die entweder ex-situ durch "Nasschemie" oder direkt an der Oberfläche synthetisiert wurden [14].