Cornelia R. Karger, Bärbel Hüsing: Personalisierte Medizin im Gesundheitssystem der Zukunft. Einflußfaktoren und Szenarien.
Schriften des Forschungszentrum Jülich; Reihe Gesundheit; Band 44
Jülich 2011
99 Seiten / kartoniert
ISBN: 978-3-89336-743-6
Zusammenfassung
Entwicklungen in der Biomedizin könnten in Zukunft eine Medizin ermöglichen, die frühzeitig Erkrankungsrisiken noch vor Auftreten klinischer Symptome identifiziert, und "maßgeschneiderte" Therapieoptionen zur Verfügung stellt. Ob sich solche Erwartungen über die heutigen Möglichkeiten hinaus tatsächlich realisieren, ist ebenso unsicher wie die Konsequenzen, die eine solche personalisierte Medizin nicht nur für den einzelnen Patienten, sondern für das gesamte Gesundheitssystem haben würden.
Im Rahmen eines strukturierten Szenario-Prozesses wurden Triebkräfte, die die Zukunft der personalisierten Medizin im deutschen Gesundheitssystem beeinflussen, identifiziert und vier Szenarien eines personalisierten Gesundheitssystems im Jahre 2025 erarbeitet . Das Szenario „Medizinische Erfolge durch eine fortschrittsorientierte Gesellschaft“ unterstellt weitreichende wissenschaftliche Erfolge bei gleichzeitig aktiver Mitwirkung der Patienten, diese auch in Anspruch zu nehmen. Das Szenario „Personalisierte Medizin im paternalistisch geprägten Gesundheitssystem“ impliziert eine starke staatliche Steuerung des Gesundheitswesens. Prävention ist die tragende Säule dieses Szenarios. Die personalisierte Medizin bietet in diesem Szenario den Ausganspunkt für die Einführung eines Präventionsgebotes mit Anreiz- und Sanktionsmodellen. Im Szenario „Chance durch Vielfalt? Ein freier Markt für die Personalisierte Medizin“ wird dagegen die Erforschung, Entwicklung, Vermarktung und Anwendung der personalisierten Medizin weitgehend als Angelegenheit privatwirtschaftlicher Akteure gesehen. Während im paternalistisch geprägten Szenario eine hohe Qualität der Leistungserbringung bei gleichzeitiger enger Begrenzung des Angebotes an diagnostischer und therapeutischer Verfahren zur Verfügung steht, besteht im nachfrageorientierten Szenario zwar eine hohe Vielfalt jedoch von heterogener Qualität. Das Vorsichtsszenario “Skepsis gegenüber Personalisierter Medizin” thematisiert eine eher ablehnende Haltung gegenüber der personalisierten Medizin und stellt den sozialen Zusammenhalt einer Medikalisierung der Gesellschaft gegenüber.
Die Zukunftsszenarien lieferten die Grundlage dafür zu analysieren, welche Entwicklungen als wünschenswert oder eher als problematisch anzusehen sind. Die Bewertung jedes der vier entwickelten Zukunftsszenarien zur „Medizin nach Maß“ zeigt, dass eine der wesentlichen Chancen einer personalisierten Medizin in der Möglichkeit zur frühzeitigen Identifizierung von Risikopersonen und damit zur Prävention gesehen wird. Risiken liegen vor allem in der Medikalisierung von Risikopatienten und in der Schwierigkeit, den Zugang zu Leistungen solcher Innovationen für alle zu gewährleisten. Die Entwicklung wissenschaftlich-fortschrittlicher Technologien, Diagnose- und Therapieoptionen gepaart mit einer hohen Qualität der Leistungserbringung setzt nicht nur gute Bedingungen für Innovationen voraus, sondern macht zugleich weitreichende Maßnahmen zur Gewährleistung informationeller Selbstbestimmung in gesundheitsbezogenen Entscheidungen erforderlich.