Interview mit Dr. Felix Lüpke zu seinem Forschungsaufenthalt in den USA als Stipendiat der Alexander von Humboldt-Stiftung
„Wo viele gute Leute zusammenkommen, entsteht eine Eigendynamik!“

Dr. Felix Lüpke: Ich habe das Forschungsstipendium gegen Ende meiner Doktorandenzeit beantragt, als ich eine Anschlussstelle suchte. Voraussetzung für ein Feodor Lynen-Stipendium ist es, einen Gastgeber an einer Partnereinrichtung zu finden. Daher habe ich Kontakt mit einem Forscher am Oak Ridge National Laboratory in Tennessee aufgenommen, den ich bereits aus der Arbeit für meine Promotion kannte. Wir haben dann gemeinsam ein Forschungsvorhaben bei der Humboldt-Stiftung eingereicht, das thematisch an meine Doktorarbeit anschloss. Da es jedoch bis zu einem Jahr dauert, bis über einen solchen Antrag entschieden wird, und ich nicht so lange warten wollte, habe ich mich in der Zwischenzeit unter Vermittlung meines Doktorvaters Prof. Bert Voigtländer um eine Postdocstelle bei der Carnegie Mellon University in Pittsburgh, Pennsylvania, beworben und diese auch angetreten. Dort habe ich unter der Anleitung meiner Postdoc-Betreuer Prof. Randall Feenstra und Prof. Benjamin Hunt erfolgreich forschen können. Sechs Monate später habe ich auch die Zusage für das Feodor Lynen-Stipendium erhalten. Glücklicherweise gibt es die Option, den Beginn des Stipendiums um ein Jahr aufzuschieben. Das habe ich gemacht und bin dann nach anderthalb Jahren in Pittsburgh nach Oak Ridge gezogen.
Dr. Felix Lüpke: Sie hätten mich dort zwar gerne länger behalten, haben aber meine Motive verstanden. Ausschlaggebend für meinen Wechsel war für mich, dass ich in Oak Ridge im Vergleich zu Pittsburgh und Jülich wiederum an neuen Experimenten arbeiten konnte. Es war eine Chance, mein wissenschaftliches Profil weiter auszubauen. Diese gezielte Erweiterung der eigenen Fähigkeiten hat sich im weiteren Verlauf als essenziell herausgestellt. Allgemein gesagt, geht es in meiner Forschung um festkörperphysikalische Probleme; wir analysieren Oberflächen. Insbesondere konzentrieren wir uns auf Dünnfilme und Schichten, die nur wenige Atomlagen dick sind, wie zum Beispiel Graphen. Hier schauen wir uns im Rastertunnelmikroskop Quantenzustände an, die zweidimensional oder sogar eindimensional sind. Mit dem Team an der Carnegie Mellon University haben wir an Schichtstapeln, die aus verschiedenen isolierten zweidimensionalen Materialien gestapelt sind, gearbeitet. In Oak Ridge hingegen haben wir dann neuartige gewachsene Dünnfilme untersucht.
Dr. Felix Lüpke: Im Oktober 2019. Leider durfte ich ab März 2020 aufgrund der Coronapandemie nicht mehr ins Labor gehen und habe etwa ein halbes Jahr im Homeoffice gearbeitet. Dies war für mich als Experimentalphysiker eine enorme Einschränkung. In dieser Zeit war ich viel wandern und habe angefangen, Golf zu spielen, weil das praktisch der einzige Sport war, den man noch ausüben durfte: draußen und mit ausreichend Abstand zu anderen. Über das Golf habe ich Leute kennengelernt, mit denen ich auch heute noch Kontakt habe. Später konnten wir zumindest ab und zu mal für eine oder zwei Wochen wieder ins Labor.

Dr. Felix Lüpke: Bis Herbst 2020. Da es nicht absehbar war, wie sich die Situation weiterentwickeln würde, habe ich mich um eine Stelle in Jülich beworben. Den Kontakt zu meiner alten Arbeitsgruppe hatte ich während meiner Postdocs gehalten. Mit Unterstützung unseres Institutsleiters Prof. Frank Tautz haben wir unter anderem einen Antrag für ein Schwerpunktprogramm der Deutschen Forschungsgemeinschaft, DFG, geschrieben. Dieser wurde bewilligt und so habe ich den Postdoc in Oak Ridge nach circa einem Jahr abgebrochen und bin zurück ans Forschungszentrum Jülich gegangen. Hier bin ich nun Nachwuchsgruppenleiter und habe seitdem meine eigene Forschungsgruppe aufbauen können.
