Translationale Neurotechnologie

Wir passen unsere Designs an, um anwendungsspezifische neuroelektronische Schnittstellen zu entwickeln, die der Anatomie verschiedener neuronaler Ziele entsprechen, einschließlich des Gehirns, der Retina und peripherer Nerven. Die Anpassung des Designs gewährleistet eine optimale Leistung über verschiedene Spezies und anatomische Strukturen hinweg. Während die Hirnrinde mehrere Millimeter dick ist, beträgt die Dicke der Retina nur wenige Hundert Mikrometer. Periphere Nerven variieren stark in ihrer Größe und reichen von wenigen Mikrometern bis hin zu mehreren Millimetern.
Wir arbeiten derzeit an der Entwicklung visueller Prothesen zur Wiederherstellung des Sehvermögens, einschließlich des Designs, der Fertigung, der Charakterisierung und der Testung von intraretinalen, intrakortikalen und kortikalen Implantaten. Darüber hinaus arbeiten wir an Mehrkanal-Sonden für periphere Nerven, um die Mikroneurografie voranzutreiben und ein besseres Verständnis sowie effektivere Behandlungsmöglichkeiten für neuropathische Schmerzen zu entwickeln. Gemeinsam mit Ärzt:innen, Neurowissenschaftler:innen und Ingenieur:innen erforschen wir neue Implantationstechniken und führen funktionelle Tests der Geräte in einer präklinischen Phase durch.
Visuelle Prothesen

Degenerative Netzhauterkrankungen wie Retinitis pigmentosa und Makuladegeneration betreffen weltweit Millionen von Menschen und führen durch das Absterben von Fotorezeptorzellen zu einem fortschreitenden Verlust des Sehvermögens. Unser Ziel ist es, die visuelle Wahrnehmung bei blinden Menschen wiederherzustellen, indem wir die Funktion verlorener Fotorezeptoren durch dichte Elektroden-Arrays ersetzen. Mit diesen Arrays werden überlebende Neuronen elektrisch stimuliert. Um die Einschränkungen der ersten Generation visueller Prothesen zu überwinden, haben wir gemeinsam mit unseren Forschungspartnern das BiMEA-Konzept (bidirektionales Mikroelektroden-Array) eingeführt. Dabei kommen penetrierende Implantate mit mehreren Elektroden zum Einsatz, die gleichzeitig in verschiedenen Gewebetiefen aufzeichnen und stimulieren können. Dadurch wird eine bidirektionale Kommunikation sowie eine Regelung mit geschlossenem Rückkopplungskreis ermöglicht. Wir entwickeln derzeit Prothesen, die sowohl auf die Retina als auch auf den visuellen Cortex abzielen, wobei jede dieser Zielregionen spezifische Herausforderungen bei der Integration mit sich bringt. Eine effektive Stimulation der Retina erfordert vollständig flexible, hochdichte neuronale 3D-Implantate, die sich an die Krümmung der Retina anpassen. Zu diesem Zweck haben wir Implantate auf Basis von Kirigami-Techniken entwickelt, bei denen zahlreiche dünne Polymerfäden gleichzeitig gefaltet werden, um eine skalierbare 3D-Topologie zu erhalten. Gleichzeitig entwickeln wir neuartige Einführungstechniken, um die großflächige Implantation neuronaler Geräte in tiefere Schichten des Cortex zu ermöglichen.
Sonden für periphere Nerven
Schmerz, definiert als unangenehme Empfindung, die mit tatsächlichem oder potenziellem Gewebeschaden verbunden ist, betrifft in Form von chronischem Schmerz über 20 % der Weltbevölkerung. Aufgrund seiner vielfältigen und komplexen Ursachen gibt es keine universelle Heilung, was die Untersuchung von chronischem Schmerz besonders herausfordernd macht. Derzeit ist die Mikroneurografie (MNG) die einzige Technik, die einen direkten Zugang zu Nervenfasern bei wachen Personen ermöglicht. Sie liefert entscheidende Einblicke in die Signalübertragung in den Nerven und die Mechanismen des chronischen Schmerzes. Bei der herkömmlichen MNG werden Wolframnadeln mit einem einzigen elektrischen Kontakt verwendet, um die elektrische Aktivität einzelner Nervenfasern aufzuzeichnen. Dieses Verfahren weist jedoch Einschränkungen auf: es ist zeitaufwändig, unangenehm für die Testperson, die während des Verfahrens stillhalten muss, und aufgrund der Einzelstellen-Konfiguration auf die Aufzeichnung nur weniger Fasern gleichzeitig beschränkt.
Um die Einschränkungen der derzeitigen Techniken zu überwinden und die räumliche Auflösung peripherer Nervenaufzeichnungen zu verbessern, entwickeln wir Mehrkanal-Sonden für periphere Nerven (PNPs). Diese Sonden sind, ähnlich wie Mikroneurografie (MNG)-Nadeln, für den perkutanen Zugang zu peripheren Nerven ausgelegt, bieten jedoch eine wesentliche Verbesserung: sie enthalten bis zu 32 Mikroelektroden. Dies ermöglicht die gleichzeitige Aufzeichnung und Charakterisierung der Aktivität mehrerer Nervenfasern. Durch die Analyse der funktionellen Reaktionen dieser Fasern streben wir ein tieferes Verständnis der Mechanismen an, die der Schmerzwahrnehmung zugrunde liegen.
Jung, M. et al. Flexible 3D kirigami probes for in vitro and in vivo neural applications. Preprint at https://doi.org/10.1101/2024.11.05.622167 (2024).
Rincón Montes, V. et al. Development and in vitro validation of flexible intraretinal probes. Sci Rep 10, 19836 (2020).
Rincón Montes, V. et al. Toward a Bidirectional Communication Between Retinal Cells and Prosthetic Device - A Proof of Concept. Front. Neurosci. 13:367 (2019)