Weltpremiere in der Fusionsforschung: Hochenergetische Teilchen durch Radiowellen in Wendelstein 7-X

27. Mai 2025

Wendelstein 7-X schreibt Fusionsgeschichte: In der weltweit größten Stellarator-Anlage gelang erstmals die Erzeugung hochenergetischer Helium-3-Ionen durch Ionenzyklotron-Resonanzheizung – ein Meilenstein für die Fusionsforschung. Diese Technik, entwickelt im Rahmen des TEC-Clusters durch Partner in Jülich und Brüssel, hilft nicht nur bei der Entwicklung nachhaltiger Energie, sondern liefert auch neue Erkenntnisse über Prozesse auf der Sonne.

Wendelstein 7-X (W7-X) ist der weltweit größte Fusionsreaktor vom Typ Stellarator. Die Experimentieranlage wird am Max-Planck-Institut für Plasmaphysik in Greifswald betrieben und spielt eine entscheidende Rolle bei der Weiterentwicklung der Fusionsenergieforschung. Kernstück der Anlage ist ein torusförmiger Magnetfeldkäfig, der das mehrere Millionen Grad heiße Plasma einschließt.

Grafische Darstellung des Fusionsreaktors, ein donat-förmiges Gerät mit vielen komplizierten Röhren, Leitungen, Knöpfen usw. Im vorderen Teil ist die Hülle des Geräts durchsichtig, das Plasma im Inneren ist hier durch eine rosafarbene Wolke dargestellt.
Im Max-Planck-Institut für Plasmaphysik in Greifswald wird mit Wendelstein 7-X der weltweit größte Stellarator betrieben.
MPG IPP

Eine der zentralen Herausforderungen bei solchen Anlagen ist die effiziente Einschließung von schnellen Alpha-Teilchen (Helium-4-Kernen), die bei Fusionsreaktionen entstehen. Diese hochenergetischen Teilchen sind unerlässlich für die Aufrechterhaltung der extremen Temperaturen, die für eine nachhaltige Fusion erforderlich sind. Entweichen sie zu schnell, können sie das Plasma nicht effektiv erwärmen.

Da es sich bei W7-X um einen experimentellen Stellarator und nicht um ein vollwertiges Fusionskraftwerk handelt, ist er kleiner dimensioniert. Daher muss die Simulation des Verhaltens der Alpha-Teilchen mit Teilchen niedrigerer Energie erfolgen, die entsprechend den Abmessungen der Anlage skaliert sind. In der Praxis werden dafür die leichteren Helium-3-Ionen auf eine passende Energie beschleunigt. Die entscheidende Frage lautet: Wie können solche Teilchen im W7-X zuverlässig erzeugt werden?

Wie ein Kind auf der Schaukel

Die Antwort liegt in einem Prozess namens resonante Energieübertragung, bei dem leistungsstarke Hochfrequenzwellen mit einer Leistung im Megawattbereich zur Beschleunigung der Teilchen verwendet werden. Dies ähnelt dem Anschubsen eines Kindes auf einer Schaukel: Um effektiv zu sein, muss jeder Anschub genau im Einklang mit der Eigenfrequenz der Schaukel erfolgen – mit anderen Worten, er muss in Resonanz stehen.

Drei Ansichten der Antenne an der Innenwand des Fusionsraktors
In W7-X werden elektromagnetische Wellen mit einer speziellen Antenne eingespeist (hier in drei verschiedenen Ansichten). Die Wellen werden dabei auf die Ionenzyklotron-Frequenz der Helium-3-Ionen abgestimmt.
B. Schweer, ERM-KMS, Brüssel

In W7-X werden elektromagnetische Wellen mit einer speziellen Antenne eingespeist (siehe Abbildung). In Plasmen, die aus Wasserstoff und Helium-4 in sorgfältig ausgewählten Verhältnissen bestehen, werden die eingespeisten Wellen auf die Ionenzyklotron-Frequenz der Helium-3-Ionen abgestimmt – die Frequenz, mit der sie um die Magnetfeldlinien kreisen. Wenn Resonanz erreicht ist, absorbieren die Teilchen effizient Energie aus den Wellen und erreichen die notwendigen hohen Energien. Dies ist das erste Mal, dass hochenergetische Helium-3-Ionen mit Hilfe der Ionenzyklotron-Resonanzheizung (ICRH) in einem Stellarator erzeugt wurden: Eine Weltpremiere in der Fusionsforschung.

Das ICRH-System wird am W7-X unter dem Dach des Trilateral Euregio Cluster (TEC) in enger Zusammenarbeit zwischen dem Plasma Physics Laboratory der Königlichen Militärakademie in Brüssel und den Jülicher Instituten IFN-1 und ITE entwickelt und betrieben und ist das Ergebnis jahrelanger engagierter Forschung und Entwicklungsarbeit.

Einblicke in die Funktionsweise der Sonne

Diese Forschung trägt nicht nur zur Entwicklung einer nachhaltigen Energiequelle bei, sondern liefert auch unerwartete Einblicke in die Funktionsweise der Sonne. Dieselben Resonanzprozesse, die Helium-3-Teilchen in W7-X anregen, können auch das gelegentliche Auftreten von helium-3-reichen Wolken in ihrer Atmosphäre erklären.

Genau wie in W7-X erhalten Helium-3-Partikel dort Energie von elektromagnetischen Wellen, die in der Sonne erzeugt werden – sie werden selektiv beschleunigt und bilden große Wolken. Diese können bis zu 10.000-mal mehr Helium-3 als üblich enthalten, und wurden kürzlich am 24. Oktober 2023 erneut von der Raumsonde Solar Orbiter entdeckt. Diese Erkenntnisse zeigen, dass die Fusionswissenschaft nicht nur die Zukunft gestaltet, sondern auch dazu beiträgt, die Geheimnisse des Kosmos um uns herum zu entschlüsseln.

Ansprechpartner:innen

Dr. Dirk Reiser

Team leader "Theory and Numerical Simulations"

  • Institute of Fusion Energy and Nuclear Waste Management (IFN)
  • Plasmaphysik (IFN-1)
Gebäude 09.1 /
Raum 129c
+49 2461/61-2784
E-Mail

Dr. Jozef Ongena

Research Director of the Plasma Physics Lab at the Royal Military Academy, Brussels, Belgium

    E-Mail

    Dr. Regine Panknin

    Pressereferentin

      Gebäude 15.3 /
      Raum R 3028
      +49 2461/61-9054
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      Letzte Änderung: 28.05.2025