Hitze, Pflanzenstress und Ozon: Wie der Klimawandel die Luft verändert

Neue Modellanalyse beleuchtet komplexe Wechselwirkungen zwischen Natur und Luftschadstoffen

5. August 2025

Extreme Hitzeperioden führen, neben anderen negativen Effekten, häufig zu einer erhöhten Belastung durch bodennahes Ozon. Das ist gefährlich für Mensch, Umwelt und Landwirtschaft. Eine aktuelle Studie unter Federführung des Forschungszentrums Jülich liefert nun überraschende Erkenntnisse: Bei starker globaler Erwärmung könnte die Ozonbelastung in einigen Regionen der Welt zurückgehen.

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Die Forschenden haben mit einem innovativen „Storyline-Ansatz“ gearbeitet: Simulationen von plausiblen Klimaszenarien, die verschiedene mögliche Entwicklungen der globalen Erwärmung abbilden – etwa ob Wetterextreme wie Hitzewellen oder Starkregen stärker oder häufiger werden. „Unsere Frage war: Welche Auswirkungen hat die globale Erwärmung auf die Ozonbelastung?“, erklärt die Erstautorin Tamara Emmerichs. „Wir haben dafür Erwärmungslevel von +2 °C und +2,75 °C im Vergleich zu vorindustriellen Temperaturniveaus gewählt – basierend auf den Wetterlagen der außergewöhnlich heißen Sommer 2018 bis 2020.“ Die Emissionen von Schadstoffen wurden in der Simulation konstant gehalten – so konnten die Forschenden den reinen Einfluss von Temperatur und Luftfeuchtigkeit analysieren.

Unerwartete Trendwende bei starker Erwärmung

Das Ergebnis: Bei einer Erwärmung von +2 °C steigt die bodennahe Ozonbelastung in vielen Regionen zunächst an. Ein Grund dafür ist die verstärkte chemische Produktion von Ozon, die teilweise durch steigende Emissionen von Vorläufersubstanzen aus Pflanzen angetrieben wird. Ein wichtigerer Faktor ist jedoch, dass höhere Temperaturen die atmosphärische Chemie bei der Ozonbildung effizienter machen. Hinzu kommt, dass die Fähigkeit der Vegetation, Schadstoffe zu binden, abnimmt, was die Luftverschmutzung weiter verschärft.

Erstaunlicherweise kehrt sich dieser Trend, der bei der Simulation sichtbar wurde, bei einer stärkeren Erwärmung um +2,75 °C um: Die Hintergrundkonzentration von Ozon nimmt in der gesamten nördlichen Hemisphäre deutlich ab. Grund dafür ist eine feuchtere Atmosphäre, in der Ozon in höheren Luftschichten effizienter abgebaut wird. „Der Effekt wird bei höheren Temperaturen dominanter“, erklärt Emmerichs. „Das Ergebnis ist ein Rückgang der Ozonbelastung in Bodennähe.“

Pflanzen als entscheidender Einflussfaktor

Pflanzen spielen dabei eine doppelte Rolle: Sie können Ozon über ihre Blätter aufnehmen und tragen so zur Luftreinigung bei. Gleichzeitig geben sie Wasser ab und kühlen so ihre Umgebung. Allerdings reagieren Pflanzen sowohl auf Trockenstress als auch auf die verstärkte Belastung durch Ozon, indem sie ihre Spaltöffnungen schließen – das verringert sowohl den Kühleffekt als auch die Ozonaufnahme.

„Unsere Studie zeigt, dass die Stressreaktionen von Pflanzen ein zentraler, bisher unterschätzter Faktor bei der zukünftigen Entwicklung der Ozonbelastung sind“, so der Jülicher Atmosphärenforscher Domenico Taraborrelli.

Auswirkungen auf Gesundheit und Ökosysteme

Die Simulation der Wissenschaftler zeigt also: Bei 2 °C Erwärmung ist mit einem Anstieg der durch Ozon verursachten Todesfälle weltweit zu rechnen. Bei einer noch stärkeren Erwärmung von 2,75 °C nimmt die Zahl dieser Ozon-Todesfälle wieder deutlich ab – besonders in Europa und Indien. Gleichzeitig steigt in bestimmten Regionen die Aufnahme von schädlichem Ozon durch Pflanzen, etwa in den borealen Wäldern der Nordhalbkugel.

„Der von uns verwendete Storyline-Ansatz verdeutlicht, dass die Wechselwirkungen zwischen Klima, Wetter, Chemie und Ökologie komplex sind“, so Taraborrelli. „Jeder einzelne Aspekt des Klimawandels ist ein Ergebnis einer Vielzahl dieser Wechselbeziehungen und Überlagerungen, und lässt sich nur schwer herausgelöst betrachten.“

Mehr Wissen für gezielten Gesundheitsschutz

Die Studie der Jülicher Atmosphärenforscher liefert wertvolle Erkenntnisse, um regionale Anpassungsstrategien für Gesundheits- und Umweltschutz gezielt zu entwickeln. „Sie zeigt, das starke Erwärmung nicht nur negative, sondern mitunter auch positive Effekte auf die Luftqualität haben kann“, so Taraborrelli. „Zumindest in Einzelfällen, wie hier für die Ozonbelastung.“

Die Studie wurde durch das Helmholtz Innopool-Projekt SCENIC unterstützt.

Originalpublikation: Widespread reduction of ozone extremes in storylines of future climate, npj Clean Air, by Tamara Emmerichs, Domenico Taraborrelli, Fuzhen Shen, Sergey Gromov, Michaela I. Hegglin and Andreas Wahner
DOI: https://doi.org/10.1038/s44407-025-00019-4

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    Letzte Änderung: 05.08.2025