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CO2 wieder einfangen
Um die Klimaerwärmung zu begrenzen, müssen wir künftig weniger Kohlendioxid (CO2) ausstoßen, und der Atmosphäre auch große Mengen CO2 entziehen. Nur so lässt sich ein Temperaturanstieg von mehr als zwei Grad verhindern. Forscher:innen des Projekts DACStorE treiben eine entsprechende Technologie voran.
Im Mai 2024 nahm in Island die Anlage „Mammoth“ (Mammut) eines Schweizer Unternehmens den Betrieb auf. Sie soll jährlich bis zu 36.000 Tonnen CO2 aus der Luft entfernen, die dann dauerhaft unterirdisch gespeichert werden. Es ist die bisher größte von weltweit rund 20 „Direct Air Capture and Storage“ (DACS)-Anlagen.
Das Treibhausgas CO2 ist eine wesentliche Ursache des Klimawandels. Es aus der Atmosphäre zu holen und im Untergrund verschwinden zu lassen, erscheint auf den ersten Blick wie eine Patentlösung gegen den Klimawandel. „Diese Einschätzung ist überzogen“, so die Jülicher Wissenschaftlerin Dr. Freia Harzendorf vom Institute of Climate and Energy Systems (ICE-2): „Die DACS-Technologie ist keine Lösung, damit die Menschheit ohne Energiewende und der Umstellung ihrer Lebensweise weitermachen kann wie bisher.“ Sie nennt drei Gründe: Erstens benötigen DACS-Anlagen viel Energie. Nutzen sie Energie aus fossilen Quellen statt aus erneuerbaren, ist für den Klimaschutz nichts gewonnen – im Gegenteil. Zweitens sind die Anlagen und ihr Betrieb sehr teuer. Es ist meist günstiger und sinnvoller, den CO2-Ausstoß in die Atmosphäre von vorneherein zu vermeiden. Drittens ist ungewiss, inwieweit es genug geeigneten Speicherplatz für enorme Mengen CO2 gibt.
Trotz dieser Einschränkungen sind DACS-Anlagen ein wichtiger Baustein im Kampf gegen den Klimawandel. Laut dem Weltklimarat IPCC wird es ohne die Entnahme von CO2 aus der Atmosphäre nicht möglich sein, den menschengemachten globalen Temperaturanstieg mittelfristig auf unter 2 Grad gegenüber der vorindustriellen Zeit einzudämmen. Die meisten Staaten haben sich im Pariser Klimaabkommen verpflichtet, die globale Erwärmung sogar auf 1,5-Grad zu begrenzen. Deutschland möchte mit seinem Klimaschutzgesetz dazu beitragen, dass dieses Ziel erreicht wird. Es sieht vor, dass Deutschland ab dem Jahr 2045 treibhausgasneutral ist: Die Bundesrepublik soll dann nichts mehr zu einem Anstieg der Treibhausgaskonzentration in der Atmosphäre beitragen. Das lässt sich auf zwei Weisen erreichen: Entweder werden gar keine Treibhausgase mehr ausgestoßen oder schwer vermeidbare Emissionen werden durch Maßnahmen ausgeglichen, die der Atmosphäre Treibhausgas entziehen, also durch sogenannte „negative Emissionen“.
Bisher nicht oder besonders schwer vermeidbar sind CO2-Emissionen beispielsweise in einigen Bereichen der Landwirtschaft, Keramik-, Chemie- und Glasindustrie. „Unsere Analysen haben gezeigt, dass DACS-Verfahren schon ab dem Jahr 2035 eine Möglichkeit bieten, solche CO2-Emissionen auszugleichen“, sagt Harzendorf. Im Jahr 2045 müssen nach den Studien der Jülicher Systemforschung in Deutschland rund 57 Millionen Tonnen CO2 aus der Atmosphäre entfernt und gespeichert werden, um Treibhausgasneutralität zu erreichen. Die Abscheidekosten für jede Tonne CO2 mittels des DACS-Verfahrens, das zum Beispiel von der isländischen Anlage Mammoth genutzt wird, liegen dann nach den Jülicher Berechnungen in Deutschland bei durchschnittlich 290 Euro pro Tonne Gas. „Trotzdem sind DACS-Verfahren eine vielversprechende Option“, ist Harzendorf überzeugt.
CO2 einfangen - so funktioniert es
Die isländische DACS-Anlage Mammoth arbeitet nach dem Adsorptionsverfahren: Ventilatoren leiten Umgebungsluft in ein spezielles Modul, den Kollektor. Dort bindet das CO2 chemisch an ein festes Filtermaterial. Sobald der Filter kein CO2 mehr aufnehmen kann, wird das Modul geschlossen und der Filter auf rund 100 Grad Celsius erhitzt. Dadurch löst sich das CO2 vom Filter. Das CO2 wird gesammelt und der Filter kann wieder verwendet werden. Andere DACS-Verfahren nutzen Flüssigkeiten zur CO2-Abscheidung oder setzen Strom statt Wärme ein, um das Gas vom Filter zu entfernen.
Allerdings: Um 2045 die errechnete Menge aus der Atmosphäre zu holen, wären mehr als 1500 Anlagen mit der Kapazität der Mammoth-Anlage nötig. Im Projekt DACStorE arbeiten das Forschungszentrum Jülich, fünf weitere Helmholtz-Zentren und die TU Berlin daher an einem schnellen, ökologisch und ökonomisch nachhaltigen Hochlauf der DACS-Technologie. Freia Harzendorf ist wissenschaftliche Leiterin des Projekts. Ziel von DACStorE ist es, die Technologie weiterzuentwickeln und verschiedene Ansätze zu erkunden, die den Energieverbrauch und die Kosten senken sollen. Darüber hinaus analysieren die Wissenschaftler:innen auch die gesellschaftliche Akzeptanz und erarbeiten Empfehlungen für rechtliche Regelungen und politische Maßnahmen.
In Jülich ermitteln die Forscher:innen derzeit die weltweit besten DACS-Standorte und entwerfen Anlagen, die optimal an die jeweiligen Bedingungen angepasst sind. Dabei beachtet das Team um Harzendorf nicht nur eine möglichst effiziente und verlässliche Versorgung mit erneuerbarer Energie, die Verfügbarkeit von Lagerstätten und die Transportwege dahin. „Auch die regional unterschiedlichen Temperaturen und die Luftfeuchtigkeit spielen eine Rolle“, sagt Harzendorf. Erste Analysen zeigen bereits, dass sich der Energiebedarf von DACS-Anlagen in verschiedenen deutschen Regionen allein aufgrund der jeweiligen Wetterverhältnisse um bis zu 15 Prozent unterscheidet.
Text: Frank Frick / Bilder: © 2024 Climeworks AG; www.fotostudio-juenger.de