Kagome-Gitter nach Wunsch
Ein neuer Prozess, genannt “Kagomerisierung“, ermöglicht erstmals die Herstellung „echter“ 2D-Kagome-Gitter
18. Juli 2024
Kagome ist ein traditionelles japanisches Flechtmuster aus Bambus. Erstaunlicherweise können auch Quantenmaterialien solche Kagome-Strukturen ausbilden. Dabei handelt es sich um zweidimensionale Netzwerke von Dreiecken, die über Eck miteinander verknüpft sind. Für die Festkörperphysik sind derartige Strukturen eine spannende Möglichkeit, nichttriviale Quantenzustände zu erzeugen, die durch elektronische Korrelationen hervorgerufen werden, wie etwa unkonventionelle Formen der Supraleitung, Ladungs- und Spindichtewellen sowie ungewöhnliche magnetische Zustände wie Quantenspinflüssigkeiten.
Während Kagome-Gitter eigentlich eine reine 2D-Geometrie aufweisen, ließen sie sich bisher nur in 3D als komplexe multi-atomare Verbindungen realisieren, die sich nicht direkt auf die Physik der 2D-Kagome-Gittern zurückführen lassen. Auf der Suche nach einem 2D-Kagome-Material haben Forschende des Forschungszentrums Jülich gemeinsam mit chinesischen Partnern nun ein neues Verfahren vorgestellt, mit dem sich einatomige Filme herstellen lassen, die ein echtes 2D-Kagome-Gitter ausbilden.
Wissenschaftliches Ergebnis
In ihrer Arbeit, die in der Fachzeitschrift Nature Communications veröffentlicht wurde, beschreiben die Forschenden einen neuartigen Herstellungsprozess, den sie als "Kagomerisierung" bezeichnen und der durch Hochdurchsatzsimulationen nachgewiesen wurde. Der Prozess führt zu einer strukturellen Umordnung von einatomigen Schichten aus Übergangsmetallen, um daraus ein Kagome-Gitter zu bilden. Ermöglicht wird dies durch die geschickte Kombination von Grenzflächen. Die Monolagen aus einem Übergangsmetall sind mit einem 2D-Material, hexagonalem Bornitrid, überzogen. Der Prozess ist universell für verschiedene Übergangsmetallschichten anwendbar, die auf Oberflächen von Schwermetallen aufgebracht werden. Die verwendeten Materialien werden üblicherweise auch in der Spintronik eingesetzt, bei der das magnetische Moment des Elektrons für die Informationsverarbeitung nutzbar gemacht werden soll.
Ein überraschendes Ergebnis ist, dass die hexagonale Bornitridschicht eine wesentliche Rolle für den Prozess der „Kagomerisierung“ spielt. Bisher galt sie unter Wissenschaftler:innen als passive Schicht. Die neu entdeckten Kagome-Strukturen weisen vielfältige interessante elektronische und magnetische Eigenschaften auf. Sie können unter anderem so genannte topologische magnetische Knoten wie Skyrmionen und Meronen hervorbringen. Diese einzigartigen topologischen Teilchen sind vielversprechend als magnetische Bits für die nächste Generation von Geräten zur Informationsspeicherung und -verarbeitung.
Gesellschaftliche und wissenschaftliche Relevanz
Die neuen Erkenntnisse bieten weitreichende neue Perspektiven für die Realisierung und Erforschung von Kagome-Gittern und der zugrundeliegenden Verflechtung von Topologie, Elektronenkorrelationen und Magnetismus. Die tiefgreifenden Auswirkungen auf magnetische Eigenschaften, die wie beobachtet durch Magnetfelder beeinflusst werden können, eröffnen vielversprechende Anwendungsmöglichkeiten im Bereich der Informationstechnologie. Die Forschenden gehen davon aus, dass es möglich sein wird, mit Hilfe von Techniken wie der Lithographie Materialschichten mit und ohne hexagonalem Bornitrid herzustellen. Diese unterschiedlichen Materialien versprechen, topologische Zustände zu erzeugen, die als grundlegende Komponenten in spintronischen Schaltkreisen eingesetzt werden können.
Originalpublikation
Zhou, H., dos Santos Dias, M., Zhang, Y. et al.
Kagomerization of transition metal monolayers induced by two-dimensional hexagonal boron nitride.
Nat Commun (2024), DOI: 10.1038/s41467-024-48973-z
Ansprechperson
Prof. Dr. Samir Lounis
Head of Funsilab and Scientific Staff at Peter Grünberg Institute (PGI-1), Professor of Theoretical Physics at University of Duisburg-Essen
- Peter Grünberg Institut (PGI)
- Quanten-Theorie der Materialien (PGI-1)
Raum 156