Kurz und bündig
Im Topic „Plasma-Wand-Wechselwirkung“ entwickeln und analysieren Jülicher Forschende neue Materialien, die den extremen Bedingungen in Fusionsreaktoren standhalten. Sie untersuchen sowohl die physikalischen und chemischen Prozesse, die an der Grenzfläche zwischen Plasma und Wandmaterialien ablaufen als auch die Auswirkungen von Plasma-Verunreinigungen durch die Erosion von Wandbestandteilen, welche zum Erlöschen des Plasmas führen können.
Darüber hinaus entwerfen, bauen und betreiben die Jülicher Teams Diagnostiksysteme, um die Vorgänge am Plasmarand besser zu verstehen. Flankiert werden die Arbeiten von theoretischen Modellen, einschließlich maschinellem Lernen und Künstlicher Intelligenz.
Herausforderungen
Die Materialien, welche die Innenwände eines Fusionsreaktors auskleiden, müssen extremen Bedingungen standhalten, darunter hohe Temperaturen, intensive Neutronenstrahlung und ständige Bombardierung durch energiereiche Plasmateilchen. Diese Konditionen haben Erosion, Abnutzung und strukturelle Schäden zur Folge. Die Erosion der Wandmaterialien wiederum führt zu Verunreinigungen des Plasmas, welche die Effizienz und Stabilität der Fusionsreaktionen beeinträchtigen. Die Innenwände eines Fusionsreaktors haben zudem die Aufgabe, immense Wärmemengen abzuleiten, ohne dabei beschädigt zu werden.
Zusätzlich sind die Erkenntnisse aus den experimentellen Studien und kleinen Testanlagen die Basis für große Fusionsreaktoren wie ITER und zukünftige kommerzielle Fusionskraftwerke.
Lösungen
Jülicher Forscher:innen entwickeln und testen neue hochbeständige Materialien und untersuchen die Erosionsmechanismen der Materialschädigung durch Plasma-Wand-Wechselwirkungen. Sie ermitteln mit neuartigen Diagnostiksystemen detailliert die Wechselwirkungen zwischen Plasmateilchen und Wandmaterialien. So spüren sie Erosionsquellen und Verunreinigungskomponenten im Hauptraum auf. In der Folge können Verunreinigungen minimiert und geeignetere Materialien identifiziert werden.
Um das Plasma von Verunreinigungen zu befreien, entwarfen die Jülicher Fusionsexpert:innen einen sogenannten „Wolfram-Divertor“. Diese Komponente wird unter anderem zum Kühlen und Abtrennen von Heliumatomen aus dem Plasma eingesetzt, die bei der Fusionsreaktion entstehen. Da es an einigen Stellen zum gewollten Kontakt mit dem mehr als 100 Millionen Grad heißen Plasma kommt, muss das Bauteil extrem hitzebeständig ausgelegt sein und über eine effiziente Kühlung verfügen.
Getestet werden hierzu neuartige Legierungen oder High-Tech-Verbundwerkstoffe, wie zum Beispiel Gewebe aus mikroskopischen, zu Garnen verflochtenen Wolframfasern, eingebettet in einer Matrix aus chemisch abgeschiedenem Wolfram.
Darüber hinaus prüfen die Jülicher Forscherinnen und Forscher Möglichkeiten zur effizienten Rückgewinnung des in den Wänden der Anlage absorbierten Tritiumbrennstoffs – essenziell für den laufenden Betrieb und die spätere Stilllegung von Fusionsanlagen. Sie erforschen auch die Auswirkung von Neutronenstrahlung auf verschiedene Materialien und entwerfen neue Werkstoffe, die widerstandsfähiger gegen Neutronenschäden sind. Das weltweit einzigartige Jülicher Hochtemperatur-Materiallabor bietet die dafür notwendige Infrastruktur.
Zum besseren theoretischen Verständnis modellieren die Wissenschaftler:innen die Plasma-Strömungsverhältnisse, Wärmeübertragung und die thermische Belastung der Wandsysteme. Hierzu führen sie detaillierte Laborexperimente durch und entwickeln fortschrittliche Simulationsmodelle, um die Interaktionen besser zu verstehen und steuern zu können. Gleichzeitig erstellen sie Prognosen für das Verhalten des Plasmas und der eingesetzten Werkstoffe in zukünftigen Fusionsreaktoren. Hier kommen modernste Supercomputer, maschinelles Lernen und Künstliche Intelligenz zum Einsatz. Gemeinsam mit dem Jülicher Supercomputing Center (JSC) werden die numerischen Werkzeuge für verschiedene Szenarien der Plasma-Wand-Wechselwirkungen angepasst und weiterentwickelt.
Kontakt
- Institute of Fusion Energy and Nuclear Waste Management (IFN)
- Plasmaphysik (IFN-1)
Raum 112