Der Einfluss von Klima-Abkommen auf die Luftqualität - drei US-Szenarien im Vergleich

Das Pariser Klimaabkommen schützt nicht nur das Klima der Erde, sondern kann auch die Luftqualität erheblich verbessern. Dies zeigen Dr. Simon Rosanka vom Jülicher Institute of Climate and Energy Systems und Co-Autorin Professorin Ann Marie Carlton von der University of California, Irvine, USA, in einem Kommentar im Nature Partner Journal Clean Air. Hierfür vergleichen sie drei Szenarien zur Feinstaubbelastung in den Vereinigten Staaten von Amerika (USA): Das erste Szenario zeigt den Ist-Zustand. Das zweite Szenario ist eine hypothetische Gegenwart, ohne den Clean Air Act, welchen die USA seit 1970 umsetzen, um die Luftverschmutzung zu verringern. Das dritte Szenario beleuchtet die möglichen Folgen des Ausstiegs der USA aus dem Pariser Klimaabkommen.

Jährliche durchschnittliche PM2,5-Massenkonzentration für drei Emissionsszenarien.Der Einfluss von Klima-Abkommen auf die Luftqualität - drei US-Szenarien im Vergleich
Jährliche durchschnittliche PM2,5-Massenkonzentration für drei Emissionsszenarien. Die Emissionsszenarien sind: (a) aktuelle Luftqualität einschließlich CAA-Richtlinien, (b) keine Anpassung der CAA-Richtlinien und (c) Umsetzung der CAA mit Netto-Null-Emissionen aus Verkehr und Energieerzeugung. Die Farbkarte basiert auf den jährlichen Expositionsempfehlungen der WHO von 5 μg m-3, wobei blaue und rote Farben Regionen unter bzw. über 5 μg m-3 anzeigen. Für die aktuelle Luftqualität (a) wird der vom Luftqualitätssystem gemeldete Jahresdurchschnitt der PM2,5-Massenkonzentration angezeigt, der Daten enthält, die von der EPA sowie staatlichen, lokalen und Stammesbehörden für Luftreinhaltung erhoben wurden. Wir zeigen alle Messstationen an, die Daten für mindestens 10 Monate gemeldet haben.
Forschungszentrum Jülich/Dr. Simon Rosanka

Was war die Motivation für die Studie? Warum vergleichen Sie genau diese drei Szenarien?

Wir wollten mit unserem Projekt den enormen Erfolg und den gesellschaftlichen Nutzen des Clean Air Act aufzeigen. Das ist ein Gesetz von 1970, mit dem die US-Umweltschutzbehörde (EPA) die Luftverschmutzung durch Emissionsgrenzwerte und Leistungsstandards für die meisten kontrollierbaren Quellen reguliert. Die Belastung durch schlechte Luftqualität, sei sie chronisch oder akut, stellt ein erhebliches Gesundheitsrisiko dar, das von der Weltgesundheitsorganisation als einer der Hauptfaktoren für vorzeitige Todesfälle anerkannt ist. In den 1960er Jahren kam es in den in den USA und vielen anderen Ländern (z. B. Großbritannien) zu einer Zunahme extremer Luftverschmutzungsereignisse, die mit erhöhten Sterberaten einhergingen. Um das Auftreten dieser Ereignisse zu reduzieren und die Luftqualität insgesamt zu verbessern, verabschiedeten die USA damals den Clean Air Act. Dieser und seine späteren Anpassungen haben die Luftqualität erheblich verbessert, wie von Luftqualitätsmessstationen in den gesamten USA dokumentiert wurde.

Wir wollten wissen, wie groß der positive Effekt des Clean Air Acts tatsächlich war. Daher haben wir das bewährte Luftqualitätsmodell der EPA verwendet, und die Luftqualität von heute mit einem kontrafaktischen Szenario verglichen. Das kontrafaktische Szenario simuliert, wie die heutige Luftqualität in den USA ohne den Clean Air Act wäre und wenn die Emissionen aus menschlichen Aktivitäten nicht reguliert werden und sich z.B. durch den Anstieg der Bevölkerung weiter erhöhen.

Während der Arbeit an dieser Studie beschloss die US-Regierung, aus dem Pariser Abkommen von 2016 auszusteigen. Wir wollten verstehen, wie sich diese Entscheidung auf die Luftqualität in den USA in Zukunft auswirken wird. Daher haben wir unsere Simulationen um ein drittes Szenario erweitert, dass die Emissionsminderungen darstellt, die sich ergeben würden, wenn die USA ihre ursprünglichen Zusagen aus dem Pariser Abkommen von 2016 einhalten würden.

Was sind die Ergebnisse?

