Schmelzende Sterne
Einzelsternsysteme wie unser Sonnensystem sind nicht der kosmische Regelfall. Über die Hälfte aller Sterne im Universum ist Teil eines Doppelsternsystems. Und nicht nur das: Computersimulationen der Jülicher Wissenschaftlerin Christina Korntreff und ihrer Kollegen vom Bonner Max-Planck-Institut für Radioastronomie legen nahe, dass überraschenderweise auch viele heutige Einzelsternsysteme aus Doppelsternsystemen entstanden sind. Während der ersten Millionen Jahre verschmolzen sie zu einem einzigen Himmelskörper.
Untersuchungen von Sternentstehungsgebieten zeigen, dass die Verbreitung junger Doppelsterne einer logarithmischen Verteilung folgt. Sie ist abhängig von der Umlaufzeit: Doppelsterne, die sich alle 1 bis 10 Jahre umkreisen, sind insgesamt genauso häufig anzutreffen wie solche mit Umlaufzeiten von 10 bis 100 oder 100 bis 1000 Jahren. Die Beobachtung älterer Doppelsterne ergibt dagegen ein anderes Bild. Die durchschnittliche Umlaufzeit liegt hier bei rund 200 Jahren, kürzere und längere Umlaufzeiten sind deutlich seltener anzutreffen als in den Kinderstuben des Universums.
Schon seit Längerem war bekannt, dass ältere Doppelsternsysteme mit langen Umlaufzeiten nicht so häufig vorkommen, weil sie leicht durch fremde vorbeiziehende Sterne abgelenkt und aus ihrer Umlaufbahn geworfen werden. Korntreff und ihre Kollegen haben nun eine Erklärung dafür gefunden, warum auch nur so wenige ältere Doppelsterne mit kurzen Umlaufzeiten existieren. Simulationen der Sternentstehung im Orion Nebula Cluster, einem Sternhaufen im Orionnebel, zeigen, dass die beiden Sterne durch Interaktionen mit dem umgebenden Gas in dem noch jungen Sternhaufen auf eine spiralförmige Umlaufbahn gezwungen werden. Auf dieser nähern sie sich immer weiter an, bis sie miteinander kollidieren und verschmelzen.
Originalpublikation:
Towards the field binary population: influence of orbital decay on close binaries
C. Korntreff, T. Kaczmarek and S. Pfalzner A&A 543 A126 (2012)
DOI: 10.1051/0004-6361/200912641
Abstract: http://dx.doi.org/10.1051/0004-6361/201118019
Besprechung in Nature News vom 25. September 2012 "Double stars succumb to fatal attraction"