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Kurz und bündig
Nicht nur die immer präziseren bildgebenden Verfahren haben in den vergangenen Jahren die Gehirnforschung in ein neues Zeitalter katapultiert. Das Topic „Decoding Brain Organisation and Dysfunction“ profitiert vor allem von der engen interdisziplinären Zusammenarbeit zwischen Hirnforschung und Computing.
So entschlüsseln Jülicher Forschende die Organisation des Gehirns, seine Informationsaufnahme und -verarbeitung sowie seine Plastizität in enormer Detailtiefe. Für dieses Ziel entwickeln die Wissenschaftler:innen einerseits aussagekräftige Modelle und Atlanten des Gehirns und andererseits fortschrittliche Analysemethoden für große und komplexe Datensätze mithilfe von Hochleistungsrechnern und Künstlicher Intelligenz. Daraus entstehen neue Diagnoseverfahren, modellbasierte Therapieansätze sowie neue Methoden im Bereich des maschinellen Lernens.
Herausforderungen
Das menschliche Gehirn gilt als eines der komplexesten Systeme des Universums. Wenn es versagt – wie bei einer Demenz oder nach einem Schlaganfall – wird auch dem Laien klar, wie zentral das Gehirn für unser ganzes Sein ist. Gleichzeitig unterscheiden sich Gehirne voneinander – sie sind variabel. Das hat eine große Bedeutung für die Medizin: Ziel ist es, erkennen und unterscheiden zu können, was eine Veränderung in Richtung einer Erkrankung ist, um früh etwas dagegen unternehmen zu können und was vielleicht nur eine individuelle Besonderheit.
Inzwischen weiß die Wissenschaft viel über die Nervenzellen und ihre Netzwerke, die für Denken und Verhalten entscheidend sind. Jedoch können die genauen Mechanismen für lebenslange Lernfähigkeit, das Erinnerungsvermögen, das unterschiedliche Altern, individuelle Unterschiede in der Wahrnehmung und auch die Ursachen zahlreicher Krankheiten immer noch rätselhaft sein.
Lösungen
Jülicher Forschende entschlüsseln die Organisation und Funktion des menschlichen Gehirns, seine hohe Komplexität sowie seine vielfältigen Veränderungen im Laufe des Lebens, auch im Falle einer Erkrankung. Hierzu nutzen die Expert:innen innovative bildgebende und optische Verfahren sowie High Performance Computing.
Sie ergänzen die neurowissenschaftliche Grundlagenforschung mit Methoden aus den Bereichen Modellierung und Simulation sowie Künstlicher Intelligenz – dies ermöglicht es den Jülicher Forscher:innen, neue Erkenntnisse aus großen und heterogenen Daten zu gewinnen. Die Arbeiten bilden die Grundlage zum Verständnis der Informationsverarbeitung im Gehirn und eröffnen die Möglichkeit, vom Gehirn inspirierte Technologien zu entwickeln. Gleichzeitig helfen die Ergebnisse, neurologische und psychiatrische Erkrankungen besser zu verstehen, zu diagnostizieren und zu behandeln.
Ein Ergebnis ist der wegweisende „Julich Brain Atlas“: Er stellt den weltweit detailliertesten Gehirnatlas dar und enthält zurzeit Karten von mehr als 200 Regionen. Er ermöglicht es, Eigenschaften des Gehirns auf der Ebene von Molekülen mit der Mikrostruktur und der Hirnfunktion in Verbindung zu bringen und erlaubt so ein tieferes Verständnis. Basierend auf dem in Jülich und Kanada entwickelten digitalen Modell „BigBrain“, welches eine Auflösungsgenauigkeit von 20 Mikrometern hat, wird gerade auch ein digitales 1-Mikrometer-Gehirn entwickelt. Damit sollen erstmals alle 86 Milliarden Nervenzellen im Hirn erfassbar und neuronale Netzwerke noch besser verständlich werden.
Möglich sind diese Fortschritte für die Hirnforschung durch Supercomputing und eine groß angelegte, multidisziplinäre Zusammenarbeit. Am europäischen Human Brain Project (HBP) waren Jülicher Expert:innen federführend beteiligt. Aus dem HBP heraus ist eine digitale Plattform – die europäische Forschungsinfrastruktur EBRAINS – entstanden.
Kernelemente von EBRAINS sind der extrem hochauflösende Julich Brain Atlas sowie die in Jülich speziell für Neurowissenschaftler:innen entwickelten Supercomputing-Verfahren und Konzepte für die vom Gehirn inspirierten „neuromorphen“ Computerarchitekturen. EBRAINS ist für Forschende aus aller Welt offen: Hier finden sie zudem umfangreiche Datensätze, Analyse- und Simulationswerkzeuge und auch den direkten Zugang zu Hochleistungsrechnern. Für die Hirnforschung, Medizin und Technologieentwicklung ergeben sich daraus nie da gewesene Chancen.
Dabei profitieren nicht nur die Neurowissenschaften: Erkenntnisse über das Gehirn werden auch auf Methoden des maschinellen Lernens und der Künstlichen Intelligenz zurückübertragen. Im Human Brain Project nach dem Vorbild des Gehirns entwickelte KI-Algorithmen bewiesen bereits bemerkenswerte Vorteile: Sie zeigten eine hohe Energieeffizienz, Flexibilität und Plastizität sowie die Fähigkeit, aus spärlichen Daten zu lernen. Wichtig wird zukünftig dabei auch der Zugang zu den enormen Rechenkapazitäten des ersten europäischen Exascale-Computers JUPITER im Forschungszentrum Jülich.
Kontakt
Prof. Dr. med. Dr. h.c. Katrin Amunts
Director of the INM-1 and Working Group Leader "Architecture and Brain Function"
- Institut für Neurowissenschaften und Medizin (INM)
- Strukturelle und funktionelle Organisation des Gehirns (INM-1)
Raum 3022