Auszeichnung für patentierten Alzheimer-Wirkstoffkandidaten
Jülich, 27. Mai 2020 – Zum dreizehnten Mal verleiht der Arbeitskreis der BioRegionen den „Innovationspreis der BioRegionen in Deutschland“ für anwendungsorientierte Patente aus der LifeScience-Forschung. In diesem Jahr geht einer der drei Preise an Prof. Dieter Willbold und sein Team für das Patent „Alzheimer-Therapie durch Abeta-Oligomer eliminierende D-Peptide“ und einen neuen anti-prionischen Wirkmechanismus. Der Wettbewerb wird 2020 gemeinsam von BIOPRO Baden-Württemberg GmbH und dem BioRN Network e.V. organisiert.
Die drei jeweils mit 2.000 Euro dotierten Preise sollen den Transfer von Wissen, neuen Technologien und Erfindungen aus der Forschung in die unternehmerische Verwertung fördern. Dieter Willbold und sein Team vom Institut für Biologische Informationsprozesse, Strukturbiochemie (IBI-7) am Forschungszentrum Jülich und des Instituts für Physikalische Biologie der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf, haben den durch ein Patent geschützten Wirkstoff RD2 (alias PRI-002) als Kandidaten für die Alzheimer-Therapie entwickelt. Er zerlegt die nach heutigem Stand der Forschung für den Krankheitsprozess entscheidenden, toxischen Amyloid-beta (Abeta)-Oligomere direkt und spezifisch in ihre unschädlichen Monomer-Bausteine und beseitigt sie auf diese Weise.
RD2 ist der erste Wirkstoffkandidat, der als Anti-Prionicum, also direkt gegen die schädigenden Protein-Strukturen wirkt. "Jahrzehntelang wurden Alzheimer-Wirkstoffkandidaten entwickelt, die den Nachschub an Abeta-Monomeren für die Abeta-Oligomer-Vermehrung um 20 bis 40 Prozent reduzieren sollten oder Antikörper, die verschiedene Abeta-Spezies erkennen", erklärt Willbold, Direktor am IBI-7 des Forschungszentrums Jülichs. "Dadurch werden aber die Spezies weder direkt zerstört, noch kann man damit ein sich selbst vermehrendes Prion, das aus körpereigenen Bausteinen besteht, effizient bekämpfen."
Das nicht-toxische Monomer und die Monomerbausteine in den toxischen Oligomeren sind chemisch identisch. Der einzige Unterschied ist deren drei-dimensionale Struktur. Abeta-Monomere haben eine flexible nicht-definierte 3D-Struktur. Die chemisch identische Untereinheit in einem Oligomer oder einer Fibrille besitzt dagegen eine hochdefinierte 3D-Struktur, die sich allein damit vom natürlichen Monomer unterscheidet. Diese Struktur ist in der Lage, weitere Momomere zu "rekrutieren", um zu wachsen und sich letztlich zu vermehren. Diese Prion-ähnliche Eigenschaft ist weitgehend anerkannt und experimentell in vivo eindeutig demonstriert worden. Sie muss berücksichtigt werden, um eine wirksame Therapie entwickeln zu können.
Dieter Willbold entwickelte mit dem Wirkstoff RD2 eine anti-prionische Strategie zur Therapie von Alzheimer. RD2 stabilisiert das Abeta-Monomer in seiner nativen ungeordneten Struktur, der IDP-Konformation (intrinsically disordered protein) und verhindert dadurch nicht nur dessen Aggregation, sondern zerlegt bereits vorhandene Oligomere und Fibrillen wieder in ihre unschädlichen Monomerbausteine. Die Preis-Jury erkannte besonders die hohe Innovationskraft des neuen anti-prionischen Wirkmechanismus an.
"Ziel unserer Strategie ist es, toxische Abeta-Prion-Partikel direkt in nicht-toxische Abeta-Monomere zu zerlegen, wie sie in jedem von uns während des gesamten Lebens gebildet und wieder abgebaut werden. Das können wir mit unserem entwickelten Wirkstoff-Kandidaten erreichen, der eine zuverlässige Wirksamkeit in vier verschiedenen Alzheimer-Tiermodellen zeigt. Und zwar auch unter nicht-präventiven Bedingungen und sogar mit einer Verbesserung der Kognition", so Willbold. Nach erfolgreichen vorklinischen Sicherheits- und Verträglichkeitstests erhielt RD2 2018 die Genehmigung für die klinische Phase I-Studie zur Testung am Menschen, die mittlerweile abgeschlossen ist. Unterstützt wurde die Entwicklung bis zu diesem Zeitpunkt von der Helmholtz-Gemeinschaft und der Alzheimer's Association (Chicago). Den größten Teil finanzierte das Forschungszentrum Jülich.
Parallel gründete Willbold 2017 gemeinsam mit weiteren Kollegen aus seinem Team die Priavoid GmbH aus dem Forschungszentrum Jülich aus, um ein marktreifes Medikament zu entwickeln. Als Seed-Investor unterstützte Prof. em. Detlev Riesner das Startup. Riesner war bereits an vielen erfolgreichen Biotech-Gründungen maßgeblich beteiligt. „Ich bin sehr stolz, dass die Tradition des erfolgreichen Wissenstransfers durch meinen Nachfolger auf dem Lehrstuhl für Physikalische Biologie der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf fortgesetzt wird und unterstütze ihn sehr gerne“, erklärt Riesner.
Weitere toxikologische Untersuchungen müssen nun zeigen, dass auch eine noch viel längere Einnahme des Präparats als bisher untersucht nicht gesundheitsschädlich ist. Dann kann eine klinische Phase II-Studie starten, die nachweisen soll, dass RD2 nicht nur im Tiermodell, sondern auch in Alzheimer-Patienten wirksam ist und Gedächtnisleistung und Kognition verbessert. "Dafür sind 13 Millionen Euro und drei Jahre Zeit nötig", schränkt Willbold die Hoffnung auf eine schnelle Verfügbarkeit ein. "Am Investment oder einem passenden Pharma-Partner suchen wir derzeit jedoch noch."
Nach einer erfolgreicher Phase II wären dann Zulassungsstudien (Phase III) für die Zulassung des Wirkstoffes als Medikament erforderlich. Auch die Entwicklung von weiteren Wirkstoffen mit diesem anti-prionischen Wirkmechanismus für Proteinfehlfaltungskrankheiten, wie zum Beispiel die amyotrophe Lateralsklerose (ALS), Morbus Parkinson, Chorea Huntington und Frontotemporale Demenz (FTD), stehen langfristig im Fokus der Forschungen von Dieter Willbold und seinem Team.
Weitere Informationen:
Innovationspreis 2020 der BioRegionen in Deutschland
Webdossier zur Jülicher Alzheimerforschung: "Alzheimer – aus Einzelteilen wird ein Bild"
Wissenschaftsmagazin des Forschungszentrums "effzett", Ausgabe 2/18 mit dem Titelthema "Alzheimer"
Institut für Biologische Informationsprozesse, Strukturbiochemie (IBI-7)
Ansprechpartner:
Prof. Dieter Willbold
Institut für Biologische Informationsprozesse, Strukturbiochemie (IBI-7),
Forschungszentrum Jülich
Institut für Physikalische Biologie, Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf
Tel.: 02461 61-2100
E-Mail: d.willbold@fz-juelich.de
Pressekontakt:
Annette Stettien
Unternehmenskommunikation
Tel.: 02461 61-2388
E-Mail: a.stettien@fz-juelich.de