Neutronen für die Forschung

Forschungszentrum Jülich präsentiert Zukunftsprojekt Europäische Spallations-Neutronenquelle (ESS) auf Hannover Messe

[24. April 2001]

Neutronen für die Forschung werden in Zukunft knapp. Deshalb setzt sich das Forschungszentrum Jülich für den Bau einer innovativen Neutronenquelle ein: Vor dem drohenden Neutronenmangel soll ein europäisches Gemeinschaftsprojekt helfen, die Spallations-Neutronen-Quelle (ESS). Doch was verbirgt sich hinter diesem Forschungsgerät, was sind überhaupt Neutronen, wozu brauchen wir Neutronenforschung? Eine Ausstellung zur ESS, die vom 23. bis zum 28. April 2001 auf der Hannover Messe zu sehen ist, versucht Antworten auf die vielen Fragen rund um die ESS zu geben (Gemeinschaftsstand Forschungsland NRW, Halle 18, M 12, 1.OG). Das Forschungszentrum Jülich bewirbt sich nachdrücklich als Standort für die ESS.

Forscher brauchen Neutronen. Denn als elektrisch ungeladene Teilchen sind Neutronen besonders sanfte Sonden: Sie dringen tief in Materie ein - in Metall ebenso wie in Gewebe - und offenbaren so den inneren Aufbau des jeweiligen Stoffs. Nur wenn dieser bekannt ist, können die Forscher neue Materialien mit ganz bestimmten Eigenschaften entwickeln. Neutronen werden in Zukunft knapp. Grund: Viele Forschungsreaktoren, die zurzeit Neutronen liefern, werden in den kommenden Jahren aus Altersgründen abgeschaltet. Dem steht ein wachsender Bedarf an Neutronen für immer mehr Forschungsgebiete gegenüber. Denn Neutronen können Dinge "sehen", die für das menschliche Auge nicht erkennbar sind.

Neutronen "sehen" elementare Magnete. Hartmagnete und Permanentmagnete, wie wir sie aus dem Alltag kennen, sind auf atomarer Skala aus noch kleineren Magneten aufgebaut, den Elementarmagneten. Mit Kenntnissen, die Forscher über Elementarmagnete mit Hilfe von Neutronen gewonnen haben, können sie neue magnetische Materialien entwickeln. Magnetische Werkstoffe sind sehr begehrt. Sie werden zum Beispiel für Elektromotoren benötigt, für Computerfestplatten, Sensoren und Kreditkarten.

Neutronen machen Spannungen in Material sichtbar. Für viele Ingenieure ist es wichtig zu wissen, ob sich in einem Werkstoff Spannung aufgebaut hat. Denn Spannungen innerhalb eines Materials können zu Materialermüdung und -versagen führen. Werkstoffe für Flugzeuge und Eisenbahnen können mit Neutronen auf innere Spannung hin untersucht werden. Durch Neutronen wird sichtbar, welche Bereiche der "Flugzeughaut" oder Schiene unter Zug, welche unter Kompression stehen und geben den Ingenieuren so wertvolle Information für eine verbesserte Auslegung von Konstruktion und Fertigung.

Mit Hilfe von Neutronen kann die Textur von Knochen bestimmt werden. Unter der Textur versteht man die bevorzugte Ausrichtung von Kristalliten - kleinster Kristalle - im Knochen. Im Experiment mit Neutronen zeigte sich, dass die Festigkeit von Knochen stark mit der Ausrichtung der Kristallite innerhalb der knochenbildenden Substanz verknüpft ist. Untersuchungen an Knochen nach einem Bruch ergaben, dass es - auch wenn der Bruch schnell heilt - viele Monate dauert, bis die ursprüngliche Textur und damit die volle Festigkeit des Knochens wieder erreicht ist.

Momentan werden die begehrten Neutralteilchen überwiegend mittels Kernspaltung in Forschungsreaktoren erzeugt. In der geplanten ESS werden die Neutronen durch die Spallation schwerer Atomkerne freigesetzt. Bei der Spallation werden Protonen (positiv geladene Kernteilchen) mit nahezu Lichtgeschwindigkeit auf einen Atomkern geschossen. Der Atomkern wird dadurch angeregt (aufgeheizt) und gibt Neutronen ab. Dies ist eine sehr viel elegantere, sicherere und effektivere Methode der Neutronenerzeugung als die mittels Kernreaktor. Die ESS benötigt zum Betrieb keine Brennelemente, und in Spallationsquellen läuft auch keine Kettenreaktion ab.

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Bei seiner Bewerbung als Standort für die Europäische Spallations-Neutronenquelle (ESS) genießt das Forschungszentrum Jülich die Unterstützung der Landesregierung Nordrhein-Westfalen. Im Vordergrund ein Modell der geplanten Anlage.
Forschungszentrum Jülich

Bei seiner Bewerbung als Standort für die Europäische Spallations-Neutronenquelle (ESS) genießt das Forschungszentrum Jülich die Unterstützung der Landesregierung Nordrhein-Westfalen. Im Vordergrund ein Modell der geplanten Anlage.

Foto: Forschungszentrum Jülich

Letzte Änderung: 19.05.2022