Diese Studie hat einige faszinierende Ergebnisse hervorgebracht. Seit 1999 haben routinemäßige Messungen an Messstationen eine dramatische Verbesserung der Luftqualität festgestellt. Diese allgemeine Verbesserung zeigt sich auch in unserer aktuellen Luftqualitätssimulation. Dennoch haben wir viele Regionen im Osten sowie an der Westküste der USA identifiziert, in denen die Standards der Weltgesundheitsorganisation überschritten werden.

Unsere Ergebnisse zeigen, dass die Luftqualität ohne die Umsetzung des US-Luftreinhaltungsgesetzes viel schlechter wäre. Die Luftqualitätsstandards der Weltgesundheitsorganisation wären überall im Osten der USA und in vielen dicht besiedelten Gebieten wie Kalifornien, Oregon und Washington überschritten worden. In einer solchen Umgebung würden jährlich fast 300.000 Menschen zusätzlich vorzeitig an Gesundheitsproblemen sterben, die mit der Luftqualität zusammenhängen. Diese lässt sich anhand des von der US-Umweltschutzbehörde entwickelten Benefits Mapping and Analysis Programs, welches die Übersterblichkeit anhand von Risikofunktionen berechnet, abschätzen. Um diese Zahl in einen Zusammenhang zu setzen: Das ist etwa die Hälfte der jährlichen krebsbedingten Todesfälle in den USA und etwa doppelt so viel wie die Zahl der Todesfälle durch Krebserkrankungen der Atemwege.

Mit Blick auf die Zukunft und unter der Annahme, dass die USA ihre Zusagen aus dem Pariser Abkommen von 2016 einhalten, sehen wir eine deutlich verbesserte Luftqualität in den gesamten USA, am dramatischsten in städtischen Gebieten. Wir schätzen, dass zusätzlich zu den verringerten Auswirkungen auf das Klima der Erde, 65.000 vorzeitige Todesfälle durch eine verbesserte Luftqualität pro Jahr verhindert würde n. Dies entspricht in etwa einem Drittel der aktuellen Übersterblichkeit durch Luftverschmutzung in den USA.

Ohne den Clean Air Act gäbe es eine erhöhte Feinstaubkonzentration, die zu zusätzlich 300.000 vorzeitigen Todesfällen in den USA führen würde. Wie zuverlässig sind solche Abschätzungen und wie kommen sie zustande?

Diese Schätzungen sind das Ergebnis eines zweistufigen Prozesses. Zunächst simulieren wir die Luftqualität für die drei genannten Szenarien. Um die Zuverlässigkeit unserer Vorhersagen zu gewährleisten, verwenden wir das bewährte und häufig evaluierte Community Multiscale Air Quality Model. Dieses von der US-Umweltschutzbehörde EPA entwickelte Modell zur atmosphärischen Chemie ist neben Beobachtungsnetzen das wichtigste Instrument der EPA und anderer staatlicher Umweltbehörden zur Bewertung der Einhaltung der Vorschriften des US-Luftreinhaltungsgesetzes (Clean Air Act). Darüber hinaus verwendet der US-amerikanische Wetterdienst dieses Modell, um zweimal täglich Luftqualitätsprognosen für die USA zu erstellen. Das Modell liefert uns Momentaufnahmen der Luftqualität in den USA für jedes der drei Szenarien. In einem zweiten Schritt berechnen wir anhand dieser Momentaufnahmen die Übersterblichkeit. Wie das atmosphärische Chemiemodell verwenden wir auch das ebenfalls von der US-Umweltschutzbehörde entwickelte Benefits Mapping and Analysis Program. Dieses Programm berechnet die Übersterblichkeit anhand von Risikofunktionen. Diese Risikofunktionen setzen sechs verschiedene Mortalitätsendpunkte, wie beispielsweise Lungenkrebs, mathematisch in Beziehung zu Veränderungen der Luftqualität. Basierend auf diesen Berechnungen können wir die Übersterblichkeit für jedes Szenario ableiten.

Wie jede wissenschaftliche Forschung ist auch unsere Forschung mit Unsicherheiten behaftet. In unserem Fall stammen diese Unsicherheiten und Variabilitäten aus der prognostizierten Luftqualität, den US-Bevölkerungsdaten, den Mortalitätsraten auf County-Ebene und den Risikofunktionen. Um diesen Unsicherheiten Rechnung zu tragen, haben wir in unserer Studie mehrere Maßnahmen ergriffen. Zunächst vergleichen wir die simulierte Luftqualität mit den Messungen des Netzwerks von Bodenmessstationen. Wir stellen fest, dass die simulierte Luftqualität sehr gut mit diesen Messungen übereinstimmt, was die Robustheit der Modellierungsmethode belegt. Anschließend führen wir eine mathematische Analyse durch und schätzen die Auswirkungen dieser Unsicherheiten auf unsere Ergebnisse.

