Vier Fragen zum neuen Quantensensor
25. Juli 2024
Forschende des Forschungszentrums Jülich und des koreanischen IBS Center for Quantum Nanoscience (QNS) haben einen neuen Quantensensor entwickelt und damit einen lang gehegten Traum der Wissenschaft erfüllt: Sie haben ein MRT-ähnliches Werkzeug für Quantenmaterialien geschaffen. Dr. Taner Esat vom Jülicher Peter Grünberg Institut (PGI-3) erklärt, was es damit auf sich hat.

Dr. Taner Esat, was genau ist ein Quantensensor und was kann man damit machen?
Die Anwendungsgebiete von Quantensensoren sind vielfältig: Magnetometrie, Zeit- und Frequenzmessung sowie Schwerkraftmessung sind nur einige Beispiele. Insgesamt bietet die Quantensensorik ein enormes Potenzial für wissenschaftlichen und technologischen Fortschritt, da sie die Grenzen der Empfindlichkeit immer weiter verschiebt.
Die Quantensensorik nutzt quantenmechanische Effekte zur präzisen Messung physikalischer Größen. Derartige Sensoren übertreffen konventionelle Sensoren oft in Genauigkeit und Empfindlichkeit. Ein Beispiel dafür ist der Spin eines Elektrons, der sich in einem Magnetfeld wie ein kleiner Magnet verhält. Der Spin kann nur zwei Orientierungen einnehmen, nämlich entlang oder entgegen dem Magnetfeld. Diese Zustände nennt man Spin Up und Spin Down. Um die Ausrichtung eines Spins umzukehren, muss Energie zugeführt werden, da die Ausrichtung entlang des Magnetfeldes energetisch bevorzugt ist. Die entgegengesetzte Ausrichtung wird dagegen durch eine Energiebarriere verhindert. Dies führt zu verschiedenen, klar unterscheidbaren Energiezuständen des Spins im Magnetfeld – ein Phänomen, das als Zeeman-Effekt bekannt ist. Der Energieunterschied hängt von der Stärke des Magnetfeldes ab. Das heißt, er ist einstellbar und kann für präzise Messungen genutzt werden. In unserem neuartigen Quantensensor machen wir uns genau dies zunutze. Wir lesen die Energiedifferenz zwischen den beiden Spinzuständen mit einer Technik namens Elektronenspinresonanz aus und rekonstruieren daraus das Magnetfeld eines einzelnen Atoms.
Inwiefern kann man hier auch von einem Durchbruch sprechen?
Die Quantensensorik hat sich in den letzten Jahrzehnten rasant entwickelt. Einer der am weitesten fortgeschrittenen Sensoren basiert auf Defekten im Diamantgitter und ist empfindlich für magnetische Felder, elektrische Felder und sogar Unterschiede in der Temperatur. Die Empfindlichkeit für magnetische Felder wurde extrem gesteigert. Das ging bis zum Nachweis einzelner Elektronen- und Kernspins. Eine faszinierende Entwicklung.
Allerdings war die räumliche Auflösung bei dieser Technik durch die Größe der Sensoren begrenzt, da die Defekte mehrere Nanometer tief im Diamantkristall liegen müssen. Aus diesem Grund war es nicht möglich, die räumliche Auflösung bis auf die atomare Skala zu erhöhen. Mit unserem neuen Ansatz ist uns genau das gelungen. Wir haben ein Molekül, in dem ein Elektronenspin gefangen ist, auf die Spitze eines Rastertunnelmikroskops positioniert und es erfolgreich als Sensor eingesetzt. Unsere Methode ermöglicht es, den Sensor bis auf wenige Atomabstände an einzelne Atome heranzuführen und deren elektrische und magnetische Eigenschaften präzise zu messen - mit einer Ortsauflösung besser als ein Angström, dem typischen Durchmesser eines Atoms. Ein lang gehegter Traum vieler Wissenschaftler.
Die Idee stammt von Ihnen, die Messungen wurden in Südkorea durchgeführt. Wie wichtig sind solche internationalen Kooperationen und wie läuft so eine Zusammenarbeit genau ab?
Die erste Idee für den Quantensensor hatten wir hier in Jülich bereits 2018 nach den ersten Experimenten mit einzelnen, aufrecht stehenden Molekülen. Wir vermuteten schon damals, dass diese Moleküle einen langlebigen Spin besitzen, der als Sensor genutzt werden kann. Etwa zur gleichen Zeit kombinierte die Forschungsgruppe von Andreas Heinrich Elektronenspinresonanz und Rastertunnelmikroskopie, um einzelne Spins auf Oberflächen zu detektieren und zu manipulieren.
Fasziniert davon ging ich als Postdoc zu ihm nach Südkorea, um die Methodik zu erlernen. Danach kehrte ich nach Jülich zurück und setzte meine Arbeit an stehenden Molekülen fort. Inzwischen hatten wir unser Quantenmikroskop fertiggestellt, mit dem wir den Spin in diesen Molekülen nachweisen konnten. Mit diesen neuen Erkenntnissen im Gepäck reiste ich zu einem Forschungsaufenthalt nach Südkorea – der Startschuss für unsere Zusammenarbeit. Durch Bündelung unserer Kompetenzen in der Einzelmolekülmanipulation und Elektronenspinresonanz gelang es uns, den ersten Quantensensor für die atomare Welt zu entwickeln.
Viele Experimente, aber auch die Entwicklung neuer Methoden erfordern heutzutage die Kombination verschiedener Expertisen. Man muss über den eigenen Tellerrand hinausschauen und bereit sein, Neues zu lernen und anzuwenden. Eine Möglichkeit dazu sind Kooperationen. In unserem Fall war die Zusammenarbeit recht einfach. Ich kannte die Leute, die Instrumente und auch das Land und die Kultur bereits aus meiner Zeit als Postdoc. Das hat vieles erleichtert. Wir konnten sofort mit den Experimenten beginnen und hatten tatsächlich schon in der ersten Woche nach meiner Ankunft erste Ergebnisse zum Quantensensor. Besser hätte man es sich nicht wünschen können.
Der neue Quantensensor schafft faszinierende Möglichkeiten – in Zukunft auch am Forschungszentrum Jülich?
In den nächsten Monaten werden wir ein vom BMBF gefördertes Millikelvin-Rastertunnelmikroskop fertigstellen. Dieses Instrument wird es uns ermöglichen, Temperaturen von 10 mK zu erreichen und Elektronenspinresonanz-Experimente durchzuführen. Damit ist es in idealer Weise geeignet, um die Experimente mit den neuartigen Quantensensoren auch in Jülich weiterführen zu können. Wir haben auch viele neue Ideen, wie wir den Quantensensor nutzen und auch weiterentwickeln können. Wir wollen ihn zum Beispiel für die Untersuchung neuer Quantenmaterialien, für Quantensimulationen mit einzelnen Atomen auf Oberflächen und darüber hinaus als mobiles Qubit einsetzen.