Statement von Prof. Katrin Amunts zum Einsatz der molekularen Genschere CRISPR/Cas9 an zwei Mädchen
Jülich, 28. November 2018 - Nach Angaben des Forschers Jiankui He von der Universität Shenzhen in China sind im November die ersten durch Einsatz der molekularen Genschere CRISPR/Cas9 genetisch manipulierten Menschen geboren worden. Bei zwei Mädchen sei noch im Embryonalstadium ein Gen für einen Rezeptor des Immunsystems gezielt entfernt worden, um sie resistent gegen HIV-Infektionen zu machen. Die Veränderung wird auch an spätere Nachkommen vererbt.
Dazu stellt Katrin Amunts, stellvertretende Vorsitzende des Deutschen Ethikrats, fest:
„Das Genom der beiden Mädchen, die nach Angaben der Forscher mit CRISPR behandelt wurden, wurde durch einen Eingriff in die Keimbahn unter Anwendung einer noch sehr neuen, experimentellen Technik verändert. Offenbar war die Genom-Editierung nur bei einer von ihnen vollständig. Mögliche Folgen dieses Eingriffs für ihre weitere Entwicklung sind schwer absehbar und werden sich möglicherweise erst in vielen Jahren zeigen. Allein deshalb handelt es sich um eine ethische Grenzverletzung, die scharf zu verurteilen ist.
Darüber, ob solch ein Eingriff, auch wenn man die möglichen Risiken beherrschen würde, überhaupt sinnvoll und notwendig wäre, wird gerade intensiv diskutiert. Klar ist auch, dass die Risiken eines solchen Eingriffs in die menschliche Keimbahn mit Änderungen, die an potentielle Nachkommen vererbt werden können, derzeit wenig kalkulierbar sind. Die große Mehrheit der wissenschaftlichen Gemeinschaft hatte sich deshalb dagegen ausgesprochen.
Bereits im vergangenen Jahr hatte der Deutsche Ethikrat der Bundesregierung empfohlen, sich für eine internationale Regulierung stark zu machen: www.ethikrat.org/fileadmin/Publikationen/Ad-hoc-Empfehlungen/deutsch/empfehlung-keimbahneingriffe-am-menschlichen-embryo.pdf. Im Frühjahr 2019 wird eine umfangreiche Stellungnahme zu diesem Thema folgen.
Die Chancen der Gen-Editierung für medizinische Zwecke sind groß. Öffentlicher Dialog und Bewusstseinsbildung sind Voraussetzung, um die Chancen realistisch einschätzen, aber auch übertriebenen Erwartungen und Ängsten entgegen treten zu können. Neben intensiven Forschungsanstrengungen auf diesem Gebiet ist eine breite, differenzierte und verantwortungsvoll geführte Debatte in der Gesellschaft notwendig. Es ist wichtig, dass diese nicht durch das unverantwortliche Handeln Einzelner unmöglich gemacht wird, die uns vor vollendete Tatsachen stellen wollen.
Eine Selbstverpflichtung der Wissenschaft allein reicht hierbei augenscheinlich nicht mehr aus. Im vorliegenden Fall wurden die Regeln ethischer, biomedizinischer Forschung bewusst umgangen und Kontrollmechanismen ausgehebelt. Die Politik ist gefragt, auf nationaler und internationaler Ebene hier regulatorisch zu wirken.