Schlaf-Wach Homöostase: Schlafentzug erhöht die A1-Adenosinrezeptor-Verfügbarkeit
Der Mensch verbringt einen beträchtlichen Teil seines Lebens im Schlaf. Die Funktion dieses physiologischen Phänomens und die zugrunde liegenden Regulationsmechanismen sind jedoch noch weitgehend unbekannt. Wir setzen daher Methoden der molekularen Bildgebung ein, um chemische Veränderungen im menschlichen Gehirn zu untersuchen, welche mit Müdigkeit und Schlaf assoziiert sind.
Wir interessieren uns insbesondere für die Funktion von Adenosin, einem ubiquitär im Organismus vorkommenden Nukleosid, welches als extrazellulärer Modulator der Zellaktivität angesehen wird, primär inhibitorisch wirkt und die Neurotransmitterfreisetzung beeinflusst. Seine Bedeutung wird insbesondere auch daraus ersichtlich, dass Koffein, die weltweit am häufigsten eingesetzte psychoaktive Substanz, seine Wirkung über die Blockade von Adenosinrezeptoren entfaltet.
Momentan wird vermutet, dass Adenosin an der Induktion von Schlaf (insbesondere nach verlängerten Wachphasen) beteiligt ist. Dieser Effekt kann - aufgrund der nicht-selektiven Blockade des Adenosinrezeptors - durch Koffein teilweise rückgängig gemacht werden. Es wird daher vermutet, dass der Aufbau des Schlafdrucks während des Wachens und seine Abnahme während des Schlafes mit Veränderungen der extrazellulären Adenosinkonzentration zusammenhängen. Bei unphysiologisch langen Phasen des Wachseins steigt die Adenosinkonzentration sukzessive an und wird anschließend durch Erholungsschlaf wieder gesenkt. Diese Beobachtung führte zu der Hypothese, dass Adenosin eine Schlüsselsubstanz für den Schlaftrieb ist.
Es scheint dabei seine schlafinduzierende Wirkung großteilig über den A1-Adenosinrezeptor (A1AR) zu vermitteln, der in weiten Bereichen des Gehirns exprimiert wird. Diese Wirkung des Adenosins – ebenso wie typische EEG-Veränderungen – können effektiv durch Koffein gehemmt werden.
Die Forschergruppe um Robert W. McCarley, Harvard Medical School, konnte zeigen, dass A1AR-mRNA nach 6 Stunden Schlafentzug signifikant aufreguliert ist. In Kooperation mit dieser Arbeitsgruppe konnten wir mittels Rezeptorautoradiographie im Tiermodell zeigen, dass auch die Rezeptordichte des A1ARs nach Schlafentzug in den Zellen des basalen Vorderhirns zunimmt. Für weitere kortikale und subkortikale Regionen konnten ähnliche schlafentzugsinduzierte Effekte an Ratten gezeigt werden.
Abb. 1: A1AR-Dichte: Relative Differenzen der beiden Schlafentzugsbedingungen im Vergleich zu einer zirkadianen Kontrollgruppe [(Schlafentzug – Kontrolle)/Kontrolle].
In entsprechenden Experimenten an gesunden Versuchspersonen konnten wir nach einer Nacht Schlafentzug mittels PET eine signifikant erhöhte Verfügbarkeit des A1Ars (insbesondere im orbitofrontalen Kortex) beobachten.
Abb. 2: Verteilungsvolumen (VT) und Bindungspotenzial (BPND) des Adenosinrezeptors im temporalen Kortex von 10 Versuchspersonen (Baseline vs. Wiederholungsbedingung) sowie 12 Probanden nach Schlafentzug (Baseline vs. Schlafentzugsbedingung). A, Absolute Veränderungen, B, Scatterplot der relativen Veränderungen ((Tag2–Tag1)/Tag1), Horizontale Balken zeigen den Mittelwert an.
Abb. 3: Mittelwertsbild der Schlafentzugsgruppe (n = 12) nach räumlicher Normalisierung. (A) MRT-Bilder, (B) Parametrische Bilder der Bindungspotenziale (BPND) vor sowie (C) nach Schlafentzug.
Zusammenfassend kann man derzeit feststellen, dass Adenosin über A1AR inhibitorische Effekte insbesondere auf exzitatorische Neurone in Kerngebieten des basalen Vorderhirns ausübt, welche mit der Schlaf-Wach-Regulation assoziiert sind. Adenosin dient somit der Regulation des homeostatischen Schlaftriebes in Abhängigkeit von neuronaler Aktivität und Energiestoffwechsel. Die weitere Forschung wird zeigen, welche weiteren Faktoren den A1AR regulieren und beim Schlaf-Wach-Zyklus eine Rolle spielen.