Immer noch zu viele Hürden für AgriPV

6. Februar 2023

Interview zum Positionspapier der AG Begleitforschung Agri-Photovoltaik

Oben grüner Strom, unten Ackerpflanzen. AgriPV, kurz für Agri-Photovoltaik, bezeichnet ein Verfahren zur gleichzeitigen Nutzung landwirtschaftlicher Flächen für den Anbau von Nahrungsmitteln und Energieerzeugung durch Solarpanele. Zugleich können die Photovoltaik-Anlagen die Pflanzen vor zu viel Sonne und Trockenheit schützen – ein Problem, das durch den Klimawandel auch in unseren Breiten in den letzten Jahren immer häufiger auftritt.

Während die Details einer besonders effizienten Nutzung der Anlagen und der konkrete Nutzen für heimische Pflanzen derzeit noch genauer erforscht wird, liegen einige Vorteilen bereits klar auf der Hand. Deshalb hat auch die jüngste Novelle des Erneuerbaren-Energien-Gesetzes (EEG 2023) wichtige Rahmenbedingungen für eine breite Nutzung der Technologie auf den Weg gebracht. Doch immer noch sind die Anreize zu gering, die Hürden zu hoch, findet die Arbeitsgruppe Begleitforschung Agri-Photovoltaik. In einem Positionspapier legen die Beteiligten die einzelnen Argumente dar. Dazu ein Interview mit Mitglied der Arbeitsgruppe Prof. Ulrich Schurr vom Jülicher Institut für Bio- und Geowissenschaften.

Prof. Schurr, das Jülicher Institut für Bio- und Geowissenschaften betreibt mehrere AgriPV-Forschungsanlagen im Rheinischen Revier. Um was für Anlagen handelt es sich dabei?

Derzeit betreibt das Forschungszentrum Jülich gemeinsam mit verschiedenen Partnern zwei Forschungs- und Demonstrationsanlagen im Rheinischen Revier: Die Forschungs-Anlage in Morschenich-Alt gibt es bereits seit einem Jahr. Eine Demonstrationsanlage mit größeren Flächen wird seit Dezember von RWE in Jackerath aufgebaut. Insgesamt kommen drei verschiedene Arten von AgriPV-Konzepte zum Einsatz.

Prof. Ulrich Schurr
Prof. Ulrich Schurr
Forschungszentrum Jülich/Ralf-Uwe Limbach

Bei der ersten Variante werden die Solarmodule fest und in senkrechter Ausrichtung auf dem Ständerwerk montiert, so dass zwischen den Modulreihen ausreichend Platz für Erntemaschinen bleibt.

Bei der zweiten Variante handelt es sich um ein sogenanntes Tracking-System, bei dem die PV-Module dem Sonnenstand folgen, diese Module sind ebenfalls in Reihen angeordnet und werden horizontal – über den Pflanzungen – montiert. Die Solarmodule befinden sich also auch hier zwischen und zum Teil auch über den Pflanzen.

Bei der dritten Variante handelt es sich um aufgeständerte Anlagen: Die PV-Module werden dabei auf einer Pergola-ähnlichen Konstruktion angebracht. Darunter kann die landwirtschaftliche Nutzung der Fläche erhalten bleiben. Die Anlagen sind können so installiert werden, dass darunter Traktoren oder sogar Mähdrescher fahren können. Für den Anbau unter den Solaranlagen eignen sich Schattenpflanzen oder Pflanzen, die regenempfindlich sind.

Die kombinierte Verwendung von Flächen für Photovoltaik und Landwirtschaft ist für das rheinische Revier eine echte Zukunftsoption. Durch die Doppelnutzung könnten Landwirte und Energiewirtschaft enger zusammenarbeiten und Win-Win-Situationen schaffen: gemeinsam können sie klimatische und wirtschaftliche Risiken durch den Klimawandel abfedern, landwirtschaftlichen Erträge erhalten oder sogar steigern, Wassernutzung reduzieren und zur Energiewende beitragen. In unseren Forschungsprojekten können wir die verschiedenen Modultypen vergleichen und wie sie zu diesen Zielen möglichst optimal beitragen können.

In der Novelle des Erneuerbaren-Energien-Gesetzes (EEG 2023) wurden daher nun günstigere Rahmenbedingungen für Agri-Photovoltaik geschaffen. Wie sehen diese aus?

