In Jülich wird der leistungsstärkste Supercomputer Europas aufgebaut. Ein innovatives Gebäudekonzept erlaubt es, den Exascale-Rechner JUPITER flexibel zu modifizieren.
Der 15. Juni 2022 war ein bedeutsames Datum für das Forschungszentrum. An diesem Tag entschied die europäische Supercomputing-Initiative EuroHPC JU, dass der erste europäische Hochleistungsrechner der Exascale-Klasse in Jülich entstehen wird. Benedikt von St. Vieth leitet am Jülich Supercomputing Centre (JSC) die Abteilung, die für den Aufbau und den Betrieb der gigantischen Rechenmaschinen zuständig ist.
Im kommenden Winter soll der Neuzugang JUPITER eingeweiht werden, erklärt der Experte: "Es handelt sich um einen Exascale-Rechner. Er kann pro Sekunde eine Trillion Rechenoperationen ausführen. Das ist eine 1 mit achtzehn Nullen. Dafür bräuchten Sie zehn Millionen Notebooks. Bisher gibt es nur zwei öffentlich bekannte Computer dieser Leistungsklasse, beide stehen in den USA."
Die ersten Planungen für einen Exascale-Rechner am Standort Jülich begannen 2019. Als drei Jahre später die Entscheidung fiel, hatten sich jedoch die Voraussetzungen geändert: "Durch die Pandemie und den Angriffskrieg auf die Ukraine waren die Preise und damit auch die Baukosten explodiert", erinnert sich von St. Vieth. Und damit stand das bisherige Konzept für das Rechenzentrum, das den neuen Supercomputer beherbergen sollte, zur Disposition.
Ursprünglich war geplant, ein mehrstöckiges Gebäude zu errichten. Eine zentrale Infrastruktur hätte JUPITER mit Strom und Kühlwasser versorgt. Doch nicht nur die Kosten sprachen inzwischen gegen solch eine Standardlösung, sondern auch der enge Zeitrahmen bis zur Inbetriebnahme. "Daher haben wir uns entschieden, kein klassisches Rechenzentrum zu errichten, sondern ein modulares Gebäude in Containerbauweise. Das geht schneller und ist günstiger", sagt Benedikt von St. Vieth.
Besonders gut für KI geeignet
JUPITER ermöglicht der Wissenschaft, Simulationen so detailliert zu berechnen wie noch nie zuvor. Seien es umfassende Berechnungen zur Klimaforschung, zur Strömungsmechanik oder Molekulardynamik. Eine wichtige Rolle kommt dabei den KI-Algorithmen zu, sagt Prof. Thomas Lippert, Direktor des Jülich Supercomputing Centre: "JUPITER wird sich hervorragend für Anwendungen der Künstlichen Intelligenz eignen." Im Kern von JUPITER rechnet ein Booster-Modul mit rund 24.000 GPUs (Grafikprozessoren) von NVIDIA, die speziell auf KI-Anwendungen zugeschnitten sind. Unterstützt wird dieses von einem Cluster-Modul, das sich für universelle Aufgaben eignet. Durch die modulare Systemarchitektur, die in Jülich schon vor etlichen Jahren als Software entwickelt wurde, können beide Komponenten auch Hand in Hand arbeiten und damit besonders effektiv rechnen.
Am grundlegenden Aufbau des Superrechners ändert sich durch die neuartige Bauweise zunächst einmal nichts. Das Gebäude wird auf einer Fläche von ungefähr einem halben Fußballfeld stehen. Es wird aus rund 50 Containern aufgebaut, die von dem IT-Unternehmen Eviden (Atos-Gruppe) gefertigt und geliefert werden. Auf den ersten Blick ähneln sie den Metallkästen, wie man sie von Überseefrachtern kennt sagt der Experte: "Es sind aber Spezialanfertigungen in Überlänge. Immer zwei Container werden zu einem IT-Modul miteinander kombiniert. Solch ein Doppelcontainer enthält 20 Computerracks. Das sind die Schränke, in denen die über 7.000 Server untergebracht sind." Jedes Modul besitzt eigene Transformatoren für die Stromversorgung und eine eigene Infrastruktur zur Kühlung. Dabei handelt es sich um eine nachhaltige Warmwasserkühlung: Das Wasser erhitzt sich von 36 auf über 40 Grad Celsius. Über einen Wärmetauscher kann die thermische Energie genutzt werden, um beispielsweise Heizungsanlagen auf dem Campus zu versorgen.
"Mittlerweile sind wir überzeugt, dass wir mit dem modularen Aufbau von JUPITER wegweisend sind“, sagt Benedikt von St. Vieth. „Natürlich könnte die Containerbauweise auch Nachteile haben, was die Exposition gegenüber der Natur angeht. Regenwasser könnte eindringen. Doch wir denken nicht, dass das zu einem Problem wird.“ Der Vorteil der Modularbauweise: Sie ermöglicht eine hohe Flexibilität. Einzelne Container lassen sich verhältnismäßig einfach austauschen, um die Gesamtanlage auf neue Anforderungen hin zu optimieren. Von St. Vieth: „Schon die nächste Rechnergeneration mit deutlich höheren Anforderungen ließe sich modulweise leicht in die Gesamtarchitektur integrieren. Klassische Rechenzentren, die vor zehn bis 20 Jahren errichtet wurden, stoßen dagegen bei solchen Ausbaumaßnahmen an ihre Kapazitätsgrenzen, was Stromversorgung und Wärmeableitung angeht."
Durch die Containerbauweise besteht auch die Möglichkeit, in Zukunft Module zu integrieren, die auf einer ganz anderen Rechentechnik basieren. Etwa Quantencomputer oder neuromorphe Systeme, die von der Funktionsweise des menschlichen Gehirns inspiriert sind, erklärt Benedikt von St. Vieth: "Zum jetzigen Stand sind solche alternativen Konzepte, die über das binäre Computing hinausgehen, für JUPITER nicht vorgesehen. Würde solch ein Modul aber kommen, könnte man es über die Containerbauweise ohne Probleme integrieren. Nicht schlecht für ein Konzept, das eigentlich als Notlösung gedacht war."