Erster europäischer Exascale-Superrechner kommt nach Jülich
EuroHPC JU, das European High Performance Computing Joint Undertaking, wählt das Forschungszentrum Jülich als Partner im deutschen Gauss Centre for Supercomputing aus, um den ersten europäischen Supercomputer der nächsten Generation zu betreiben.
Jülich, 15. Juni 2022 – Die Entscheidung ist gefallen. Das Forschungszentrum Jülich wird Standort des ersten europäischen Exascale-Rechners. Der Supercomputer soll als erster Rechner in Europa die Grenze von 1 Trillion Rechenoperationen pro Sekunde – einer „1“ mit 18 Nullen – brechen. Beschafft werden soll das System von der europäischen Supercomputing-Initiative EuroHPC JU. Der Exascale-Rechner wird dazu beitragen, bedeutende und drängende wissenschaftliche Fragen zu lösen, etwa zum Klimawandel, zur Bewältigung von Pandemien und zur nachhaltigen Energieerzeugung, und den intensiven Einsatz von Künstlicher Intelligenz sowie die Analyse großer Datenmengen ermöglichen. Die Gesamtkosten für das System belaufen sich auf 500 Mio. Euro. 250 Mio. Euro werden von der europäischen Supercomputing-Initiative EuroHPC JU und 250 Mio. Euro zu gleichen Teilen vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) und dem Ministerium für Kultur und Wissenschaft des Landes Nordrhein-Westfalen (MKW NRW) getragen.
Der Rechner mit dem Namen JUPITER, die Abkürzung steht für „Joint Undertaking Pioneer for Innovative and Transformative Exascale Research“, wird ab 2023 in einem eigens dafür errichteten Gebäude auf dem Campus des Forschungszentrums Jülich installiert werden. Als Betreiber ist das Jülich Supercomputing Centre (JSC) vorgesehen, dessen Superrechner JUWELS und JURECA aktuell bereits zu den leistungsfähigsten Supercomputern der Welt gehören. Das JSC hat als Mitglied des Gauss Centre for Supercomputing (GCS), ein Verein der drei nationalen Höchstleistungsrechenzentren JSC in Jülich, High-Performance Computing Center Stuttgart (HLRS) und Leibniz Rechenzentrum (LRZ) in Garching, an dem Bewerbungsverfahren für einen High-End-Supercomputer teilgenommen. Ausgerichtet wurde der Wettbewerb durch die europäische Supercomputing-Initiative EuroHPC JU, zu der sich die Europäische Union gemeinsam mit europäischen Ländern und privaten Unternehmen zusammengeschlossen hat.
Der Entschluss über den Standort des ersten europäischen Exascale-Rechners fiel gestern im finnischen Kajaani durch EuroHPC JU. Dort wurde zugleich Europas erster Prä-Exascale-Computer eingeweiht. LUMI, der seit Anfang Juni schnellste Rechner Europas, belegt den dritten Platz auf der aktuellen TOP500-Liste der leistungsfähigsten Rechner der Welt. An deren Spitze steht seit Mai offiziell erstmals ein Exascale-Rechner, der US-amerikanische Superrechner Frontier.
Mit JUPITER soll nun erstmals ein Superrechner in Europa den Sprung in die Exascale-Klasse schaffen. Dieser Superrechner wird von der Rechenleistung her stärker sein als 5 Millionen moderne Notebooks oder PCs. JUPITER wird wie der aktuelle Jülicher Spitzenrechner JUWELS auf einer dynamischen modularen Supercomputer-Architektur basieren, die das Forschungszentrum Jülich gemeinsam mit europäischen und internationalen Partnern in den europäischen DEEP-Forschungsprojekten entwickelt hat.
Bei einem modularen Superrechner werden unterschiedliche Rechenmodule miteinander gekoppelt. Dies ermöglicht es, Programmteile komplexer Simulationen auf mehrere Module zu verteilen, sodass die jeweils unterschiedlichen Hardware-Eigenschaften optimal zum Tragen kommen. Aufgrund der modularen Bauweise ist das System zudem gut darauf vorbereitet, Zukunftstechnologien wie Quantencomputer-Module oder neuromorphe Module, die die Funktionsweise des Gehirns nachbilden, zu integrieren.
