Mathematische Modelle als Erklärungsansatz

Ob Seherlebnisse, Gerüche oder gesprochene Worte: Sämtliche Sinneseindrücke und kognitiven beziehungsweise emotionalen Eindrücke werden im Gehirn verarbeitet. Dies geschieht, indem die Informationen in Form von elektrischen Impulsen blitzschnell von einer der etwa 86 Milliarden Nervenzellen zur anderen weitergeleitet werden. Jede Nervenzelle, auch Neuron genannt, hat wiederum bis zu 10.000 Eingangsbereiche, so genannte Synapsen. Das Gehirn ist also eine gigantisch große Schaltzentrale.

Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Jülicher Instituts für Neurowissenschaften und Medizin "Computational and Systems Neuroscience" (INM 6) entwickeln unter anderem vereinfachte Modelle der Nervenzellen, die aber die Vielzahl neuronaler Schaltungen exemplarisch abbilden. So lässt sich nachvollziehen, ob die unterschiedliche Aktivität von Nervenzellen in der Netzwerkstruktur begründet liegt oder einfach Folge der Eigenschaften der einzelnen Zellen ist. Die Modellreduktion ermöglicht zudem, künstlich veränderte Varianten von Gehirnaktivität - wie sie beispielsweise im Rahmen einer neurodegenerativen Erkrankung auftreten - und deren Auswirkungen auf das gesamte neuronale Netzwerk zu beobachten.

Um größere neuronale Schaltkreise am Rechner simulieren zu können, entwickeln die Jülicher Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler gemeinsam mit anderen Forschern die Software NEST stetig weiter. Die weltweit operierende NEST-Initiative wurde 2001 gegründet. Ihre Mitglieder haben es sich zum Ziel gesetzt, die Simulationstechnologie kontinuierlich zu verbessern und diese der wissenschaftlichen Community kostenlos zur Verfügung zu stellen.

Um Simulationstechnologie und Supercomputer für Neurowissenschaftler besser zugänglich zu machen und Simulationswerkzeuge, in denen jahrzehntelange Erfahrung gebündelt ist, langfristig zu pflegen, hat das Forschungszentrum Jülich das Simulation Lab Neuroscience gegründet, welches mit seinen Aufgaben als "Bernstein Facility Simulation and Database Technology" im nationalen Bernstein Netzwerk Computational Neuroscience eine Sonderrolle einnimmt.

Die neuen Erkenntnisse über die Abläufe im Gehirn fließen auch in das mit Mitteln der Europäischen Union geförderte Forschungsprojekt BrainScaleS ein, an dem das Wissenschaftsteam des INM 6 ebenfalls beteiligt ist. BrainScaleS hat das Ziel, die Funktionsprinzipien und Energieeffizienz des Gehirns zu analysieren und als Vorbild zu nutzen, um noch leistungsfähigere und energieeffizientere Computer zu entwickeln.

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Letzte Änderung: 12.08.2024