Dr. Felix Lüpke: Auf jeden Fall. Das Antragstellen ist recht unkompliziert, es genügen ein paar Seiten. Außerdem braucht man ein Schreiben vom Gastgeber. Beides habe ich in Absprache mit Prof. An-Ping Li, meinem Gastgeber in Oak Ridge, ausgearbeitet. Das hat super funktioniert. Meine Erfahrung ist, dass potenzielle Gastgeber gerne bereit sind, gute Wissenschaftler und Projekte bei der Antragstellung zu unterstützen, da sie am Ende auch davon profitieren. Die Unterstützung durch die Humboldt-Stiftung war auch sehr gut, sie haben mir immer gleich weitergeholfen, wenn ich Fragen hatte. Insgesamt war der Aufenthalt ein echter Gewinn, sowohl wissenschaftlich als auch persönlich.
Dr. Felix Lüpke: Die Stipendiaten erhalten für die Dauer des Stipendiums (bis zu zwei Jahre beim Feodor Lynen-Stipendium) einen Pauschalbetrag, der abhängig von verschiedenen Faktoren wie Land oder Familiensituation ist. Von diesem Betrag übernimmt die gastgebende Einrichtung ca. ein Drittel. Ich habe insgesamt etwa 3.000 Dollar pro Monat bekommen, wovon ich 1.000 Dollar direkt vor Ort erhalten habe – wahlweise als Scheck oder Überweisung auf mein US-Konto – und der Rest von der Humboldt-Stiftung auf mein deutsches Bankkonto überwiesen wurde. Damit bin ich gut ausgekommen. Der Ort Oak Ridge ist eher klein, deswegen habe ich ein schönes Apartment für etwa 1.000 Dollar im Monat gefunden. Zum Vergleich: Eine ähnliche Wohnung in Los Angeles hätte mindestens das dreifache gekostet. Da es in Tennessee kaum öffentlichen Nahverkehr gibt, habe ich mir für etwa 4.000 Dollar ein gebrauchtes Auto gekauft und dieses vor meiner Abreise wieder verkauft. Damit konnte ich Reisen unternehmen. Autofahren in den USA ist sehr entspannt, das Fahrverhalten insgesamt weniger aggressiv als in Deutschland.
Dr. Felix Lüpke: Es gibt etwas weniger Verwaltungsaufwand, dadurch ist effektiveres Arbeiten im Labor möglich. Insgesamt war mein Eindruck, dass intensiver gearbeitet wird, auch ich selbst war arbeitswütiger. Wo viele gute Leute zusammenkommen, entsteht eine Eigendynamik; sie pushen sich gegenseitig. Außerdem hat man im Ausland weniger Freunde und Ablenkungsmöglichkeiten und fokussiert sich deswegen eher auf die Arbeit. Meiner Erfahrung nach ist die aktive Forschungskapazität überhaupt im ersten Postdoc am höchsten. Als Doktorand lernt man sehr viel und dieses Wissen kann man dann im ersten Postdoc voll auf die Forschung anwenden. In nachfolgenden Postdocs wird typischerweise erwartet, dass man mehr Verantwortung übernimmt (z. B. Studentenbetreuung, Labormanagement), insbesondere, wenn man eine akademische Laufbahn anstrebt. Es kommt mehr Verwaltungstätigkeit hinzu.
Dr. Felix Lüpke: Ich würde sagen, dass es sich in jedem Fall lohnt, unabhängig davon, ob man in der Wissenschaft bleibt oder nicht. Es ist eine super Erfahrung, mit einer anderen Kultur und Arbeitsatmosphäre in Kontakt zu kommen, neue Orte zu sehen. Das wichtigste ist allerdings, sich rechtzeitig darum zu kümmern, mindestens ein Jahr vor Ende der Doktorandenzeit. Die Basis für mein Feodor Lynen- Stipendium waren die Kontakte, die ich während meiner Doktorandenzeit aufgebaut habe; hier sollte man also Konferenzen besuchen, Vorträge halten und Poster präsentieren und sich generell nicht scheuen, Professoren und Gruppenleiter, die auf ähnlichen Gebieten forschen, anzusprechen.
Dr. Felix Lüpke: Ich habe im Postdoc viele unterschiedliche Dinge gelernt und konnte hierdurch mein wissenschaftliches Profil stärken. In Pittsburgh und Oak Ridge habe ich insbesondere neue experimentelle Techniken gelernt, um Proben herzustellen und zu charakterisieren. Wir haben diese Techniken nun hier in Jülich implementiert und weiter angepasst, um noch flexibler in der Probenherstellung zu sein; beispielsweise um noch mehr Materialien in Schichtstapeln kombinieren zu können und diese auch noch sauberer zu machen. Damit basiert meine Nachwuchsgruppe zum größten Teil direkt auf der Forschung aus meinen beiden Postdocs. Finanziert wird sie als Emmy-Noether-Gruppe durch die DFG.
Das Interview wurde geführt von Kristin Mosch.