JUPITER wird in seiner Ausgangskonfiguration über ein enorm rechenstarkes Booster-Modul mit hocheffizienten Grafikprozessor-basierten Rechenbeschleunigern verfügen. Massiv parallele Anwendungen lassen sich durch diesen Booster ähnlich wie durch einen Turbolader beschleunigen – beispielsweise um hochaufgelöste Klimamodelle zu berechnen, neue Materialien zu entwickeln, komplexe Zellprozesse und Energiesysteme zu simulieren, Grundlagenforschung voranzutreiben oder rechenintensive Machine-Learning-Algorithmen der neuesten Generation zu trainieren.
Eine große Herausforderung ist der Energiebedarf, der für eine derart große Rechenleistung erforderlich ist. Die erwartete mittlere Leistung beträgt bis zu 15 Megawatt. JUPITER ist als „grüner“ Rechner konzipiert und soll mit Ökostrom betrieben werden. Die vorgesehene Warmwasserkühlung soll dazu beitragen, dass JUPITER höchste Effizienzwerte erreicht. Zugleich eröffnet die Kühltechnologie die Möglichkeit, die entstehende Abwärme intelligent zu nutzen, etwa indem JUPITER wie das Vorläufersystem JUWELS an das neue Niedertemperaturnetz auf dem Campus des Forschungszentrums Jülich angeschlossen wird. Weitere Nutzungsmöglichkeiten für die Abwärme von JUPITER werden aktuell vom Forschungszentrum Jülich untersucht.
Stimmen zur Standortentscheidung
Hendrik Wüst, Ministerpräsident des Landes Nordrhein-Westfalen:
Jülich hat mit seiner herausragenden modularen Supercomputer-Architektur ein weiteres Mal überzeugt: Der europaweit erste Supercomputer der Exascale-Klasse kommt nach Nordrhein-Westfalen. Das ist eine Auszeichnung für die Wissenschaft und die Exzellenz insgesamt in unserem Land. Der Standort bietet alle Möglichkeiten für eine massive Ausweitung der Systemleistung, bis hin zu einer Integration von Quantenmodulen in den Exascale Rechner. Die Technologien, die heute noch in der Entwicklung sind, werden künftig die Anwendungen in allen Bereichen der Simulation hochkomplexer Systeme prägen, um zu immer verlässlicheren Aussagen zu kommen – in essentiell wichtigen Feldern wie Klima- und Hirnforschung, Verkehrssteuerung oder bei der Entwicklung von Evakuierungsszenarien für Großveranstaltungen. Mit dieser Spitzenforschung im Bereich Supercomputing haben wir alle Chancen, die großen Herausforderungen unserer Zeit zu lösen. Diese zukunftsweisende Entwicklung unterstützen wir als Landesregierung gerne.
Bettina Stark-Watzinger, Bundesministerin für Bildung und Forschung:
Ich freue mich sehr, dass der erste Exascale-Supercomputer in Europa nach Deutschland kommt. Er wird in Jülich betrieben werden und eine Rechenleistung von mehr als fünf Millionen modernen Notebooks haben. Als Chancenministerium fördern wir diesen Supercomputer gemeinsam mit der EU und Nordrhein-Westfalen mit insgesamt 500 Millionen Euro. Das ist eine große Investition in Deutschlands Forschungsinfrastruktur, mit der wir unsere technologische Souveränität ausbauen wollen. Der Rechner wird dazu beitragen, komplexe wissenschaftliche Fragen zu lösen und die Analyse riesiger Datenmengen ermöglichen. Das hilft uns etwa beim Klimaschutz, der Pandemiebekämpfung und der Entwicklung Künstlicher Intelligenz. In den nächsten Jahren werden zudem in Kooperation mit Bayern und Baden-Württemberg zwei weitere Exascale-Supercomputer in München und Stuttgart an den Start gehen.