Wie hängen Luftqualität und Klimaziele zusammen?

Das ist eine interessante Frage. Im Allgemeinen sind die Quellen von Emissionen aus menschlichen Aktivitäten, die zur globalen Erwärmung beitragen, dieselben, die zu schlechter Luftqualität führen. Beispielsweise werden bei Verbrennungsprozessen wie in Kraftwerken oder Kraftfahrzeugen Kohlendioxidemissionen freigesetzt, die zur globalen Erwärmung beitragen. Gleichzeitig entstehen dabei Stickoxide, die die Luftqualität verschlechtern können, da sie selbst Luftschadstoffe sind und auch die Bildung von luftgetragenen Partikeln begünstigen.

In unserer Studie haben wir uns auf das Pariser Abkommen von 2016 konzentriert, da die US-Regierung kürzlich ihren Austritt aus dem Abkommen angekündigt hat. Das Hauptziel des Abkommens ist es, die globale Erwärmung deutlich unter 2 °C, möglichst auf 1,5 °C über dem vorindustriellen Niveau zu begrenzen. Um dieses Ziel zu erreichen, verpflichten sich die unterzeichnenden Staaten zu einer schrittweisen Reduktion von Treibhausgasemissionen (z. B. CO₂, Methan). Diese Maßnahme verringert gleichzeitig die Konzentrationen von Stickoxiden, da diese aus den gleichen Prozessen in die Luft gelangen. Wir zeigen also, dass die Einhaltung des Pariser Abkommens von 2016 nicht nur unbestreitbare Vorteile für das Klima der Erde hat, sondern auch die Luftqualität erheblich verbessert und letztlich Leben rettet.

Die EU hat seit Ende 2024 ihre Vorgaben zur Luftqualität verschärft. Bis 2030 sollen Grenzwerte erreicht werden, die aber doppelt so hoch sind, wie die Grenzwerte der WHO. Stehen die USA dann nicht eigentlich ganz gut da?

Im Jahr 2024 haben die Vereinigten Staaten und die Europäische Union neue Jahresgrenzwerte für Feinstaub festgelegt. Diese Grenzwerte sind sehr ähnlich: Die Europäische Union definierte den Grenzwert bei 10 μg m-3 und die Vereinigten Staaten nahmen den etwas niedrigeren Wert von 9 μg m-3 an, die beide über dem Richtwert der Weltgesundheitsorganisation von 5 μg m-3 liegen. In Wirklichkeit gibt es keinen dokumentierten sicheren Wert für die Belastung durch Feinstaub. Entscheidend ist, dass die gesetzten Grenzwerte auch eingehalten werden. Mit der Verpflichtung der europäischen Mitgliedstaaten zum Pariser Abkommen von 2016 gehen Maßnahmen einher, die die Emissionen insgesamt verringern, und so auch zu einer besseren Luftqualität führen – zusätzlich zu den bereits bestehenden Grenzwerten für Feinstaub. Beispielsweise hat Paris in den letzten Jahren Fahrverbote in einigen Straßen der Innenstadt und andere Maßnahmen erlassen, die zu einer drastischen Verbesserung der Luftqualität geführt haben. Je eher wir eine Luftqualität erreichen, die den Richtlinien der Weltgesundheitsorganisation entspricht, desto größer wird der Nutzen für unsere Gesundheit und die Umwelt sein.

Gibt es vergleichbare Szenariostudien für Europa/Deutschland?

Wenn wir von einer identischen Studie für Europa sprechen, dann nein. Uns ist keine Studie bekannt, die ein hypothetisches Szenario untersucht, in dem keine Luftqualitätsregularien in Europa in Kraft getreten wären. Es gibt jedoch Studien, die die Auswirkungen künftiger Emissionsänderungen auf die Luftqualität in Europa bewerten. Eine solche Studie, die von Kollegen meines Instituts durchgeführt wurde, wurde letztes Jahr in der Fachzeitschrift Elementa veröffentlicht (https://doi.org/10.1525/elementa.2023.00127). Sie untersuchten die Auswirkungen verschiedener europäischer Emissionsszenarien für die Zukunft im Hinblick auf die Einhaltung der Richtlinien der Weltgesundheitsorganisation und deren Auswirkungen auf die Übersterblichkeit. Meine Kollegen fanden heraus, dass die aktuell geplanten Emissionsreduktionen bis 2030 dazu führen, dass 10 Millionen Europäer weniger einer Luftverschmutzung oberhalb der von der Weltgesundheitsorganisation empfohlenen Richtwerte ausgesetzt sein werden.

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    Letzte Änderung: 27.06.2025