Ja, mit der Novellierung des EEG wird in Deutschland nun eine breitere Nutzung von AgriPV erleichtert. So ist es beispielsweise in Zukunft möglich, finanzielle Förderungen für Strom aus Photovoltaik-Anlagen auf landwirtschaftlichen Nutzflächen zu erhalten – solange die landwirtschaftliche Nutzung der Fläche durch die PV-Anlage nicht nennenswert eingeschränkt wird. Aufgeständerte Anlagen – also Anlagen, bei denen auch unter den PV-Modulen Nutzpflanzen wachsen – sind durch die aufwändige Unterkonstruktion teurer. Für diese gibt es unter bestimmten Umständen Anspruch auf eine zusätzliche Vergütung, um solche Mehrkosten aufzufangen.

Dazu kommen noch weitere Verbesserungen, etwa ein gesetzlicher Anspruch auf Beihilfen für einen Großteil der Nutzfläche und eine neue Regelung der steuerlichen Behandlung: Grundbesitz mit AgriPV-Anlagen einer bestimmten Kategorie werden nun dem landwirtschaftlichen Vermögen zugerechnet. Das sind alles schon sehr positive Entwicklungen.

Forschungs- und Demonstrationsanlage für Agri-Photovoltaik in Morschenich-Alt
Forschungs- und Demonstrationsanlage für Agri-Photovoltaik in Morschenich-Alt
Forschungszentrum Jülich / Ralf-Uwe Limbach

Aber es reicht nicht aus? Was muss Ihrer Meinung nach noch getan werden?

Es wurden bereits wichtige Weichen gestellt. wenn man aber das enorme Potenzials von Agri-Photovoltaik wirklich entwickeln will, sind weitere Änderungen notwendig.

Aufgeständerte PV-Anlagen haben ein großes Potenzial, da sie neben der Doppelnutzung der landwirtschaftlichen Fläche gleichzeitig den Pflanzen Schutz bieten. Doch sie sind auch teurer in der Konstruktion. Problematisch ist, dass nach der Novelle des EEG insbesondere kleinere Anlagen dieses Typs – wie sie von lokalen Landwirtschaftsbetrieben selbst gebaut und betrieben werden könnten, nicht ausreichend gefördert. Dies stellt für Teilhabe, und damit auch für die Akzeptanz, der lokalen Landwirte und der Bevölkerung eine große Hürde dar. Deshalb werben wir für ein eigenes Segment im EEG für aufgeständerte Anlagen, welches auch eine spezielle Förderung kleinerer Anlagen ermöglicht.

Ein weiteres Hindernis sind derzeit die Genehmigungsverfahren. Da landwirtschaftliche Flächen berechtigterweise erhalten bleiben sollen, ist für ihre Bebauung ein intensives Prüfverfahren notwendig. PV-Anlagen – auch AgriPV-Anlagen – sind derzeit nicht als besondere Tatbestände im Gesetz aufgeführt – im Gegensatz zu Windanlagen. Das hat zur Folge, dass Genehmigungsverfahren für ihren Bau zeitaufwändig sind. Da jedoch AgriPV-Anlagen durch ihre Doppelfunktion dem Erhalt – und oder sogar dem Schutz von landwirtschaftlicher Fläche dienen, setzen wir uns dafür ein, dass auch AgriPV-Anlagen – anders als reine Freiflächenanlagen, die keine Doppelnutzung mit Gartenbau und Landwirtschaft in die Kategorie für sogenannte privilegierte Bauvorhaben mit aufgenommen werden, wie das beispielsweise bei Windkraftanlagen bereits der Fall ist. Natürlich müssen die Genehmigungsbehörden dabei mit einbezogen werden. Das große Potential für AgriPV auch in unserer Region liegt in der Doppelnutzung von Fläche für Landwirtschaft und Gartenbau einerseits, und die Gewinnung erneuerbarer Energien andererseits. Interessanterweise rückt inzwischen auch die Frage, wie durch AgriPV-Systeme die Biodiversität gesteigert werden kann, zunehmend in den Fokus unserer Arbeiten.

Ansprechpartner

Prof. Dr. Ulrich Schurr

Institutsleiter IBG-2

  • Institut für Bio- und Geowissenschaften (IBG)
  • Pflanzenwissenschaften (IBG-2)
Gebäude 06.2 /
Raum 401
+49 2461/61-3073
E-Mail
  • Institut für Bio- und Geowissenschaften (IBG)
  • Pflanzenwissenschaften (IBG-2)
Gebäude 06.2 /
Raum 413
+49 2461/61-8684
E-Mail

Dr. Regine Panknin

Pressereferentin

    Gebäude 15.3 /
    Raum R 3028
    +49 2461/61-9054
    E-Mail

    Letzte Änderung: 13.02.2023