Smarter Rechner für die Energiewende
Bayreuth/Jülich, 31. Juli 2018 – Der Ausbau erneuerbarer Energien bringt das deutsche Stromnetz zunehmend an seine Grenzen. Insbesondere in Norddeutschland werden große Mengen an Windstrom eingespeist: zu Spitzenzeiten oftmals mehr, als über Stromleitungen in den Süden und Westen des Landes transportiert werden kann, wo viele große Verbraucher sitzen. Experten des Jülich Supercomputing Centre (JSC) haben nun gemeinsam mit dem Übertragungsnetzbetreiber TenneT TSO GmbH ein spezielles Computersystem entwickelt. Es soll dazu beitragen, das über Jahrzehnte gewachsene Stromnetz an die Anforderungen durch die Energiewende anzupassen. Der Netzbetreiber nutzt für den Ausbau Computersimulationen der Lastflüsse im Stromnetz, die sich mit dem neuen System um das über 30-fache beschleunigen lassen.
Die TenneT TSO GmbH mit Sitz in Bayreuth ist eines von vier Unternehmen in Deutschland, die für den Betrieb des überregionalen Stromnetzes zuständig sind. Experten des Jülich Supercomputing Centre (JSC) haben in einer dreijährigen Kooperation mit TenneT nun ein hybrides Rechnersystem entwickelt: Das „Smart Performance Cluster“ ist speziell auf die vom Unternehmen eingesetzten Anwendungen zugeschnitten und stellt Ressourcen für Windows- und Linux-Software unter einer Oberfläche bereit.
„Mit dem neu entwickelten System sind wir in der Lage, zahlreiche Berechnungen parallel auszuführen. Dadurch bleibt mehr Zeit, die Berechnungsergebnisse in weiteren Dimensionen zu analysieren und neue Erkenntnisse zu erhalten. Zudem sind manche Berechnungen überhaupt erst durch die Einführung des neuen Systems möglich geworden, weshalb wir die Kooperation mit dem JSC als außerordentlich erfolgreich bewerten“, erklärt Stefan Schuh, der seitens TenneT für die Kooperation verantwortlich ist.
Der Netzbetreiber setzt umfangreiche Simulationswerkzeuge ein, um den Bau und die Dimensionierung neuer Stromleitungen zu planen. Zur Stabilisierung des Netzbetriebs ist es wegen Netzengpässen immer wieder notwendig, dass Kraftwerke, Windräder und Photovoltaik-Anlagen zeitweise leistungsbegrenzt werden müssen. Die Abregelung erneuerbarer Energien erfolgt dabei nur im Notfall, als letzte Maßnahme, bei andauernder Überlastung. Dennoch nahm die Menge an Ökostrom, in erster Linie aus der Windkraft, die durch das sogenannte Einspeisemanagement verloren geht, in den letzten Jahren rapide zu. Im Rekordjahr 2017 entsprach sie in etwa 5 Prozent des gesamten erzeugten Windstroms.
Deutschlandweit entstanden für die Netzstabilisierung im Jahr 2017 Kosten von rund 1,4 Milliarden Euro. Dabei handelt es sich um zusätzliche Aufwendungen, die sich nach Aussagen der Bundesnetzagentur langfristig nur durch einen Netzausbau senken lassen[1]. Für die optimale Anpassung und Auslegung neuer Leitungen strebt TenneT eine Simulation und Optimierung der Lastflüsse im gesamten Netz über ein ganzes Jahr hinweg an. Mit der bisherigen Technik – die Simulationssoftware lief auf klassischen Servern – wäre die dazu notwendige, massive Steigerung der Rechenleistung allerdings nicht zu realisieren gewesen; auch aufgrund der Komplexität des deutschen Energiesystems, die im Zuge der Energiewende enorm gestiegen ist.
Experten des JSC konnten nun im Rahmen einer Auftragsarbeit für die TenneT TSO GmbH ihre Kenntnisse im Bereich des High Performance Computing (HPC) einbringen und ein System entwickeln, das der Problemstellung gerecht wird. Gemeinsam mit einem IT-Dienstleister und Entwicklern der Simulationssoftware haben sie die TenneT-Anwendungen für die parallele Bearbeitung durch eine Vielzahl von Prozessoren angepasst und einen Parallelrechner mit intelligenter Ressourcenverwaltung auf die Anforderungen des Bayreuther Unternehmens abgestimmt, mit dem sich die Simulationen und weitere Anwendungen signifikant beschleunigen lassen.
[1] Pressemitteilung der Bundesnetzagentur vom 18. Juni 2018
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