Elektronen auf der Überholspur

Jülicher Forschende entwickeln Methode zum Nachweis von ballistischen Elektronen

30. Oktober 2025

Ballistische Elektronen gehören zu den faszinierendsten Phänomenen moderner Quantenmaterialien. Anders als normale Elektronen kollidieren sie niemals mit Störungen im Material und gleiten daher nahezu ohne Widerstand – wie eine Rohrpostkapsel – von A nach B. Oft tritt dieses Verhalten in räumlich begrenzten, ein- oder zweidimensionalen Materialien auf. Forschende des Forschungszentrums Jülich und der RWTH Aachen University haben nun ein Modell entwickelt, das diesen besonderen Fluss der Elektronen unter realistischen Bedingungen nachweisen kann. Die Arbeit wurde als Editors‘ Suggestion in der Fachzeitschrift Physical Review Letters veröffentlicht.

Solche ballistischen Elektronenkanäle, die sich entlang der Kanten sogenannter zweidimensionaler topologischer Materialien ausbilden, gelten als Hoffnungsträger für die Elektronik der Zukunft: Sie könnten die Grundlage für energieeffiziente Schaltkreise und Quantencomputer mit robusten Quantenbits bilden.

Der Ansatz geht auf die von Rolf Landauer vor mehreren Jahrzehnten entwickelte Theorie des ballistischen Ladungstransports zurück. Sein klassisches Modell beschreibt allerdings nur einen idealisierten Fall. Landauer nahm an, dass Elektronen einen solchen Kanal ausschließlich an dessen Enden betreten oder verlassen können.

Das neue Jülicher Modell geht dagegen einen entscheidenden Schritt weiter. Es berücksichtigt, dass ein solcher ballistischer Ladungskanal nicht isoliert existiert, sondern als Rand eines ebenfalls leitfähigen Materials auftritt, durch das der Strom injiziert wird. Elektronen können daher entlang der gesamten Strecke ein- oder austreten.

Elektronen auf der Überholspur
Oben: Elektronen fließen nach dem klassischen Landauer-Modell ohne Energieverlust durch den ballistischen Kanal von einem Ende zum anderen. Unten: Nach dem realistischen Jülicher Modell eines Randkanals wird der Strom in das angrenzende 2D-Material injiziert und die Elektronen betreten und verlassen den Kanal über die gesamte Strecke. | Copyrights: Forschungszentrum Jülich

„Damit lässt sich das Verhalten solcher Randkanäle erstmals so beschreiben, wie es in Experimenten tatsächlich vorkommt“, erklärt Erstautor Dr. Kristof Moors. „Unsere Theorie liefert zudem eindeutige Kennzeichen, mit denen sich ein verlustfreier, ballistischer Stromfluss nachweisen und vom herkömmlichen Ladungstransport unterscheiden lässt“, so Moors, der nach seiner Zeit als Postdoktorand am Jülicher Peter Grünberg Institut (PGI-9) ans Chip-Forschungszentrum Imec im belgischen Löwen wechselte.

Das Modell zeigt, dass sich der Stromfluss durch das zweidimensionale Material aufgrund der Anwesenheit eines ballistischen Kanals grundlegend ändert. Es sagt charakteristische Spannungsverteilungen voraus, die sich mit Nanomesssonden oder Mehrspitzen-Rastertunnelmikroskopen direkt beobachten lassen. So wird es möglich, ballistische und dissipative, also verlustbehaftete Ströme experimentell zu unterscheiden – ein entscheidender Schritt, um diese exotischen Leitungskanäle zweifelsfrei nachzuweisen und für künftige Bauelemente nutzbar zu machen.

Elektronen auf der Überholspur
Während bei der Leitung der Elektronen im 2D-Material Energie in Form von Wärme abgegeben wird, ist dies im Randkanal nicht der Fall – daraus resultiert eine charakteristische Energie- bzw. Spannungsverteilung, die sich mithilfe entsprechender Instrumente messen lässt. | Copyrights: Forschungszentrum Jülich

Originalpublikation

Moors, K., Wagner, C., Soltner, H., Lüpke, F., Tautz, F. S., & Voigtländer, B. (2025). Distributed current injection into a one-dimensional ballistic edge channel. Physical Review Letters. DOI: https://doi.org/10.1103/l47r-plxq

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    Letzte Änderung: 30.10.2025