Isabel Pfeiffer-Poensgen, Ministerin für Kultur und Wissenschaft des Landes Nordrhein-Westfalen:
Mit der Entscheidung, den ersten europäischen Exascale-Rechner in Jülich zu errichten, setzt sich die lange Erfolgsgeschichte des Höchstleistungsrechnens am Forschungszentrum Jülich fort. Schon heute zählt das FZJ mit Spitzen-Rechnern wie JUWELS und JURECA zu den innovativsten Höchstleistungsrechenzentren der Welt. Als erster europäischer Exascale-Standort wird Jülich diese internationale Spitzenposition weiter ausbauen. Denn klar ist: Ohne Supercomputer ist eine moderne Wissenschaft mittlerweile undenkbar. Sowohl in der Grundlagen- wie auch in der anwendungsorientierten Forschung wird die Bedeutung rechnergestützter Simulationsverfahren in den nächsten Jahren weiter zunehmen. Mit der möglichen Integration von Quantentechnologien schlägt der Exascale-Rechner zugleich eine Brücke zur großen Zukunftstechnologie des Quantencomputings. Als Mitglied des landesweiten Netzwerks „EIN Quantum NRW“ hat das Forschungszentrum – gemeinsam mit anderen starken Partnern aus Hochschule und Forschung in ganz Nordrhein-Westfalen - auch hier eine national und international wegweisende Rolle inne.
Prof. Dr.-Ing. Wolfgang Marquardt, Vorstandsvorsitzender des Forschungszentrums Jülich:
Mit dem Sprung Richtung Exascale arbeiten wir zusammen mit starken Partnern am Erhalt unserer digitalen Souveränität in Deutschland und Europa und tragen unseren Teil dazu bei, Deutschland als fortschrittlichen und starken Technologiestandort zu erhalten. JUPITER wird die wissenschaftliche Recheninfrastruktur in Nordrhein-Westfalen, Deutschland und Europa auf eine neue Stufe heben. Das Forschungszentrum Jülich erhält damit als Teil der Helmholtz Gemeinschaft ein neues Großgerät, von dem eine große Nutzergemeinschaft profitiert und dessen Beschaffung, Betrieb und wissenschaftliche Nutzung nur durch ein gesamteuropäisches Engagement sowie erhebliche Unterstützung durch den Bund und das Land möglich geworden sind.
Prof. Dr. Astrid Lambrecht, Mitglied des Vorstands des Forschungszentrums Jülich:
Das Erreichen von Exascale ist der nächste große Schritt auf dem Gebiet des High-Performance-Computing. Die Entscheidung für Jülich als Standort für den europäischen Exascale-Rechner wird dazu beitragen, das Forschungszentrum als herausragenden Standort für das Supercomputing und international sichtbare Entwicklungsstätte für zukunftsweisende Technologien weiter auszubauen. Unser Ziel ist es, die leistungsstärkste Infrastruktur Europas anzubieten, die neuromorphes Rechnen, Super- und Quantencomputing miteinander verknüpft, damit unterschiedliche Nutzergruppen aus Wissenschaft und Wirtschaft gemeinsam lernen, wachsen und voneinander profitieren können.
Prof. Dr. Dr. Thomas Lippert, Leiter des Jülich Supercomputing Centre am Forschungszentrums Jülich:
Die EuroHPC-Entscheidung ermöglicht es uns, diesen bedeutenden Schritt in Richtung Exascale in Kooperation mit Forschung und Industrie, wissenschaftlichen Nutzerinnen und Nutzern sowie Fördereinrichtungen gehen zu können. Es gibt immense Herausforderungen auf verschiedenen Ebenen, sowohl in technischer als auch in finanzieller Hinsicht. Es ist jedoch wichtig zu erkennen, dass wir über eine Maschine sprechen, die der gesamten Gesellschaft zugute kommen wird. Verkehrsoptimierung, autonomes Fahren, Umweltüberwachung bis hin zum digitalen Zwilling: All diese Herausforderungen sind extrem rechenintensiv und setzen neue Rechentechnologien voraus, wie wir sie mit dem modularen Exascale-System erschließen können.
Herausforderung Exascale
Auf der TOP500-Liste der schnellsten Supercomputer der Welt steht seit Mai 2022 erstmals ein System der Exascale-Klasse. Auch am Forschungszentrum Jülich arbeitet man intensiv an neuen Technologien, die einen solchen Sprung ermöglichen. Im Interview erläutern Prof. Thomas Lippert und Prof. Estela Suarez vom Jülich Supercomputing Centre, welche Herausforderungen ein solches System mit sich bringt.